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Die Klausur in Kreuth und der Stellenwert der CSU

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Die Bandbreite der Themen auf der Winterklausur der CSU-Landesgruppe in Kreuth (ab 7. Januar) ist breit. Sie reicht von Armutszuwanderung bis zum Verbot von Prostitution vor dem Erreichen des 21. Lebensjahrs. Doch die Bundestagsabgeordneten der CSU werden während ihrer Tagung vor allem über ihren Stellenwert in der Großen Koalition zu reden haben. Allzu unbeeindruckt hatten CDU und SPD zum Jahresausklang den gegen eine angeblich bevorstehende Flucht in die deutschen Sozialsysteme durch Bulgaren und Rumänen gerichteten Vorstoß abperlen lassen. Keine schäumenden Sozialdemokraten vor dem Willy-Brandt-Haus kamen zu Wort, sondern es erfolgte ein kühler Verweis der neuen Sozialministerin Andrea Nahles auf vorliegende Zahlen. Und im Mienenspiel des zur Sache insbesondere auf den öffentlich-rechtlichen Kanälen Dauer-Präsentierten, dem Vorsitzenden der NRW-CDU Armin Laschet, ehemals dortiger Integrationsminister, glaubte man fast so etwas wie Belustigung zu erkennen. Man versteht durchaus auch den Griff zu subtilen Mitteln.

Dem Gedanken, die Seehofer-CSU wäre tumb in eine Große Koalition mit zwei über-gewichtigen Partnern geschlittert, ist wenig abzugewinnen. Der gewiefte Koalitionsstratege und Ränkeschmied aus Bayern wird gewusst haben, was in der Folge dieser Berliner Konstellation auf ihn, die Landesgruppe, die Bayerische Staatsregierung und die Partei CSU zukommt. Er wird die durchaus jetzt neu zu definierende Rolle der Länderkammer einschätzen können oder um seine Einflussmöglichkeiten, gering oder groß, im Koalitionsausschuss wissen. Die Frage ist, ob Horst Seehofer das Ganze nicht verhindern konnte, oder ob er glaubt, dies aushalten zu können.

SPD: „Dumme Parolen“ statt professionellem Regieren

Das Berliner Tagesgeschäft wird in den nächsten Monaten noch von den anstehenden Europawahlen (22.-25. Mai) überlagert werden. Der Wirbel um die CSU-Parole „Wer betrügt, der fliegt“ hat mit dem Jahreswechsel auch die Außenpolitik erreicht und der Ton sich merklich verschärft. Außenminister Frank-Walter Steinmeier kritisierte laut „Süddeutscher“ von heute, wer die Arbeitnehmer-Freizügigkeit infrage stelle, „schadet Europa und schadet Deutschland”. Sein Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth (ebenfalls SPD) habe gemeint, „die CSU hat Europa nicht verstanden. Und offenkundig will sie es auch nicht.“. Sie beherrsche nicht einmal die Faktenlage: „Wer mit solchen dummen Parolen meint Stimmung machen zu müssen, herrscht weder über dem bayerischen Stammtisch, noch regiert er professionell in Berlin”, sagte Roth. „Das ist nicht das Niveau, auf dem die große Koalition arbeiten darf.” (SZ vom 2. Jan. 14)

Gut ist, was für Bayern gut ist“

Das klingt zwar nur nach Wahlkampf, gibt aber deutliche Hinweise auf eine CSU-Problemlage. Außerhalb Bayerns, wenn nicht gar auch innerhalb der bayerischen Landesgrenzen, dürften sich Zweifel an der Kompetenz der bayerischen Staatspartei breit machen, sobald sich das Thema oder das Problem außerhalb Bayerns bewegt. Die bewundernde Sichtweise für Bayerns wirtschaftliche Eckdaten kann in der Folge noch mehr umschlagen in die Ablehnung eines bayerischen Egoismus, der alles Handeln dem Motto unterstelle „Gut ist, was für Bayern gut ist“.

Rummel um CSU-Kabinettsbesetzungen verstärkt Zweifel an Kompetenz

Der ganze Rummel um die Alt- und Neubesetzungen der CSU-Bundesminister hat diese Zweifel an CSU-Kompetenzen eher verstärkt. Und man kann sich dabei fast schon darauf verlassen. Wenn schon der Letzte nicht auf fehlende Kompetenz bei der CSU reagiert, dann senkt garantiert Seehofer selbst den Daumen. Bundesverteidigungsminister Karl Theodor zu Guttenberg bleibt aus Sicht seines Parteichefs als „Glühwürmchen“ in Erinnerung. Bundesagrar- und Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner haftete in Berlin beharrlich der Ruf einer „Ankündigungsministerin“ an. Die Ministerin konnte der Ministerpräsident aber in Bayern gerade gut brauchen. Der auf ihren Stuhl von Seehofer zwangsversetzte Innenminister Hans Peter Friedrich erfuhr damit eine fast demütigende Degradierung. Es bleibt das Rätsel, was gerade Friedrich im um den Verbraucherschutz beschnittenen Agrarressort bewirken soll. Weniger Kompetenz, wie ihm sogar von Parteifreunden in Sachen NVA oder NPD-Verbot unterstellt, geht eigentlich gar nicht. Und den Spott seines Parteichef erhielt Friedrich als Zugabe.

Anstelle des bedeutenden Innenministeriums handelte sich die CSU das Entwicklungshilfeministerium ein. Es wird wenig nützen, das Ressort zu einer Art CSU-Außenministerium hochzujubeln. Das wird schon durch die ersten Verlautbarungen des neuen Ministers Gerd Müller deutlich. Dessen Forderungen nach mehr Geld für Hilfen vor Ort usw. klingen zwar gut, aber ganz sicher nicht nach einem profilierten Neuanfang. Peter Ramsauer hatte angesichts der Dauerbaustellen in seiner Zuständigkeit für den Verkehr, den Straßen- oder auch Wohnungsbau zumindest keine schlechte Figur abgegeben. Nur nicht in den Augen seines Parteichefs. Der verzieh ihm offenbar nicht dessen angebliche Untätigkeit in Sachen „Ausländermaut“ und stellte „Zar Peter“ aufs Abstellgleis.

Dobrindt als einzig interessante CSU-Personalie in Berlin

Ramsauers um den Wohnungsbau beschnittenes und mit der Zuständigkeit für den Breitbandausbau erweitertes Ressort soll nun der ehemalige CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt verwalten. Es ist die einzig wirklich interessante CSU-Personalie, zudem Dobrindt damit die Lösung des Problems „Ausländermaut“ zugewiesen wurde. Zwar kann er angesichts der Ausgangslage nur gewinnen. Doch gelingt es ihm nicht, verschlechtern sich seine Karten beim Parteichef und alle Vorschusslorbeeren sind verwelkt. Wieder habe sich eine „dumme Parole“ (siehe Roth oben) selbst entlarvt, wird es ggf. heißen. Andererseits glaubten viele Berliner Beobachter feststellen zu können, dass sich der Ex-General gerade während der Koalitionsverhandlungen vom als eher unangenehm empfundenen Zeitgenossen zum umgänglichen und ministrablen Partner gewandelt habe.

Letzteres könnte ihm und der CSU helfen, dass CDU und SPD eine von ihm präsentierte Lösung oder Schein-Lösung der Mautfrage akzeptieren. Voraussetzung dürfte allerdings sein, dass nach diesem ersten Krach wegen der Arbeitnehmer-Freizügigkeit wieder Koalitionsfriede einkehrt. Erste Hinweise, dass die CSU den jetzigen Streit kleinhalten will, glauben manche zu erkennen. Eine weitere Möglichkeit böte das zweite Europa-Wahlkampfthema, nämlich eine Überregulierung bis hin zum Einfluss der EU-Kommission samt eines zugehörigen angeblich aufgeblähten Verwaltungsapparates. Da hat es die CSU während der Klausur durchaus in der Hand, allzuviel Reibungspunkte und Eigenprofilierung auch auf Kosten der Partner zu vermeiden – so sie denn will.

Kommt es im Berliner Tagesgeschäft noch auf die CSU an?

Irgendwann wird die Berliner Politik zur Tagesordnung übergehen. Wirklich angewiesen sind die beiden größeren Koalitionspartner im Tagesgeschäft nicht auf die CSU. Auch Versuche, ein bisschen Opposition zu spielen, wie Seehofers „Verständnis“ oder Unterstützungsankündigung für einen von LINKEN und den Grünen geforderten NSA-Untersuchungsausschuss, werden wenig nützen.

Dieser bestehenden Gefahr, wie die FDP an der Seite größerer Partner in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, setzen CSU und Seehofer möglicherweise eine Dauerkonfrontation entgegen. Diese Ex oder Hopp-Rechnung kann nur aufgehen, wenn die CSU ihre alte Stärke im Freistaat wieder zurückgewinnt. Andernfalls droht sie irgendwann in einem CDU-Landesverband aufzugehen. Auch die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel hat jetzt Zeit, unionspolitisch zu agieren oder zu reagieren.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

03. Januar 2014 um 08:16h

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