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Starke Grüne – Hindernis für Dreier-Koalition?

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Ein wichtiger, vielleicht der entscheidende Umstand, der zur Beantwortung der Frage führen könnte, mit wem die Freien Wähler nach der nächsten Landtagswahl gegebenenfalls eine Koalition eingehen würden, ist noch gar nicht so richtig ausgeleuchtet worden. Es betrifft die Frage, wer in einer Dreier-Regierung die Nummer 2 sein wird. Nach dem Stand der Dinge würde Münchens Oberbürgermeister Christian Ude für die SPD das Orchester übernehmen. Doch wer spielt die Erste Geige unter den kleineren Partnern, wer gibt den Takt an und damit auch den Ausschlag, ob die Landespolitik eine – wenn man es so nennen will – eher „grün“ oder mehr „bürgerlich“ geprägte Richtung einschlägt? Daneben ist nicht ohne Bedeutung, dass die zweitstärkste Fraktion üblicherweise auch den/die stellvertretende/n Ministerpräsidenten/in.

Warum wechseln? – Wir haben ja eine prima Opposition!

Szenario 1 der beiden hier angesprochenen Koalitionen ist einfach abzuhandeln. Die Freien Wähler gehen eine Verbindung mit der CSU ein. Deren Chef Hubert Aiwanger wird Minister und stellvertretender Ministerpräsident. Punkt. Das sogenannte bürgerliche Lager wird gestärkt. Einem Wählerwillen nach dem auch von den FW geforderten Wandel oder Wechsel würde dies wenig entsprechen. Aber damit träte eine Wählersicht zutage, dass Bayern auf einer „bürgerlichen“ Schiene ja nicht gerade ins Abseits gefahren sei. Dies verbunden mit der Einsicht: „Wir hatten und haben ja eine prima Opposition!“

Freie Wähler stehen für viele Änderungen, wollen aber nur „ein bißchen mehr“

Falls die Freien Wähler sich als Zünglein an der Waage jedoch besser bei Rot-Grün einkaufen sollten, wird es komplizierter. Der Wähler wird wohl zu Recht von einer SPD in Regierungsverantwortung die stärkere Betonung sozialer Komponenten erwarten. Die Grünen sieht man immer noch als wichtigsten Sachwalter für mehr Ökologie. Die Freien Wähler stehen für all dies und anderes, wolen aber meist nur „ein bißchen mehr“ verändern. Das kann man abwertend oder auch als Vorteil betrachten. Der eine vermisst klare Aussagen, der andere hofft, dass Auswüchse verhindert werden. Handlungsbestimmend ist eher eine aus der täglichen kommunalen Praxis erwachsene Vor- und Umsicht. Das ist kein Teig, aus dem Revolutionäre gebacken werden.

Unproblematisch, vielleicht sogar sehr sinnvoll wäre ein solches Wägen in der prozentualen Mitte einer Dreier-Koalition. Doch was ist, wenn Aiwanger und Co. mit etwa 10 Prozent hinter die Grünen rutschen? In vielen Fragen wie beispielsweise der Inneren Sicherheit oder teilweise der Bildungspolitik fielen sie hinten runter. Ein Lavieren, Brückenschlagen, Einzelfall-Entscheidungen oder gar die Freigabe von Abstimmungen werden allein schon durch einen Koalitionsvertrag unmöglich, zumindest eingegrenzt. Und auch bei dessen inhaltlichen Festlegungen hat das schwächste Mitglied normalerweise die schlechtesten Karten.

Da läge es schon nahe, dass die Freien Wähler statt als Oppositions-Stiefkind zu darben lieber ihr Heil bei der CSU-Mutter suchten. Nicht, dass es ihnen dort zwangsläufig besser ginge. Nicht nur, dass noch mehr Identitäts-Verlust droht. Die frühere „Staatspartei“ hat unter Horst Seehofer auch vorexerziert, wie sie mit einem kleinen Koalitionspartner umspringt. Möglicherweise soll der jetzige Schmusekurs gar nicht die FDP wärmen, sondern nur den Freien Wählern über die Bande zeigen, dass es sich mit den Christsozialen auch gut gemeinsam regieren lässt. Direkt an die FW-Adresse mitteilen kann und will es die zumindest die CSU-Führung nicht.

Wer vertritt den Ministerpräsidenten?

Noch heikler wird die Situation für die Freien Wähler durch die Frage, wer den möglichen Ministerpräsidenten Christian Ude vertreten sollte. Nach Lage der Dinge läuft alles darauf hinaus, dass Margarete Bause die Grünen als Frontfrau in den Wahlkampf führen wird. Der sich zur Zeit vollziehenden Festlegung der Fraktion, auf eine Doppelspitze zu verzichten und sich auf eine Frau in Person von Bause als Spitzenkandidatin zu verständigen, dürfte am Wochenende der Parteirat und später die Landesversammlung folgen.

Die Schwabinger Abgeordnete hat ihren Hut in den Ring geworfen. Nachdem die Partei mit Sepp Daxenberger ihre Führungspersönlichkeit verloren hatte, wurde schnell klar, dass eine Frau die entstandene Lücke ausfüllen musste. In Frage kamen nur wenige. Die aus Bayern stammende Bundesvorsitzende Claudia Roth führt die Partei in den Bundestagswahlkampf 2013, die Finanzsprecherin im Bundestag, Christine Scheel aus Aschaffenburg, wechselte zu Jahresbeginn in die Wirtschaft, und die Landesvorsitzende Theresa Schopper soll verzichtet haben. Für die durch ihr ausgleichendes Wesen bekannte und im Ländlichen verwurzelte Landtagsabgeordnete soll jedoch eine herausragende Aufgabe im Wahlkampf gefunden werden.

Intellektuelle etwas scharfzüngige Fraktionsvorsitzende hat auch andere Seiten

Bause selbst hat in Bayern einen Bekanntheitsgrad von knapp unter 50 Prozent. Wenig im Vergleich zu Daxenberger. Doch gerade mit ihr könnten die Grünen, dem die zur Zeit bei höchstens 15 Prozent einzuordnen sind, deutlich Stimmen gewinnen. Und dies nicht nur als weiblicher Kontrapunkt zu Seehofer, Ude oder Aiwanger. Mit ihrem steigenden Bekanntheitsgrad durch die Spitzenkandidatur dürften auch ihre bisher weniger bekannten Qualitäten ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit geraten. Bislang war sie nur als die intellektuelle etwas scharfzüngige und attraktive Fraktionsvorsitzende für Schwabing bekannt. Bei ihren vermehrt zu erwartenden Auftritten in der Fläche wird nicht „Der Freitag“-Lesern (Ausgabe v. 13.1.01) bekannt, woher sie stammt und welche weiteren – heimatlichen – Werte sie vertritt. Darüber hinaus wird sie vermutlich am besten vermitteln können, welche auch neuen Wege die Grünen in Bayern gehen. Dies schließt auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Piraten ein.

Doch gerade ein solches verstärktes inhaltliches und personelles Profil der Grünen könnte die Bindung der Freien Wähler an Rot-Grün erschweren.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

19. Januar 2012 um 10:15h