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JuLis und Grüne Jugend in Bayern – geht da was?

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Langweilig nur auf den allerersten Blick. Doch dann lohnte es sich sehr, genauer über die zuallererst um 0.40 Uhr an diesem Morgen bei „MAX“ eingegangene Email nachzudenken. Die Grüne Jugend Bayern und die Jungen Liberalen im Freistaat richten einen gemeinsamen Appell an die Bayerische Sozialministerin. Christine Haderthauer solle in der Asylpolitik handeln. Suizid, Hungerstreik und menschenunwürdige Zustände in Gemeinschaftsunterkünften seien nur „die Spitze des Eisbergs“! – Das Thema ist topaktuell. Der angesprochene Suizid steht diese Woche auch auf der Tagesordnung des Landtags. Doch was könnte die beiden Jugendorganisationen zu einem gemeinsamen Aufruf bewegen? Grün und Gelb. Das passt doch gar nicht zusammen?! Möglicherweise hat der Nachwuchs einen gemeinsamen Gegner ausgemacht. Die Piraten.

Grüne sehen alt aus – neue Liberale sind andere

Man sieht sie nicht. Aber sie sind da. Sie drängten sich nicht wie gewohnt per Infostand mit bunten Luftballons und mit in Fußgängerzonen überreichten bedruckten Kugelschreibern ins Bewusstsein. Doch trotzdem macht bald jeder zehnte sein Kreuz vor der Piraten-Partei. Die Grünen in Bayern und im Landtag merkten spätestens im letzten Spätsommer bei ihren Klausurtreffen, was die Stunde geschlagen hat. Fast bestürzt konstatierten sie, dass gerade sie alt aussahen auf einem Gebiet, wo sie sich selber und fast alle Welt sie vorneweg wähnten. Grün mit Fortschritt gleich zu setzen galt nicht mehr dort, wo dieser sich abspielt: im Netz. Und was liest jetzt die Freie Demokratische Partei. „Wir sind die neuen Liberalen!“ Die das von sich gleich mit Doppel-F, nämlich Frisch und Frei von sich behaupten sind die Piraten.

Glaubten oder hofften die Grünen noch im letzten Jahr – siehe Fraktionschefin Margarete Bause – es handle sich um einen Hype, so sucht heute Landesvorsitzender Dieter Janecek, von der „Süddeutschen“ als Netz“affin“ beschrieben, die öffentliche Diskussion mit dem bayrischen Piratenchef Stefan Körner. Bayerns FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger tut sich schwer. Sie, die in ihrer ersten früheren Amtsperiode als Bundesjustizministerin noch einer Jeanne d’Arc gleich bis zum bitteren Ende die liberale Fahne hochhalten konnte, kämpft heute im gleichen Amt auf fast verlorenem Posten, wenn es um die Freiheit im Netz geht.

Nachwuchs sucht nicht krampfhaft Nähe, sondern rückt auch Sachverhalt zurecht

Möglicherweise haben Junge Liberale und Grüne in Bayern erkannt, dass es gerade die verkrusteten politischen Strukturen und Denkweisen der tradierten Parteien sind, die den Piraten auf ihrem Weg zum Wähler helfen. Und das heute von ihnen aufgenommene Thema scheint gut gewählt. Es sucht nicht krampfhaft Nähe wo keine ist, sondern rückt einen Sachverhalt zurecht und mehr ins öffentliche Bewusstsein, der von der Tagespolitik und ihren Hauptakteuren überdeckt wird.

Breite Einigkeit zu „menschenunwürdigen Zuständen“

Das Beispiel zeigt auch, um eine ganz persönliche Wertung abzugeben, dass die FDP zumindest in Bayern (wenn denn hier genannte 1,2 Prozent stimmen) weit unter Wert ge- und behandelt wird. Es war, um am Thema zu argumentieren, die FDP-Abgeordnete Brigitte Meyer, deren Stimme als Vorsitzende des Sozialausschusses im Landtag am hörbarsten nach außen drang, wenn sie von „menschenunwürdigen Zuständen“ in bayerischen Gemeinschaftsunterkünften sprach. Es ist nicht so, dass CSU-Sozialpolitiker wie Joachim Unterländer oder Bernhard Seidenath gänzlich andrer Meinung – SPD und Grüne sowieso nicht – Meinung waren. Denn sonst wäre ja nicht eine Art Asylkompromiss herausgekommen, der im Kern sehr wohl Misstände abschaffen und neue Zielrichtungen bei der Behandlung Asylsuchender im Freistaat Bayern wollte und konnte. Probleme gab es jedoch in der Umsetzung dieses Willens des Landtags durch die Staatsregierung.

Und diese „Probleme“ werden zur Sprache kommen, wenn am Donnerstag im Sozialausschuss Berichts-Anträge von Grünen, von Freien Wählern und auch der Regierungsfraktionen aufgerufen werden. Während CSU und FDP allgemein nach „Interventionsmaßnahmen in Gefährdungslagen“ in Asylantenunterkünften fragen, will die Opposition Genaues zu den Umständen des Selbstmords eines jungen Iraners erfahren. Der 29lährige hatte sich in der Nacht vom 28. auf den 29. Januar in der Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße in Würzburg das Leben genommen. Über die Umstände und das Warum solle die Staatsregierung berichten.

Umsetzung Asylkompromiss: konkretes Beispiel spannender als Regierungserklärung

Die Rede ist von einem gesunden, stabilen jungen Mann, der „keinen Alkohol trank“, wie es u.a. ihn beschreibend im Antrag der Freien Wähler heißt. Warum hat er seine in einem anderen Bundesland lebende Schwester nicht besuchen dürfen? Wer und/oder was hat ihn daran gehindert? Den „Asylkompromiss“ und dessen Umsetzung an einem solchen konkreten Beispiel zu messen, dürfte oder könnte ungemein spannender werden, als es eher allgemeine Erörterungen im Rahmen einer Regierungserklärung oder in der Behandlung eines Gesetzentwurfs vermögen.

Miriam Werner, Sprecherin der GJ Bayern, und JuLi-Landesvorsitzender Matthias Fischbach haben hier einen sehr deutlichen Punkt gesetzt mit ihrer gemeinsamen Forderung an die Staatsregierung von der „bisherigen Praxis der politisch forcierten repressiven Asylpolitik“ abzukehren. Auf die anstehende Behandlung des konkret von ihnen angeprangerten Falls diese Woche im Landtag gehen sie in ihrer langen Presserklärung gar nicht ein. Vermutlich, vielmehr wahrscheinlich wussten sie gar nichts davon. Denn in der Pressemitteilung ist auch die Forderung enthalten, das Thema „gehöre“ wieder auf die Tagesordnung des Parlaments. Doch das könnte ein anderes Thema werden.

Zu guter Letzt?

Noch drei Bemerkungen/Hinweise am Rande:

1. Aus einer Pressemitteilung der Piraten-Partei an derem Landesparteitag am Wochenende: Aus aktuellem Anlass, dem Hungerstreik von acht Asylbewerbern in Würzburg, wurde zudem ein Antrag kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt und angenommen, in dem sich die Piraten für die Abschaffung der Zwangsunterbringung von Asylbewerbern ausspricht. In mehreren Redebeiträgen vor der Abstimmung wurde die CSU-geführte Landesregierung heftig dafür kritisiert, dass die Umsetzung der derzeitigen gesetzlichen Regelungen offenbar gezielt zur Abschreckung potenzieller Asylbewerber missbraucht würde. Dies sei mit dem Grundrecht auf Asyl unvereinbar.“

2. Die Freien Wähler schlugen als Thema für die heutige Aktuelle Stunde im Landtags-Plenum vor: Welchen Stellenwert genießt die parlamentarische Demokratie in den Augen der Bayerischen Staatsregierung?

3. Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet lädt für Freitag zu einer Pressekonferenz zum Thema: Änderung der Bayerischen Verfassung zur Bindung der Staatsregierung an Landtagsbeschlüsse in Angelegenheiten der Europäischen Union“.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

27. März 2012 um 09:44h