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Hochschulausschuss: Geschickte CSU und „Excellenzinitiative Lehre“ der Freien Wähler

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Eine der weniger beachteten aber doch sehr interessanten Überraschungen ist der Zugriff der Freien Wähler auf den Vorsitz im Hochschulausschuss des Landtags. Zum einen eröffnet es der Gruppe um Hubert Aiwanger neue Perspektiven, zum anderen ist es der CSU dabei auch sehr geschickt gelungen, eine wirkliche politische Brisanz herauszunehmen. Sie hat aus den Erfahrungen mit der FDP offenbar gelernt.

Dass die CSU bei der vorletzten Regierungsbildung den Liberalen das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium überlassen hatte, war damals schnell als Kardinalfehler erkannt worden. Der geschwundene Einfluss auf diese beiden Zukunftsministerien in Verbindung mit dem Koalitionsvertrag hatte letzten Endes zu einer Art Paralyse der größeren Regierungsfraktion und einem weitgehenden Stillstand gerade in der Landesentwicklung geführt.

Zugriff der SPD auf Wirtschaft und Wissenschaft verhindert

Deshalb schien klar, dass die nunmehr wieder alleinige Regierungsfraktion größten Wert auf den/die Vorsitz/e in diesem Bereich, vor allem dem Wirtschaftsressort, legen würde. Sie folgte denn auch nicht der von der Staatsregierung vollzogenen Zusammenlegung der beiden Ministerien, sondern beließ es bei der früheren Trennung der beiden Ausschüsse. Denn andernfalls hätte die SPD mit ihrem Zweitzugriffsrecht mit großer Sicherheit auf den Bildungsausschuss verzichtet und sich für Wirtschaft/Wissenschaft entschieden. Da die Sozialdemokraten beim Bildungsressort blieben, hatte die CSU ein breites Entscheidungs- und Handlungsfeld gewonnen. Sie entschied sich wie bekannt für die nach dem im Erstzugriffsrecht erlangten Haushaltsausschuss erste Präferenz, den Kommunal-/ Innenausschuss, und danach für den Landwirtschaftsausschuss, um damit eine breite Wählerschaft nicht zu verprellen.

Kern-Lösung: Hochschulforschung dem Wirtschaftsbereich zuordnen

Dies ebnete den Weg für die Freien Wähler für den Vorsitz im Wissenschaftsausschuss des Landtags. Doch auch hier war aus Sicht der Regierungsfraktion vorgesorgt. Denn die Staatsregierung hatte „die Förderung der angewandten, wirtschaftsnahen und institutionellen Forschung auf dem Feld von Wirtschaft, Technologie und Fortschritt“ ganz im Wirtschaftsministerium zusammengeführt und damit weite Teile aus dem Wissenschaftsressort herausgelöst. Diese werden folglich künftig im Wirtschaftsausschuss behandelt.

Prof. Dr. Michael Piazolo muss oder darf sich also künftig nur um den Kern der Hochschulpolitik, von den studentischen Belangen bis zur Hochschulorganisation, sowie um den Bereich Kultur in Bayern kümmern. Doch welche Chancen könnten den Freien Wählern daraus erwachsen? Diese liegen zum einen im materiellen Bereich und sind zum anderen eng mit der Person des neuen Ausschussvorsitzenden verknüpft. Piazolo hatte mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer Florian Streibl (hatte u.a. den Fall „Mollath“ wieder in Gang gebracht) und gemeinsam mit Aiwanger eine Art Führungstroika der Fraktion entwickelt.

Standing der Freien Wähler in München und an Hochschulen

Parallel sorgte er als Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler auf Landesebene dafür, dass die Geschäftsstelle nach München verlegt wurde. Dies führte vermutlich gemeinsam mit dem vor allem Piazolo zuzuschreibenden Erfolg beim Thema „Wegfall von Studiengebühren“ dazu, dass die Freien Wähler auch in der Landeshauptstand und im Studentenbereich an Zustimmung gewannen. An dieser Stelle (MAX vom 24. September)) wurde schon gefragt, wie die Freien Wähler im Zusammenhang mit den anstehenden Vorstandswahlen damit umgehen würden. Er habe, so sagt der Münchner Professor heute, aber „bewusst nicht für ein Vorstandsamt kandidiert“. Ihm habe auch daran gelegen, dass die Fraktion breiter aufgestellt würde.

Planen konnte man die sich später ergebende alternative Profilierungsmöglichkeit natürlich nicht. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sieht er. Deren Einschränkungen auch. Letztere liegen u.a. darin, dass der Einfluss bei der Staatsregierung gegenüber einem Vertreter der Regierungsfraktion beschnitten ist. Piazolo will vor allem von Beginn an darauf setzen, den bestehenden „guten Stil“ im Hochschulausschuss weiter zu führen. Dazu habe er sich bereits mit dem bisherigen Vorsitzenden Oliver Jörg von der CSU (jetzt Stellvertreter) ausgetauscht. Neutralität und ggf. auch Distanz gehörten zum Leitungsprofil. Ein Stil, so bejaht er die Nachfrage, wie ihn Franz Schindler (SPD) im Rechtsausschuss pflegt.

Wie vermittelt man Lehre? – Piazolo denkt an eine „Excellenz-Initiative Lehre“

Thematisch will Piazolo „die Studierenden mehr in den Mittelpunkt rücken“. Auf die käme es letzten Endes an. Außerdem werde sich der Ausschuss mit dem Mittelbau an den Hochschulen und den Studentenwerken beschäftigen. Ihm schwebt „ganz wichtig und interessant“ eine „Excellenz-Initiative Lehre“ vor. Die Frage „Wie vermittelt man Lehre“ solle auch der Fachausschuss des Landtags diskutieren. Irgendwie, aber unausgesprochen, wird erkennbar, dass Piazolo einerseits bereits auf die Beschneidung der Zuständigkeit des Hochschulausschusses reagiert und zum anderen zu sehen glaubt, wo in Öffentlichkeit und Hochschulgemeinde Interesse und Zustimmung für die Arbeit des Ausschusses – und die Freien Wähler – zu gewinnen sind. Es wird insbesondere beobachtenswert sein, wie gerade konservativere und nicht unbedingt der CSU zugewandte Betroffene reagieren und ob die Freien Wähler aus freiwerdendem liberalen Wählerpotential schöpfen wollen und können.

Kultur auf dem Land: „den Kindern nicht nur ein paar Gutsel mitgeben“

Die Beschneidung des Zuständigkeitsbereichs könnte auch den manchmal vernachlässigten Bereich „Kultur“ stärker in den Fokus rücken. Man kann in diesem Zusammenhang immer wieder auf – insbesondere von den Grünen initiiert – vorliegendes Basismaterial verweisen. Das reicht vom Zustand der Museen in Bayern bis zur Kulturwirtschaft. Bei allem Respekt vor der Hauptstadtfunktion und dem damit verbundenen Anspruch auf einen herausragenden Konzertsaal, könne sich die über München hinaus stellende Aufgabe des Ausschusses nicht darin erschöpfen, man gebe „den Kindern ein paar Gutsel mit“. Das hatte Piazolo schon in der vergangenen Legislatur in ähnlichen Worten im Ausschuss dem Ministerium deutlich ins Stammbuch geschrieben. Damit wird sich auch der aus München stammende neue Kunstminister Ludwig Spaenle befassen müssen. Und vor allen, so Piazolo, Finanzminister Markus Söder. Der ist nicht nur Herr über Bayerns Schlösser und Gärten sondern als neuer „Heimatminister“ insbesondere der musealen Entwicklung in der Fläche verpflichtet.

Konzertsaal: Zum Schluss ein „Tutti contenti“?

Das Thema Konzertsaal sei nur ein Punkt der Ausschussarbeit. Dabei sei viel „Porzellan zerschlagen worden“ und das Ganze dürfe sich nicht auf die Standortfrage beschränken und im Parteiengezänk enden. Man müsse auch Künstler gewinnen, „die sich da aufstellen“. Piazolo liegt das Metier sozusagen im Blut. Er selbst komme nur noch ab und zu zum Klavierspielen, doch sein Großvater war Musikprofessor und -kritiker. Theaterbesuche seien bei ihm leider bisher zu kurz gekommen. Doch immerhin, so ergab die Nachfrage. Die letzte gesehene Oper liegt bei Piazolo gerade zwei, drei Wochen zurück. Nach der „Hochzeit des Figaro“ auch beim Konzertsaal zum Schluss ein „Tutti contenti“?

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

05. November 2013 um 09:57h