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Baustellen-Atlas für Aigner: Die Grünen als Baumeister der Energiewende

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Zwischen dem vom Bayerischen Kabinett beschlossenen Konzept „energie innovativ“ und der Regierungserklärung Horst Seehofers am 12. November liegen knapp zweieinhalb Jahre. Eine magere Bilanz zu ersterem und magere Perspektiven für die Zukunft attestieren die Landtags-Grünen den Regierungen Seehofer I und II in Sachen Energiewende. In einer Pressekonferenz zählen die Energiepolitiker der Grünen-Fraktion zehn Baustellen auf, denen sich die neue Energieministerin Ilse Aigner zuwenden müsste. Mit deren erster Wanderung auf den Jochberg scheint es für die Grünen nicht getan zu sein, denn sie geben ihr und der Staatsregierung noch jede Menge an Handlungsempfehlungen mit auf den Weg.

EEG-Umlage: Erhöhung nicht zu Strompreiserhöhungen missbrauchen

Für den Geschmack der Grünen sind allzu viel gezinkte Karten im Spiel. Das reicht von Versuchen der CSU, der FDP den Schwarzen Peter zuspielen zu wollen, bis zum Hantieren mit Ängsten der Bevölkerung vor einer unbegründeten „Black-out-Gefahr“ und einer angeblichen „Strompreisexplosion“. Im Rahmen der Strompreisdebatte werde seit Wochen über die Höhe der EEG-Umlage spekuliert, die im kommenden Jahr um knapp einen Cent pro kWh auf insgesamt 6,24 Cent/kWh ansteigen soll. Dabei werde oft nicht berücksichtigt, dass der Strompreis an der Börse im Laufe des letzten Jahres kontinuierlich gesunken sei, und zwar ebenfalls um 1 Cent/kWh. Ergo sei die die Summe aus Börsenpreis und EEG-Umlage konstant geblieben und damit auch die faktischen Einkaufspreise für die Stromversorger. Auf diesen Zusammenhang weisen die Grünen in einem Antrag (17/98) hin, in dem sie die Staatsregierung auffordern, dafür zu sorgen (Landeskartellbehörde!), dass die Erhöhung der EEG-Umlage nicht zu ungerechtfertigten Strompreiserhöhungen missbraucht wird. Es werde im Gegenteil Zeit, dass die günstigen Einkaufspreise an die Privatkunden weitergegeben werden. (Antrag morgen im Wirtschaftsausschuss)

Zur Black-out-Gefahr weisen die Grünen darauf hin, dass eine solche nur dadurch entstehen könnte, dass die „falschen“ Kraftwerke stillgelegt werden, nämlich die flexiblen und weitgehend hochmodernen Gastkraftwerke. In Betrieb blieben Atom- und Braunkohlekraftwerke, die nicht flexibel auf hohe Einspeisungen erneuerbarer Energien reagieren könnten.

Pumpspeicherkraftwerke: Standortsuche verschlafen?

Im Zusammenhang mit hohen Stromeinspeisungen und -speicherungen gerät man zwangsläufig zum Thema Pumpspeicherkraftwerke. Deren drei stehen in Bayern z.T. seit Jahren zur Debatte (Riedl bei Passau, Schneizlreuth und Jochberg). Die Standorte stoßen vor Ort auf mehr oder weniger heftigen Widerstand auch von Grünen. Dabei sind Pumpspeicherkraftwerke für Fraktionschef Ludwig Hartmann eine erste Option, weil sie für die Kurzzeitspeicherung auf absehbare Zeit mit Abstand die kostengünstigste und ökologischste Lösung sein würden. Deshalb hat Hartmann vor Jahren als damaliger energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion in Anträgen vehement die Erstellung eines Pumpspeicher-Atlas für Bayern gefordert, um früh auf optimale und auch durchsetzbare Standorte zugreifen zu können. Die Forderung stieß auf ebenso heftigen Widerstand der Regierungsfraktionen. Heute tauchen Hartmanns damalige Begründungen im Regierungs-programm auf. Das Ministerium will sich jetzt auf Standortsuche begeben – mit dem Unterschied, dass in der verflossenen Zeit neue Sachzwänge geschaffen wurden.

Hartmann und sein Nachfolger als energiepolitischer Sprecher, Martin Stümpfig, stellen fest, dass die Staatsregierung für die vergangenen Jahre lediglich die Gründung einer Energieagentur vorweisen kann. Und Seehofer habe in seiner Regierungserklärung außer der Ankündigung eines „Zehntausend-Häuser-Programms“ (Unterstützung für Bürger, die bei sich zu hause in innovative Lösungen für die Erzeugung, die Speicherung und das intelligente Management von Energie investieren) nichts an Perspektiven angeboten. Die Absichtserklärung, bis 2018 den Anteil Erneuerbarer Energien in Bayern auf 40 % zu steigern, klingt in Ohren der Grünen eher mickrig angesichts eines nach Schätzungen des Wirtschaftsministeriums für 2012 bestehenden Anteils von 36,3 Prozent.

Thüringer Strombrücke“ – zur Zeit wichtigstes Projekt

Die Schadensbilanz wiegt schwer aus Sicht der Grünen: das reicht vom faktischen Ausbaustopp der Windkraft durch die höheren Mindestabstände, das Fehlen einer versprochenen „Gebietskulisse Wasserkraft“, der Stillstand bei der Schaffung von Ersatzkapazitäten usw. Grundsätzliche Zustimmung hingegen signalisieren die Grünen im Bereich der Übertagungsnetze. Sie begrüßen die Einleitung des Planfeststellungs-verfahrens für die „Thüringer Strombrücke“. Bei dem derzeit „wichtigsten Projekt“ soll eine Hochspannungsleitung von Thüringen nach Bayern gebaut werden. Gewährleistet werden müsse eine umfassende Bürgerbeteiligung. Zu den noch weniger öffentlich diskutierten Planungen für zwei Hochspannungsgleichstromübertragungsleitungen müsse allerdings geprüft werden, ob tatsächlich beide für den Ausbau Erneuerbarer Energien notwendig sind.

Zehn-Punkte-Programm für Energiewende

Damit sie den Überblick nicht verliert, geben die Grünen der neuen Energieministerin einen Baustellen-Atlas mit auf den Weg. Die zehn wichtigsten neuralgischen Punkte zählen sie auf: 50 statt 40 % aus Erneuerbaren Energien; gerechte Verteilung der Kosten für die Energiewende; frühere Abschaffung der AKWs; Ausstieg aus Braunkohle; Verdreifachung der Windstromproduktion; Umrüstung der Biogasanlagen auf nachhaltige Erzeugung und bedarfsgerechten Einsatz; intelligenter Ausbau des Stromnetzes; Planung und Bau von Stromspeichern; Nutzung des Potentials der Kraft-Wärme-Kopplung; flächendeckendes Netz von regionalen Energieagenturen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

27. November 2013 um 09:56h

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