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Gemeinsame Agrarpolitik: Große und Kleine streiten um Kohle

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Wichtige, vielleicht grundlegende Entscheidungen könnten heute bei der schon lange geplanten Sonderkonferenz der Agrarminister der Bundesländer in München fallen. Sie beraten zur „Neugestaltung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)“ auf der Grundlage eines (Kürzungs-)Kompromisses, den Verhandlungsführer von EU-Ministerrat, Europäischem Parlament und EU-Kommission am 24. September gefunden hatten. Eine schnelle Umsetzung durch Bund und Länder ist auch deshalb notwendig, damit andere EU-Förderprogramme nicht gefährdet werden. Unter diesem Zugzwang treffen heute die unterschiedlichsten Interessenslagen in der deutschen Agrarland- und -wirtschaft aufeinander. In Zahlen ausgedrückt geht es um runde 5 Milliarden Euro für die sogenannte erste Säule, den Direktzahlungen, und die zweite, in der etwa 1,2 Milliarden Euro für die ländliche Entwicklung bis hin zur Dorferneuerung und die verschiedensten Umweltprogramme geht. Hinein spielen zur Diskussion stehende Umschichtungen vom einen in den anderen Topf sowie Kofinanzierungen.

Über das rein Materielle hinaus geht es zum einen um die Ansprüche der großen, durchaus wirtschaftlicheren und vor allem im Osten und Norden beheimateten Betriebsformen und zum anderen um die der kleinstrukturierten Landwirtschaft, wie man sie vor allem in Bayern kennt, sowie um die weitere Ökologisierung der Landwirtschaft. Bayerische Interessenslagen finden sich schon in vor der Sommerpause gefassten Beschlüssen des Bayerischen Landtags und werden zum Teil, allerdings auch in modifizierter Form vom Bayerischen Landwirtschaftsministerium vertreten. Eine eindeutige Vorgabe, sofern sie – da ja auch Ländersache – des bislang von der CSU geführten Bundeslandwirtschaftsministeriums ist allerdings hier nicht erkennbar.

Landtag: Oppositionsfraktionen schlugen nochmals Pflöcke ein

Die Oppositionfraktionen im Landtag haben in der ersten Plenarsitzung des Landtags eingehend auf den EU-Kompromiss ihre Vorstellungen per Dringlichkeitsantrag (Grüne 17/22; SPD 17/29; FW 17/30) eingebracht. Deren Verweisung in die Ausschüsse machte sie zwar obsolet aber damit waren alte Beschlusslagen samt Aktualisierungen öffentlich in Erinnerung gebracht.

Grüne fordern 15%-Umschichtung von Direktzahlungen in ländliche Entwicklung

Die neue agrarpolitische Sprecherin der Grünen, Biolandwirtin Gisela Sengl, fordert, dass 15 % aus der ersten Säule in die zweite Säule transferiert werden. Denn diese müssten nicht – wie die oben erwähnten 200 Millionen des Bundes – von den Ländern kofinanziert werden. Solche Einschnitte im ersten Topf stoßen natürlich auf Widerstand bei den Großbetrieben. Sie wollen nicht, dass ihnen etwas weggenommen wird, um unwirtschaftlichere Strukturen zu unterstützen. Dass genau dies den Sinn von Subventionierung ausmacht, lässt diese Sichtweise nicht nur vom Standpunkt der Grünen aus, außer Acht. Die Grünen rechnen auf Bayern bezogen vor, dass im Freistaat nur 144 Betriebe (0,13 % aller Betriebe) mehr als 100000 Euro an Fördermitteln aus dem ersten Topf erhalten. 57 % der Direktzahlungen fließen an 20 % der Betriebe mit den höchsten Fördersummen die restlichen 43 % müssen sich 80 % der Betriebe teilen. Da Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner eine Kürzung der ersten Säule ablehnt, fragen die Grünen süffisant, wie er denn sonst das von ihm selbst angestrebte Ziel einer Verdoppelung der ökologisch bewirtschafteten Flächen in Bayern erreichen wolle. Gerade diese ziehen Gewinn aus der 2. Säule mit Kulap, Vertragsnaturschutzprogrammen etc.

Auch SPD klar für bäuerliche Landwirtschaft – aber schon mit Blick auf Berlin?

Grüne wie auch andere Fraktionen fordern Aufschläge für die ersten Hektare (46) ha, wofür auch Brunner (30 ha) ist. Die SPD geht in ihren Forderungen in die gleiche Richtung (Sockelförderung), formuliert auch den Antrag insgesamt etwas allgemeiner und lässt damit auch mehr Spielräume zu, was irgendwie schon an die Berliner Koalitionsfindungsverhandlungen erinnert: Kompensation der Kürzungen der 1. Säule, notfalls auch durch Mittel der 1. Säule; Schaffung von Kleinbetriebsregelungen zur bürokratischen Entlastung; Definition von sinnvollen und praxistauglichen Nutzungskonzepten für die ökologischen Vorrangflächen.

Freie Wähler: Keine Umschichtungen sondern klügere Gestaltungen gefordert

Ulrike Müller, Agrarsprecherin der Freien Wähler, fordert ebenfalls vehement „die zweite Säule gegenüber der ersten Säule zu stärken“. Aber ohne Umschichtung von der ersten in die zweite Säule. Die dort fehlenden Mittel sollten voll aus Bundesmitteln kompensiert werden. Aus Sicht der Freien Wähler sind gerade die zu 100 % aus EU-Mitteln bezahlte und hektarabhängige Betriebsprämie für die Landwirte direkt einkommenswirksam und gäben Planungssicherheit. Eine parallele Sockelförderung für Kleinbetriebe werde von ihrer Fraktion schon seit 2011 gefordert. Bei den Direktzahlungen fordern die FW bei den diese begründenden Greening-Maßnahmen eine praxisnahe und handhabbarere Ausgestaltung. „Dort benötigten wir echte Verbesserungen, aufbauend auf bewährten Umweltprogrammen, statt bürokratischem Wildwuchs.“

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

04. November 2013 um 08:21h