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Nach den Parteitagen: Bärenstarke CSU – Opposition auf Verliererstraße???

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Um mich herum mag ich es möglichst grün und kuschelig sozial. Und dass das Geld dafür von draußen reinkommt, dafür werden schon der Seehofer und auch die Merkel sorgen.“ Tickt so der Wähler in Bayern ein Jahr vor den Wahlen für Land und Bund? Das wäre zumindest eine Erklärung dafür, dass SPD, Grüne und auch die Freien Wähler bei den vereinzelt übers Jahr verstreuten Kommunalwahlen an Boden gewinnen, aber bei der Sonntagsfrage zusammengeschlossen zwischen 35 und 40 Prozent herumdümpeln, während die CSU alleine satte zehn Prozentpunkte mehr stemmt. Jetzt nach den Parteitagen von CSU und Landes-SPD präsentieren sich CSU und Horst Seehofer bärig stark. Herausforderer Christian Ude kann „lediglich“ darauf verweisen, dass er mit nur einer einzigen Gegenstimme fast mit 100 % Zustimmung zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl aufgestellt wurde.

So gesehen, war es vorausschauend klug vom Parteichef der CSU, einen unnötigen Direktvergleich zu meiden und die eigene Kür aufs nächste Frühjahr zu verlegen. Nichts aber auch gar nichts sollte das Bild einer wiedererstarkten CSU stören. Vor den Parteitag plazierte Umfrageergebnisse erbrachten auch einen deutlich höheren Zustimmungswert für Seehofer gegenüber Ude. Und sogar in der CSU-Nachfolgefrage sollte sich niemand Sorgen machen. Aigner, Haderthauer, Söder und auch Herrmann wurden ins rechte Licht gerückt. So als hätte man – natürlich Seehofer höchstselbst – nur die Qual der Wahl. Und wer das immer noch nicht glaubt – da wäre doch noch jemand?! Zu Guttenberg wird zwar nicht direkt in diese Kandidatenreihe gerückt. Doch Seehofer sagt nichts und alles wenn er den einst Geschassten zwar nur milde zurückholen will aber auch von einer Nummer Fünf, seinem Joker, spricht.

Drei Leitanträge – CSU pro Europa, digitale Zukunft und sichere Altersversorgung

Von Politik, gar von Landespolitik, war bis zu dieser Stelle nicht die Rede. Hierzu stimmten die Delegierten des CSU-Parteitags drei Leitanträgen zu: Zukunft Europas – Bayern 3.0 – Sicherheit im Alter. Dabei nahm die Öffentlichkeit zuvorderst wahr, dass die CSU bis hin zum Euro-Kritiker Peter Gauweiler auf die zuvor heftig kritisierte Linie von Bundeskanzlerin Angela Merkel umschwenkt. Mit unterschiedlichsten Deutungen, Erklärungen, vielleicht auch Motiven. Es ist und bleibt – vielleicht – eine Richtungsänderung. Zum Schoßhündchen Merkels mutiert ist Seehofer deshalb noch lange nicht.

Kindererziehungszeiten – Gerechtigkeitslücke ausgleichen

Mit der Bekämpfung der zunehmenden Altersarmut insbesondere von Frauen reagiert die CSU auf ein besonders in der Fläche des Freistaats auftretendes Problem, das sie, setzt man Bayern und CSU gleich, sie auch zu vertreten hat. Begegnen will dem die CSU mit dem Anerkennen der gesamten Lebensleistung. Dazu zähle das Großziehen von Kindern und die Pflege von Angehörigen. Den wichtigsten Ansatz sieht der Leitantrag im Ausgleich einer entstandenen Gerechtigkeitslücke. Diese sei dadurch entstanden, dass für vor 1992 geborene Kinder nur ein Kindererziehungsjahr, für danach geborene drei angerechnet werden. Die Forderung bei allen drei Jahre anzurechnen wird auch damit untermauert, dass es „damals“ sogar noch schwieriger gewesen sei Kindererziehung und Erwerbstätigkeit zu verknüpfen. Gleichzeitig seien diese Mütter, wenn sie in die Rente kommen zusätzlich von der beschlossenen Absenkung des Rentenniveaus betroffen. Bei Pflegezeiten soll deren rentenrechtliche Bewertung im Gleichklang mit Kindererziehungszeiten erfolgen.

Zur Stärkung der Eigenvorsorge will die CSU Geringverdienern eine Perspektive auf eine auskömmliche Rente aus eigener Kraft geben und deren Leistungs- und Vorsorgebereitschaft stärken. Hierzu soll die individuelle wie die kollektive betriebliche Altersversorgung für diesen Personenkreis attraktiver gemacht werden. Ein echter Lösungsansatz z.B. für schlecht verdienende Heranwachsende ist nicht erkennbar. Das weitere im Leitantrag ist eher schlagwortartig formuliert oder weist an entscheidenden Stellen die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit den Tarifpartnern zu. Auch beim Thema Mindestlohn landet der Antrag letztlich bei der Formulierung einer „angemessenen und möglichst auskömmlichen Entlohnung von Arbeit“.

CSU-Landtagsfraktion als Baumeister einer künftigen „digitalen Heimat“

Konkreter auch weil landesnäher und damit eigenständiger durchführbar geriet der Leitantrag Bayern 3.0. Ausdrücklich zuerkannt wird die Urheberschaft der Landtagsfraktion als Baumeister einer künftigen „digitalen Heimat“ Bayern für die eine „Digitalisierungsmilliarde“ zur Verfügung gestellt werden soll. Das schon mehrfach diskutierte Vorhaben wurde im Leitantrag in zehn Punkte gefasst. Man kann es daran messen, dass bis 2018 die Sicherstellung eines weiß-blauen Superbreitbands versprochen werde, was bislang schon im Ansatz steckengeblieben sei. Man kann auch die Beschreibung eines künftigen digitalen Kassenzimmers als eigentlich selbstverständlich und eines Hochtechnologiestandorts angemessen betrachten. Und man kann anerkennen, dass die CSU auch an digitale Kulturvielfalt gedacht hat und so auch eine „neu entstehende digitale Kreativszene “ miteinbeziehen will.

Das Papier ist beachtlich. Ob es ausreicht, bestehende Defizite in der Landesentwicklung zu überdecken oder gar auszugleichen, sei dahingestellt. Auch die CSU wird nach dem High-Partei-Tag wieder in die Niederungen der Landespolitik ankommen müssen. Unübersehbar ist, dass die wesentlichsten „Leistungen“ dieser Regierung und der sie mittragenden CSU-Fraktion in ihrer Abkehr von bisherigen Standpunkten gesehen werden. Das sind beispielsweise Grundsätzliches wie die Abkehr von der allgemeinen Wehrpflicht mit sich stellenden und in der Schwebe liegenden Konversionsfragen. Das ist die Abkehr von der Atompolitik, die den Freistaat als bisher größten Nießbraucher auch vor die größten Probleme stellt. Und das endet letztlich bei dem möglichen Umdenken beim Donauausbau. Man kann dies wie in der Euro-Politik am augenfälligsten vorgeführt als Wendehalspolitik beschimpfen oder als Anpassungsfähigkeit bestaunen.

Landtags-Opposition bleiben kräftige Argumente

Für die jetzige Landtagsopposition und das mögliche Koalitionsbündnis wird es auf eine Beantwortung dieser Frage nicht ankommen lassen können. Zugkräftiger bleibt da wohl die Landesbankaffäre, die der CSU-Teil der Staatsregierung einem Strafarbeiter gleich wie eine ans Bein gekettete Eisenkugel hinter sich her zieht. Sicher. Auch Kurt Beck hat sich am Nürburgring verfahren und Berlin seinen oder keinen neuen Flughafen usw. Doch keine wirkt vergleichbar verheerend systemimmanent. Bleibt die Frage, was die Opposition als eigenständige Leistung verbuchen kann. Das ist nicht wenig. Es reicht von einer geschlossenen Bildungspolitik der SPD über bürgernahe Vorstellungen der Freien Wähler zur regionalen Energieverwertung bis – nur beispielsweise – zur Basisarbeit der Grünen zu Kultur und Heimat.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

22. Oktober 2012 um 10:34h