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Freie Wähler zwischen Ängsten und Zuversicht

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Stand den Freien Wählern noch am Wahlabend die Enttäuschung über das Wahlergebnis ins Gesicht geschrieben, so wandelte sich dies im Verlauf der darauf folgenden Woche in Selbstbewusstsein über ein in etwa gehaltenes Ergebnis und Zuversicht hinsichtlich eines zu erfüllenden Wählerauftrags. Die Gruppierung um den Vorsitzenden Hubert Aiwanger musste nicht annähernd wie die FDP enttäuschte Stammwähler der CSU an diese zurück geben. Sie verzeichnete jedoch auch keine Zuströme aus anderen Lagern. Daraus kann man folgern, dass die Freien Wähler sich eine eigene, auch mit der Landtagsarbeit zufriedene Stammwählerschaft neben ihrer kommunalen Heimat geschaffen haben.

Die in Bayern erreichten 9 Prozent reichten allerdings nicht aus, den Freien Wählern auch außerhalb des Freistaats einen notwendigen Schub für die eine Woche später stattfindenden Bundestagswahlen zu verschaffen. Verwunderlich war dies nicht. Fragte man am Wahlabend in Berlin Hauptstadtjournalisten nach dem Ergebnis der Freien Wähler, reagierten diese eher irritiert, und es bedurfte schon einer Erklärung für dieses gezielte Interesse. Das im Bund erreichte eine Prozent ist allerdings mehr als enttäuschend. Die vom Vorsitzenden Hubert Aiwanger dazu mit Durchhaltewillen verknüpften Erklärungen und Hinweise sind allerdings nicht einfach von der Hand zu weisen. Auch der Einzug ins Maximilianeum beispielsweise war den Freien Wählern nach vielen Widerständen und genau so schwachen Ergebnissen erst im dritten Anlauf 2008 gelungen. So viele Versuche wollen sie sich für die Wahl in den Bundestag allerdings nicht lassen. Und Aiwanger und weitere prominente Mitstreiter machten sofort wieder deutlich, dass zu einer durchgängigen Politik auch eine Vertretung in Europa gehöre.

Schwierige Entscheidungen zu Vorstandswahlen

In der heutigen konstituierenden Fraktionssitzung werden zuerst die personellen Entscheidungen getroffen und dann die Weichen für die weiteren Aufgaben gestellt. An Aiwanger als Vorsitzendem wird niemand rütteln. Auch Florian Streibls Wiederwahl als ein Stellvertreter gilt als gesichert. Als Problemfall gilt die oberbayerische Vorsitzende Eva Gottstein. Ihre bestehende Hausmacht bröckelt, ihr Bezirksvorsitz in Oberbayern wird Streibl bald zufallen. Da insbesondere Schwaben und Ost-/Nordbayern stärker als bisher im Vorstand vertreten sein wollen, kann dies zu Lasten Oberbayerns, sprich Gottstein, gehen. Diese tritt zudem in ihrem Fachgebiet, der Bildungspolitik, immer deutlicher ins Hintertreffen gegenüber dem enorm fleißigen und präsenten Günther Felbinger.

Gottstein kann auch nicht darauf vertrauen, als Frau in den Vorstand gewählt zu werden. Zum einen gibt es keinen Quotendruck, zum anderen drängten sich gleich zwei Frauen noch mehr in den Vordergrund. Tanja Schweiger hat ein sehr gutes Wahlergebnis eingefahren. Ihr „Manko“ ist einzig, dass die Fraktion möglicherweise davor zurückschreckt, die Lebenspartnerin Aiwangers und Mutter des gemeinsamen Kindes, ebenfalls in den Vorstand zu wählen. Weitere Kandidatin wäre Ulrike Müller. Die landwirtschaftspolitische Sprecherin konnte im Fachausschuss punkten, wurde von ihren Wählern im Allgäu bestätigt und ist auch außerhalb der Fraktion sehr beliebt. Möglicherweise müsste sie sich aber auch gegen den Kaufbeurer Rechtsanwalt Bernhard Pohl, Innenpolitiker und Allrounder, durchsetzen. Davon abgesehen verfügt die Fraktion mit der sehr toughen Jutta Wittmann über eine weitere Vorstands-würdige Frau. Doch auch sie stammt aus Ostbayern – und von dort drängen sehr viele Abgeordnete in Führungsausgaben, wie etwa der wirtschaftspolitische Sprecher Alexander Muthmann.

Wie gehen Freie Wähler mit Zuspruch in Städten um?

Daneben tut sich noch eine sehr interessante Überlegung auf. WIe will die Fraktion mit der Tatsache umgehen, dass der Münchner Prof. Dr. Piazolo den Freien Wählern die wohl interessantesten Zukunftsperspektiven eröffnet hat? Abgesehen davon, dass der Hochschulpolitiker die Freien Wähler mit den Themen Studiengebühren und G8/G9 landesweit ins Gespräch gebracht hat, ist es vor allem ihm zu verdanken, dass die Freien Wähler in der Großstadt München zugelegt haben. Man sprach plötzlich an den Unis über die Freien Wähler, diese hatten Zulauf sogar aus weiteren oberbayerischen Hochschulen. Auch andere junge Leute in der Großstadt wählten plötzlich Freie Wähler. Zwar nicht erdrutschartig aber immerhin. Davon träumt die CSU trotz all ihrer Bemühungen, in den Städten und bei dort lebenden jungen Menschen Fuß zu fassen.

Dies führt zu einer weiteren Überlegung. Hochgeschreckt wurde die Fraktion nämlich von ersten Äußerungen des Wahlsiegers Ministerpräsident Horst Seehofer. Der hatte anklingen lassen, dass das Potential der CSU noch lange nicht ausgeschöpft sei. Die Analyse, dass damit vor allem die Freien Wähler gemeint seien, ist wohl zutreffend.. Aber warum diese einseitige Sichtweise? Muss umgekehrt die CSU nicht darauf achten, dass weitere Wähler von der CSU zu den Freien Wählern abdriften? Das könnte nämlich eine ähnliche Entwicklung nehmen, wie früher zwischen SPD und Grünen.

Die Angst vor dem Schwarzen Mann

Und es gibt Gründe für diese Überlegung. DIe CSU hat mit einem Kraftakt, mit Einsatz von viel Geld und der Abräumung von Themen sowie Aufgabe alter Stellungen und Werte gerade mal 4 Prozent zurückgewonnen. Für eine Fortsetzung fehlt Partei und Staatsregierung in vielerlei Hinsicht die Luft. Zudem hat sich in der Partei nicht so viel wie oft behauptet geändert. Die Anpassung an die Gesellschaft scheint ihr nicht wirklich gelungen. Und da braucht man nicht nur auf die Frauenquote und das ganze Drumherum zu blicken. Da scheinen die Freien Wähler, deren politische Heimat ja direkt neben der CSU liegt, auf weit besserem Wege zu sein.

Auch mit dem Abräumen von Themen und Problemen wird die CSU-Staatsregierung sich schwer tun. Übrig geblieben ist im wesentlichen die dritte Startbahn. Wegen ihr sind auf regionaler Ebene sehr viele ehemalige CSUler zu den Freien Wählern gewechselt. Die Frage ist, ob die CSU-Staatsregierung bereit ist, diesen Preis für deren Rückgewinnung zu zahlen. Auch haben die Freien Wähler schon länger eine Alternative entwickelt, die unter dem Namen läuft: „Nürnberg ist unsere dritte Startbahn.“ Gegebenenfalls wird ihnen die Urheberschaft kaum zu nehmen sein. Dass generell eine solche Zielrichtung von der CSU verfolgt wird, ließ Seehofer in den letzten Tagen anklingen. Er wolle künftig mehr das Gespräch mit der Opposition suchen. Auch dies ein Vorschlag der Freien Wähler. Aiwanger hatte schon vor der Wahl gefordert, dass sich künftig der Regierungschef einmal im Monat mit Vertretern der Opposition zusammensetzen müsse.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

24. September 2013 um 06:39h

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