MAX-Online

Landtag, Kommunen, Regierung, Organisationen

Grüner Blick nach Rheinland-Pfalz

kommentieren

Die Grünen im Landtag wollen den Blick nach Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz „nutzen, um erfolgreiche grüne Regierungspolitik für Bayern weiterzuentwickeln“. Zu diesem Zweck haben sie zu ihrer kommende Woche beginnenden Klausurtagung Gäste aus den beiden ehemals tiefschwarzen und mittlerweile rot-grün (Reihenfolge Regenbogen) regierten Bundesländern eingeladen, die durch Nachbar- und Regentschaft besonders eng mit dem Freistaat verbunden sind. Aus dem Ländle kommt u.a. ein alter Bekannter. Der jetzige Amtschef des BW-Infrastruktur und Verkehrs-Ministeriums, Hartmut Bäumer, war vor gut 25 Jahren mit den Grünen in das Maximilianeum eingerückt und zu ihrem ersten Fraktionschef gewählt worden. Aus Mainz reist Staatssekretär Ernst-Christoph Stolper aus dem von Wahlgewinnerin Eveline Lemke geführten Wirtschaftsministerium an. Während die rot-grüne Regierungspolitik in Baden-Württemberg auch hierzulande genauer beäugt wird, war das Geschehen in der ehemals bayerischen Pfalz bislang eher an den Rand des Interesses gerückt.

Der wieder in eine Koalition gezwungene Ministerpräsident Kurt Beck hatte zwar kein Landesbank-Desaster mit in die Ehe gebracht, dafür aber einen handfesten Nürburgring-Skandal mit zu verantworten, der ihn bis in die jüngsten Tage verfolgt. Wie ein CDU-Abgeordneter dieser Tage behauptete, drohen die Betreiber des umstrittenen Freizeitpark-Projekts dem Betriebsrat mit Insolvenz – wenn Stellenstreichungen nicht durchgesetzt werden können. In Sachen Nürburgring jedenfalls hatten sich SPD und Grüne in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, das Projekt und die Rennstrecke weiter zu unterstützen aber mit deutlich weniger Mitteln für den Formel 1-Zirkus.

Umgang mit umstrittenen Großprojekten: Hochmoselübergang und Mittelrheintalbrücke

Weitgehende Einigung war auch bei zwei äußerst umstrittenen Großbauprojekten erzielt worden. Zähneknirschend wollen die Grünen einen weitläufig in das Landschaftsbild eingreifenden Übergang an der Hochmosel akzeptieren. Dafür soll ein über die Landesgrenzen hinaus noch aufsehenerregenderes Projekt, nämlich eine neue Brücke im engen Mittelrheintal, nicht realisiert werden. Durchziehen will die Koalition einen schon unter der früheren SPD-Alleinregierung ausgerufenen Sparkurs, welcher im allgemeinen Lamento der Geberländer des Länderfinanzausgleichs etwas unterging. Aber Rot-Grün in Rheinland-Pfalz setzt dabei einen wichtigen Eckpunkt. Beibehalten werden auf alle Fälle die kostenlosen Bildungsangebote von den Kindertagesstätten bis zu den Universitäten.

Rheinland-Pfalz geht Problem der Beamten-Pensionslasten an

Einschnitte wird es im Polizeibereich und anderen Behörden geben. Doch nicht nur Stellenkürzungen sind zu erwarten. Es sieht so aus, als ob die rheinland-pfälzische Landesregierung das Beamten-Pensionslasten-Problem mit mehr Offenheit und damit verbundenen Konsequenzen angeht, als die Fraktionen/Parteien in Bayern. Rheinland-Pfalz will seine Landesbeamten mit 67 pensionieren. Am 8. Dezember vergangenen Jahres war ein Erstes Dienstrechtsänderungsgesetz zur Verbesserung der Haushaltsfinanzierung verabschiedet worden. Festgeschrieben wurden eine Deckelung des Besoldungsanstiegs auf ein Prozent jährlich bis 2016. Aktuell sieht es allerdings eher nach einer Nullrunde für die Beamten aus. Gesetzlich verankert wurde daneben auch eine erhebliche Absenkung des Familienzuschlags für Kinderlose bei leichter Erhöhung für Beamte mit Kindern. Bezieht man die jetzt bekannt gewordenen Rechenmodelle der Bayerischen Staatsregierung zu Beamtenlasten mit ein, kann man eigentlich darauf gespannt sein, ob und inwieweit hier die bayerischen Landtags-Grünen in ihrer Klausur reagieren.

WeinReich Rheinland-Pfalz“

Rheinland-Pfalz ist – weitaus mehr als Bayern – vom Weinbau geprägt. Es waren die Winzer, die Regierungen von Altmeier über Kohl, Vogel bis Wagner stützten. Jetzt finden sie sich unter der Obhut von Lemke und der Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Ernährung, Weinbau und Forsten, Ulrike Höfgen. Die beiden grünen Ministerinnen legten diese Woche einen Leitfaden „WeinReich Rheinland-Pfalz“ mit neuen Strategien auch im touristischen Bereich vor. Im Wirtschaftsausschuss des Bayerischen Landtags jüngst zu verfolgende Anstrengungen zur Verbesserung der Situation fränkischer Winzer nehmen sich dagegen etwas dürftiger und auch ideenloser aus.

Verfassungsklage oder Feuerwehr – Probleme unter anderem Stern

Blickt man in das aktuelle Geschehen in den Sitzungen des Landtags in Mainz gerät man als Beobachter bayerischer Landespolitik fast ins Schmunzeln. Da beschwert sich die CDU-Fraktion unter Julia Klöckner über unzureichende Beantwortung von parlamentarischen Anfragen und droht mit Verfassungsklage. Sparpläne der Regierung bei der Feuerwehr will die CDU mit einer Öffentlichkeitskampagne verhindern. Und im Innenausschuss haben SPD und Grüne Forderungen der CDU abgelehnt, das Verfassungsschutzgesetz zu ändern. Die CDU-Abgeordneten wollten in Reaktion auf die rechte Terrorszene ein häufigeres Tagen der Parlamentarischen Kontrollkommission und ebenso häufigere verpflichtende Berichte des Innenministers durchsetzen. Die SPD beharrte jedoch darauf, erst geplante Änderungen auf Bundesebene abzuwarten. Die Grünen sahen allerdings eine Notwendigkeit das Landesverfassungsschutzgesetz grundsätzlich zu überdenken. Die CDU-Vorschläge bezeichneten sie als „zu kurz gesprungen“.

Gerade Letzteres macht auch bestehendes Konfliktpotential zwischen Rot und Grün in der Tagespolitik erkennbar. Was auch die Frage aufwirft, wie die Koalitionspartner miteinander umgehen. Einen Konfrontationskurs, wie ihn Regierungschef Horst Seehofer in Bayern gegenüber dem Koalitionspartner FDP gefahren ist, kann man in Rheinland-Pfalz nicht erkennen. Dafür sind die Grünen an Rhein, Mosel oder Nahe zu stark. Doch unterschiedliche Gegebenheiten sind auch im Zusammenwirken unter den Regierungsfraktionen und den Ministerien und deren Verwaltung erkennbar.

Ruth Ratter: Die Grüne aus Deidesheim

Dies macht eine Unterhaltung mit der Grünen-Abgeordneten Ruth Ratter deutlich. Sie vertritt für die Grünen den Wahlkreis Bad Dürkheim. Ein erstes Treffen war am vergangenen Sonntag in ihrem Bürgerbüro verabredet. Direkt an der Weinstraße, einen Steinwurf entfernt vom Deidesheimer historischen Rathaus, auf dessen Vorplatz die alljährliche Geißbock-Versteigerung stattfindet, und wo, nochmals einen Steinwurf weiter, Helmut Kohl einst Francois Mitterrand und anderen Staatsgästen im Deidesheimer Hof den Saumagen vorsetzen ließ.

Deidesheim, ein beschaulicher Weinort, dessen zugehörige Verbandsgemeinde vor kurzem ihre Freie-Wähler-Bürgermeisterin abwählte. Wunderschöne Weinberge, auf dessen herbstlichen Hängen vor wenigen Monaten Diebe nachts mit dem Vollernter durch einen Weinberg fuhren und Trauben im Wert von angeblich 100000 Euro mitgehen ließen. Deidesheim, noch vor zehn, zwanzig Jahren geplagt vom Fluglärm. Mittlerweile mussten die Weinbauern die übenden Überschalljets durch Schussanlagen ersetzen, um die Vögel vom Trauben-“Diebstahl“ abzuhalten. Der Fluglärm jedenfalls war vor allem durch die Proteste der Bevölkerung entschwunden Die jetzige Abgeordnete Ratter kam aus der Fluglärm-Protestbewegung zu den Grünen und vertrat diese zuletzt bis zur Landtagswahl als Fraktionschefin im Bezirkstag Pfalz.

Zusammenarbeit zwischen Rot und Grün und Ministerien

Jetzt fungiert die Gymnasiallehrerin als bildungs- und kulturpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Landtag und nimmt neben ihrer Tätigkeit im Bildungsausschuss den stellvertretenden Vorsitz im Ausschuss für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur ein. Nach ihrer Darstellung gelingt die Zusammenarbeit mit ihren KollegInnen von der SPD sehr gut. Mal gilt es dünnere, mal dickere Bretter zu bohren. Mit Sachfragen und unterschiedlichen Vorstellungen gehe man kooperativ um, die Grenzen würden erkannt, der Koalitionsausschuss kaum bemüht. Die Zuarbeit aus den Minsterien funktioniere. Blockaden, wie sie Abgeordnete von CSU und FDP in Bayern in vom anderen Lager geführten Ministerien kennen, erscheinen als undenkbar. Beck sei ein besonnener Mann.

Beim bildungspolitischen Teil der Unterhaltung wird überdeutlich, dass Ratter aus dem Fach kommt. In langjähriger Berufserfahrung gewonnene Vorstellungen bringt sie – vergleichbar mit Martin Güll (SPD) im Bayerischen Landtag – nicht eifernd aber in überzeugender Weise vor. Wirklich erstaunlich ist das ausgeprägte Wissen um das kulturelle Geschehen in Rheinland-Pfalz. Eher tastend erfragt, treten in den Antworten Einzelheiten über Orchester, kleinere Museen, mehr oder weniger bekannte Künstler auch abseits der Hauptstraßen auf. Eher erstaunt erfährt sie jedoch, welche fast bahnbrechend zu bezeichnende Wege ihr bayerischer Kollege Dr. Sepp Dürr beispielsweise zur Erkundung der noch vielfältigeren Museenlandschaft im weitaus größeren Bayern eingeschlagen hatte.

Keine Sambatrommeln – reif und bereit für Regierungsverantwortung

Schließt man von Ratter auf andere Grünen-Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag, so wurde mit der Wahl und der darauf folgenden Regierungsneubildung vermutlich enormes Basis- und Fachwissen in das Landesparlament eingebracht. Im Unterschied zur grünen Gruppe, die 1986 mit Sambatrommeln und Sonnenblumen bei ihrem Einzug in das Maximilianeum insbesondere die CSU-Abgeordneten (v)erschreckte, verlief der Einzug der Grünen ins Deutschhaus in Mainz weitaus unspektakulärer. Dieser Fraktion im Mainzer Landtag scheint das damals Ungebärdige ihrer Vorgänger in Bayern abzugehen. Vielleicht leider. Gereift und bereit für Regierungsverantwortung aus dem Stand heraus, scheint das Markenzeichen dieser Fraktion zu sein.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

13. Januar 2012 um 17:39h