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Freie Wähler – von Aiwanger ins Feld geführt

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2013 werden wir wahrscheinlich an der Regierung beteiligt sein.“ So selbstbewusst und selbstsicher wie Hubert Aiwanger vermag dies zur Zeit kein anderer Parteichef in Bayern behaupten. Schon vor gut einem Monat war diese Zuversicht, dass alles auf die Freien Wähler zulaufe, im Gespräch mit ihm zu spüren. Da hatten ihm die bayerischen Mitglieder gerade eine satte Mehrheit für den Gang nach Berlin beschert. Das war keine Selbstverständlichkeit, nachdem Zitterpartien um eine Beteiligung bei Landtagswahlen in Bayern noch gar nicht so lange zurück liegen. Am vergangenen Wochenende wurde der strukturelle Schritt zur Beteiligung der FW an der Bundestagswahl 2013 vollzogen. 77 Prozent der Mitglieder votierten in einer Urabstimmung für den hierzu notwendigen Zusammenschluss mit der Bundesvereeinigung.

Diese hat Parteistatus, und es ist damit zu rechnen, dass alle bislang nur im Dachverband (Bundesverband) zusammengeschlossenen Landesverbände gemeinsam bei Bundestagswahlen antreten. Die Zeiten der ursprünglichen nur kommunalen Wählergruppen wären damit endgültig Vergangenheit. Diese Entwicklung trägt einen Namen. Hubert Aiwanger, hierzulande einer breiteren Öffentlichkeit eher als Chef der Landtags-Fraktion bekannt, ist in Personalunion auch Vorsitzender des FW-Landesverbands, des Bundesverbands und der Bundesvereinigung der Freien Wähler.

Deren Strukturen werden immer straffer. Die Landesgeschäftsstelle verlegte ihre Tätigkeit aus dem Umland in die Landeshauptstadt und wird dort gemeinsam von Landesgeschäftsführer Michael Fischl und dem Münchner Landtagsabgeordneten Prof. Michael Piazolo geleitet. Gerade der Hochschulprofessor soll auch städtische und intellektuelle Wählerschichten ansprechen. Von der Bundesgeschäftsstelle im bayerischen Berngau aus zieht Bundesgeschäftsführerin Cordula Breitenfellner die Fäden. Landesverbände wie in NRW oder im Saarland werden inzwischen deutlich stärker. Vor Betriebsunfällen wie in Rheinland-Pfalz sind die Freien Wähler jedoch nicht gefeit. Fast bewegungslos nahmen dort FW-Verbandsspitzen vor drei Wochen eine schmachvolle Abwahl ihrer vor drei Jahren erst wiedergewählten Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Deidesheim hin. Über das notwendige Drittel hinaus hatten ihr gut die Hälfte der Wahlberechtigten die Rote Karte vor allem wegen Misswirtschaft gezeigt.

Personalprobleme bei den Freien Wählern auf Landes- und künftig Bundesebene

Doch auch nur vergleichbare Misserfolge auf Kommunalbasis sind eher selten. Tatsächliche Personalprobleme offenbaren sich bei den Freien Wählern eher noch auf Landes- und künftig Bundesebene. Sogar Aiwanger traut man allgemein „nur“ das Landwirtschaftsressort, aus dem er kommt, zu. Eine Fehleinschätzung möglicherweise. Aus der Fraktion drängt sich niemand auffällig für ein Ministeramt auf. Vielleicht abgesehen von Florian Streibl. Der Sohn des früheren Ministerpräsidenten und rechtspolitische Sprecher kümmert sich auffällig häufiger um Themen, die dem Innenressort zumindest sehr verwandt sind. Wie die Dinge liegen, käme in einer Regierungskoalition mit Rot-Grün kaum jemand an ihm als Innen- und Kommunalminister vorbei, ein Ressort, dem die Freien Wähler zudem von Haus aus sehr nahe stehen.

Unterhält man sich mit Aiwanger über die FW-Personalproblematik, so weist er nicht wie erwartet solches reflexhaft zurück. Er spricht einfach darüber als ob es ein nicht von der Hand zu weisendes aber behebbares Problem ist. Der FW-Chef siedelt es auch mehr auf der bundespolitischen Ebene an. Dies ist auch der Grund, zu versuchen die Freien Wähler mit klangvollen Namen zu verbinden – ohne in frühere Fehler wie mit der CSU-Abtrünnigen Dr. Gabriele Pauli zu verfallen. Im Gespräch war/ist Aiwanger mit dem renommierten Steuerexperten Prof. Paul Kirchhof. Bekannt ist, dass der Freie Wähler-Vorsitzende am 19. Dezember gemeinsam mit Hans-Olaf Henkel bei der Bundespressekonferenz auftritt. Es besteht offenkundiges gegenseitiges Interesse. Was weniger für ebenfalls gehandete Namen wie Peter Gauweiler und schon gar nicht für Sarrazin oder zu Guttenberg gilt.

Aiwanger, dem vor zwei, drei Jahren sicher zu Recht nachgesagt wurde, er strebe nach Berlin, schließt dies für seine Zukunft zur Zeit aus. Er sieht seinen Schwerpunkt hier, wie er in einem Interview mit der SZ (9.12.) ausführlich erläuterte. Ähnlich wie die CSU sollen die Freien Wähler von Bayern aus gesteuert werden. Mit einem für ihn fundamentalen Unterschied. Denn die Freien Wähler träten bundesweit an. Die Christsozialen seien also „weit provinzieller als wir“. Auf diese Art und Weise gibt er Horst Seehofer und dessen CSU Stück für Stück zurück, was er von „denen“ – wie Aiwanger sie gerne bezeichnet – in den vergangenen Jahren ertragen musste. Die Arroganz der Macht. Das Schief-über-die-Schulter-Anschauen. Der Versuch Minderwertigkeitskomplexe einzujagen.

Es kann gut sein, dass dieses gewachsene Unverhältnis den Ausschlag dafür gegeben hat, dass der Chef der Freien Wähler mittlerweile sogar ein Zusammengehen mit SPD und Grünen in Bayern favorisiert. Das frühere gemeinsame Gefühl zwischen CSU und Freien Wählern vom „gleichen Fleische“ zu sein, scheint abhanden gekommen. Das wesentlich Verbindende, nämlich die beiden zugeschriebene Bodenständigkeit, sieht Aiwanger bei der CSU als „verlorengegangen“.

CSU reagiert und will vor allem die Freien Wähler bekämpfen

Die CSU hält mittlerweile kräftig dagegen. CSU-Fraktionsvorsitzender Georg Schmid polterte gestern, den Freien Wählern gehe es nur um die Macht. Machtoptionen nähmen sie wichtiger als klare Inhalte und berechenbare Positionen. „Faust“ wurde zwar nicht von Schmid zitiert, doch es liest sich schon so, als ob die Freien Wähler mit einem Sich-Andienen an Sarrazin und Co. Ihre Seele verkauften. Und an bayerischen Stammtischen wettere Aiwanger gegen das Großkapital und die Konzerne, während in Talkshows Henkel als ehemaliger Vertreter der deutschen Industrie „die Wirtschaftstauglichkeit“ der Freien Wähler herstellen soll. Auch der Vorstand der CSU soll gestern auf drängendes Anraten von Parteichef Seehofer beschlossen haben, verstärkt und insbesondere die Freien Wähler in der politischen Auseinandersetzung anzugehen.

Die Aufregung kommt nicht von ungefähr. Eine gar nicht mehr so aktuelle aber erst am Wochenende bekannt gemachte FORSA-Umfrage sieht die Freien Wähler bei stabilen 9 Prozent. In dieses Ergebnis, so sieht es aus, sind sie mittlerweile hineingewachsen. Ebenso wie die Grünen, deren Tete-a-tete auf Augenhöhe mit der SPD beendet sein könnte. Während die Sozialdemokraten mit Christian Ude an der Spitze mit 24 Prozent an Wählerstimmen sich früheren Ergebnissen nähern, rutschten die Landes-Grünen wieder auf 10 Prozent. Offenbar haben die Piraten (6 %) viele Stimmen der Grünen abgefischt. Das kann sich wieder ändern. Leichter vermutlich als eine Erholung der FDP von jetzt 3 Prozent. Doch auch dann dürfte es für eine Regierungsmehrheit mit der CSU (41%) kaum reichen. Eine Regierungsbeteiigung der Freien Wähler in Bayern ist in Sicht.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

13. Dezember 2011 um 14:29h

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