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Regierungserklärung oder wer wie wo und wann das Regieren erklärt

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Von einer Regierungserklärung darf man inhaltlich mehr erwarten als eine Beschreibung des Ist-Zustands und der Wiederholung bekannter Absichtsbekundungen. Einem solchen Anspruch hat Wirtschaftsminister Martin Zeils gestern vor dem Plenum des Landtags abgegebene Regierungserklärung nicht Stand gehalten. Farbe kam allerdings in die Debatte durch ungewohnt heftige Attacken des stellvertretenden Ministerpräsidenten auf die Opposition und den weder anwesenden noch von Zeil selbst nicht einmal namentlich genannten SPD-Ministerpräsidenten-Kandidaten der SPD, Münchens Oberbürgermeister Christian Ude. Doch die eigentliche Schlacht um Bayerns Wirtschaftspolitik wurde am Rande geschlagen. Dort trat eine schon länger bestehende Unzufriedenheit von CSU-Wirtschaftspolitikern insbesondere der jüngeren Generation mit dem FDP-Minister offen zu Tage. Ministerpräsident Horst Seehofer trat zwar öffentlich ins auflodernde Feuer. Gelöscht ist es nicht.

SPD: Bayerns Erfolge auch auf Rot-Grün zurückzuführen

Der Freistaat Bayern steht wirtschaftlich gut da.“ Dafür bekam der Oppositionsführer von den Regierungsfraktionen Beifall. Keinen allerdings für die von SPD-Chef Markus Rinderspacher nachgeschobene Begründung. Danach sei der wirtschaftiche Aufschwung von Rot-Grün geschaffenen Grundlagen mit Konjunkturpaketen oder Regelungen zur Kurzarbeit zu verdanken. Und Bayern verdanke seinen dabei eingenommenen Spitzenplatz unter den Bundesländern vor allem seiner Exportorientiertheit. Zuvor hatte der bayerische Wirtschaftsminister die glänzenden Eckdaten aufgezählt, mit denen sich der Freistaat nach der weltweiten Wirtschaftskrise präsentiert. In Konkurrenz nunmehr weniger mit BW oder NRW sondern mit dem Silicon Valley oder dem Pariser Becken.

Zeils Eigendarstellung stößt auf breite Kritik

Gegen diese Zahlen war wenig zu sagen. Die Opposition und teilweise auch in etwas leiserer Form die CSU wandten sich gegen die Art, wie Zeil die Erfolge für sich vereinnahmte. So folgte beispielsweise auf Zeils Darstellung, er habe den Mittestandsschirm aufgespannt und der Mittelstandspakt sei geradezu ein „Symbol meiner Politik“ der zarte Hinweis von Dr. Ottmar Bernhard auf die doch schon sehr „früh“ erfolgte Mittelstandsförderung durch die CSU. Es war auch durchaus bemerkenswert welch späte Anerkennung für die Arbeit des früheren Wirtschaftsministers Otto Wiesheu auch in Redebeiträgen der Opposition durchschimmerte.

Andere Kritik von SPD, Freien Wählern und Grünen richtete sich an den entstandenen Defiziten auf: die mangelnde Breitbandförderung oder das desolate Staatsstraßennetz. Etwas weniger Spitzenförderung und mehr Basisarbeit wünschte sich auch Alexander Muthmann (FW) angesichts der Bereitschaft Milliiarden für die zweite Stammstrecke oder die dritte Startbahn auszugeben: „Wir wären schon froh um einen Bus.“

Womit sich der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Wähler einen Spitzenplatz in der Zitatenliste gesichert haben dürfte. Daneben brachte Muthmann einen großen Mangel in der Regierungserklärung mit einem Satz auf den Punkt. Wo bleibe eine Erläuterung zum Landesentwicklungsprogramm? Daran krankte tatsächlich Zeils Darstellung zum „Chancenland Bayern“. Denn sich zur eigenen Regierung erklären, erfordert mehr als einige Milliönchen aufzuzählen, die man da und dort auszugeben gedenkt, um „Bayerns Spitzenposition zu sichern und auszubauen“. Ein bisschen Stoiber minus Landesbank vielleicht.

Aber Zeil hatte vermutlich von Anfang an anderes im Sinn. Er zeigte sich, vielleicht zusätzlich inspiriert oder vielmehr aufgerüttelt durch die Rücktrittserklärung von Lindner. Nach dieser Morgengabe deckte der FDP-Minister zur ersten Wahlkampfdebatte im Landtag auf. Ziel seiner Angriffe war vor allem der Ministerpräsidentenkandidat der SPD. Sehr kämpferisch nahm er Udes Faux-pas der Verlegung von Aschaffenburg ins Oberfänkische auf. Bayern brauche keinen Ministerpräsidenten, der das Land erst kennen lernen müsste. Dies zeige wie „unglaublich gering die Bindung des Münchner Oberbürgermeisters an unser Land ist“.

CSU: Münchens Erfolge auch auf Schwarz-Gelb zurückzuführen

Andere Passagen und insbesondere später Ottmar Bernhard oder auch häufige Zwischenrufe von CSU-Fraktionschef Georg Schmid beschäftigten sich damit, dass die Erfolge Udes und die Spitzenposition seiner Landeshauptstadt vor allem der tatkräftigen Unterstützung der Staatsregierung zu verdanken seien. Bernhard als früherer Münchner CSU-Chef ging zudem in einer Art auf Angriffsflächen Udes ein, die zum einen aufzeigte dass, Bernhard weiß wovon er spricht, und zum anderen, auf was sich Christian Ude im kommenden Wahlkampf vorbereiten muss. Der Sturm wird ihm aus der Münchner CSU entgegenwehen. Dies zeigten schon die übermäßig harten Verbal-Attacken des jetzigen dortigen CSU-Vorsitzenden Kultusminister Ludwig Spaenle oder Angriffe beispielsweise des Münchner Landtagsabgeordneten und sozialpolitischen Sprechers Joachim Unterländer in Sachen Kinderbetreuung. Man habe so Bernhard, Ude eben nicht als den großen Macher wahrgenommen, sondern durchaus als Blockierer wie beim Ausbau des Mittleren Rings.

Fast unbeachtet versuchte auch Schlussredner Markus Blume (CSU) Erfolge und Leistungen der Landeshauptstadt zu relativieren. Der Münchner Abgeordnete erzählte davon, dass man sich in München nicht einmal die Mühe mache, abwanderungswillige Mittelständler nach den Gründen zu fragen oder gar zum Bleiben zu überreden. Das habe wenig mit moderner Wirtschaftspolitik zutun. Oder die vielgerühmten Investitionen der Münchner Stadtwerke? Von wegen lokaler Wertschöpfung – „sie investieren nicht in Bayern, sie investieren in der ganzen Welt“.

CSU-Abgeordneter macht Vorschläge zur Wirtschaftspolitik

Um das Folgende einordnen zu können, muss man die Vorgeschichte – siehe unten – kennen. Blume warf der Opposition vor, keine großen wirtschaftspolitischen Vorschläge einzubringen. Die – das sagte Blume hier allerdings nicht – hat er aber auch nicht von Zeil gehört. Also brachte der Abgeordnete, Sprecher der Jungen Gruppe der CSU-Fraktion, selbst Vorschläge in die Debatte ein. Medizin und Gesundheit, Digitalisierung, nächste Stufen der Verclusterung – alles Schlagworte, von denen man vermutlich mehr, wenn nicht aus der CSU-Fraktion, so doch aus der Wirtschaftskommission der CSU hören wird.

Blume war kürzlich zum neuen Vorsitzenden dieses CSU-Gremiums bestimmt worden. Und zwar als Nachfolger von Georg Fahrenschon. Dieses Gremium war schon bald nach den letzten Landtagswahlen ins Leben gerufen worden, um ein Gegengewicht zum FDP-geführten Wirtschaftsministerium zu schaffen. Nach einem – von Blume initiierten – verheißungsvollen Start im Dezember 2009 mit dem Thema Elektromobilität dümpelte die Kommission vor sich hin. Wie hier schon mehrfach berichtet, kam man kaum noch zu Sitzungen zusammen, die Internetseite krankte, das öffentliche Interesse an der Institution rutschte auf Null.

Das soll sich ändern. Ausgerechnet am Tag vor der egierungserklärung brachte Blume einige Vorschläge an die Öffentlichkeit. Motto. Die Wirtschaft in Bayern dürfe nicht wie zur Zeit nur verwaltet werden. Das saß, führte zu einiger Aufregung, Ministerpräsident Horst Seehofer musste seinen Stellvertreter beruhigen und Geschlossenheit demontrieren. Letzteres geschah mit jovialem Schulterklopfen was Zeil eher gequält hinnehmen musste. Vorher hatte sich Seehofer noch die Junge Gruppe und insbesondere Blume in der Landtagslobby zur Brust genommen. Musste das sein? Es musste sein. Und Seehofer weiß das. Vielleicht hat er das sogar gewollt.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

15. Dezember 2011 um 11:15h