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Seehofer und die CSU brauchen FDP als Brücke

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Abschied von der allgemeinen Wehrpflicht, Abkehr von der Atomenergie, Abseitsposition der Hauptschule – was kommt noch? Und wie erklärt man das dem Wähler? Das Schlachten einer heiligen Kuh ist allemal erklär- und verkraftbar, wenn die Herde zum Abdecker getrieben werden muss, stellt sich die Existenzfrage. Dann richtet sich der suchende Blick auf die Solidargemeinschaft oder einen Partner – erst mal egal aus welchen Gründen der zur Hilfe bereit sein könnte. Und solche Mechanismen scheinen zur Zeit in der Landesregierung zu greifen.

Dass der Ministerpräsident sich gestern in seiner Regierungserklärung durch Fukushima geläutert zeigte, war zu erwarten, folgte dem Beispiel der Bundeskanzlerin und bot letztlich die einzig mögliche Erklärungsform. Allein für sich gesehen könnte der Vorgang für die CSU weit von einer parteipolitischen Katastrophe entfernt sein. Bayern fand unter Führung der CSU und abgesehen von der Wasserkraft arm an Energierohstoffen mit Hilfe der Atommeiler zur wirtschaftlichen Blüte. Nicht umsonst stand das Garchinger Atomei auf Ansichtskarten neben der Zugspitze werbend für den Freistaat.

Seehofer ist es bislang weitaus besser als Angela Merkel gelungen, neben das faulende Ei die Aussicht auf neue Blüte zu stellen. Warum sollte es dem energiegeladenen Bayern nicht auch hier gelingen, die beste Ernte einzufahren!? Land und Bürger als eins. Das große Ramadama setzt ein. Je mehr Schutt es weg zu räumen gilt – um so besser. Bayern bringt auch hier mit seiner Maximal-Atomkraftabhängigkeit die besten Voraussetzungen mit. Und die in Landtag und Staatsregierung irgendwie hereingeschlenkerten Liberalen sollen Sudeten-gleich helfen. Vielleicht kommt auch hier irgendwann Liebe hinzu.

Die Aussichten standen denkbar schlecht. Der neue Mitbewohner nahm Platz und Futter weg und wurde entsprechend behandelt. Seine Mitarbeit wurde kleingeredet, schlechtgemacht oder ignoriert; und die CSU/Staatskanzlei ließ prüfen, wie man ihm schaden und/oder am besten aus dem Hause treiben könnte. Jetzt scheint der nominelle Hausherr den als Untermieter behandelten WG-Mitbewohner zu brauchen – und mit einem Federstrich sieht sich Martin Zeil als Leiter einer Energieagentur. So wird der Knecht zum Verwalter. Das macht Sinn. Denn der Wirtschaftsminister mit seinen Warnungen vor einem überhasteten, ungeordneten Atomausstieg erscheint als am besten geeignet, eine Brücke zu auf Distanz geratenen Teilen der Wirtschaft schlagen zu können.

Ähnliches scheint sich in der Schulpolitik abzuzeichnen. Mit dem am Montag von der CDU vorgestellten Konzept, Haupt- und Realschulen zusammenzulegen, steht die CSU als letztverbliebene Verfechterin des dreigliedrigen Schulsystems da. Dermaßen isoliert wird sich das einstige Aushängeschild Hauptschule auch als Mittelschule verkleidet nicht halten können. Während die FDP-Bildungssprecherin Renate Will noch von der CSU Bewegung in der Bildungspolitik hin zu „echten Kooperationen“ zwischen Haupt-/Mittelschulen und Realschulen fordert, sieht sich Kultusminister Ludwig Spaenle laut ddp schon auf einer Linie mit dem Koalitionspartner. Die Frage ist nur, ob beide gemeinsam über die Brücke gehen oder die CSU die FDP als Brücke nutzen will.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

29. Juni 2011 um 06:32h

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