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Dritte Startbahn und Windkraft: Kommen Volksbefragungen? Farbe bekennen müssen auch andere

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Eine Entscheidung, ob eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen gebaut werden kann, steht unmittelbar bevor. Am 19. Februar will der Vorsitzende Richter Erwin Allesch vom Verwaltungsgerichtshof Bayern die Entscheidung über den vor zweieinhalb Jahren erteilten Planfestsstellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern verkünden. Seit März letzten Jahres hatte die Kammer über insgesamt 17 Klagen von Bürgern vor allem aus dem betroffenen Freisinger Stadtteil Attaching gegen die vorgesehene vier Kilometer lange Piste verhandelt. Das 1,2-Milliarden-Euro-Projekt am zur Zeit zweitgrößten deutschen Flughafen würde stündlich 30 weitere Start-/Landebewegungen ermöglichen. Dies sei, so die Argumentation der Befürworter, eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich der Münchner Airport zum „Drehkreuz des Südens“ entwickeln könnte. Die Gegner bezweifeln angesichts eher sinkender Flugbewegungen die Notwendigkeit des Projekts und weisen auf die Folgen für betroffene Anwohner hin. Die Auswirkungen der in geringer Höhe über sie hinweg donnernden Düsenjets wurde in den Plädoyers am gestrigen letzten Verhandlungstag nochmals in sehr emotionaler Weise verdeutlicht. Vorher hatte Vorsitzender Allesch die Behandlung weiterer eingereichter Beweisanträge abgelehnt.

Dritte Startbahn: Freie Wähler fordern klare Aussagen von Seehofer

Benno Zierer, Umwelt- und Klimaschutzsprecher der Freien Wähler im Landtag, hofft als engagierter Gegner des Projekts, auf „ein Urteil, das die Menschen achtet“. Im Ablehnungsfall brachte er die entstehende politische Situation auf den Punkt: „Sollte die Genehmigung für den Flughafenausbau weiterhin Bestand haben, fordere ich Ministerpräsident Seehofer auf, noch vor der Kommunalwahl Farbe zu bekennen: Er soll sich konkret äußern, ob er die dritte Startbahn will oder nicht.“

Dürfen nur Münchner entscheiden? – Frage brachte „Volksbefragungen“ ins Spiel

Daran, dass der Ministerpräsident und die Staatsregierung eine dritte Startbahn für notwendig und wünschenswert halten, kann kein Zweifel bestehen, Entsprechende Bekundungen und Kabinettsbeschlüsse für diese Richtungsentscheidung, die quer durch den Freistaat ihre Befürworter und Gegner findet, liegen vor. Abgestimmt darüber haben bisher die Münchner Bürger und das Projekt für viele überraschend deutlich abgelehnt. Die Initiative war wesentlich von der früheren Chefin der Jungen Grünen in München und jetzigen Landtagsabgeordneten Katharina Schulze vorangetrieben worden. Es mehrten sich allerdings Stimmen, insbesondere aus dem Regierungslager, die in Frage stellten, ob dies eine Frage wäre, über die nur Münchner entscheiden könnten oder sollten. Letzten Endes kann man dieses Votum als Auslöser für Horst Seehofers Überlegungen sehen, Mitwirkungsrechte der Bürger zu stärken, was mittlerweile zum jetzt in Rede stehenden Instrument einer Volksbefragung abgemildert wurde.

Darüber wird zwar immer wieder geredet aber inwieweit die Überlegungen fortgeschritten sind oder gar Kabinettsreife haben, ist letztlich offen. In diese Lücke und – auch die SPD kann und darf mal Glück haben – zum wegen des anstehenden Flughafenurteils möglicherweise optimalen Zeitpunkt stößt ein gestern von der Landtags-SPD angekündigter Gesetzentwurf für Volksbefragungen. Dieser soll am 28. Januar in die erste Plenarsitzung nach der Weihnachtspause eingebracht werden. SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher verknüpft dies mit der Zukunft der Energiewende in Bayern, zu der sie – ganz auf „die Meinung der Bevölkerung“ setzend – die erste Volksbefragung abhalten will.

SPD-Initiative zu Volksbefragungen wird 3. Startbahn und Windkraft einbeziehen

Die Tagesordnung des Landtags lässt bis zu den Kommunalwahlen Mitte März viel Raum für eine ausführliche Debatte. In dieser wird man die Komplexe Volksbefragung, Windkraft und Dritte Startbahn nicht trennen können. Eine wesentliche Frage dürfte sein, inwieweit Volksbefragungen zugelassen werden und welche – ggf. zwingenden – Folgen sie haben. Kann man die Energiewende anders behandeln als die Dritte Startbahn? Bei Volksbegehren/-entscheiden ist eine Grenze dann gezogen wenn der Staatshaushalt berührt wird. Das eherne Gebot war jedoch jüngst aufgeweicht bzw. relativiert worden mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu den Studiengebühren.

Eine ganz andere, allerdings wenig bindende und eher willkürliche Grenze hatte ehemals der frühere Fraktionschef der CSU, Georg Schmid, gezogen. Seine Fraktion hatte zu Beginn der letzten Legislaturperiode mit viel Tamtam eine Bürgerbefragung durchgezogen, deren Ergebnisse in die Politik der Regierungsfraktion einfließen sollten. Die damalige Antwort – vor Fukushima – auf die Frage, warum man denn nicht nach der Akzeptanz der Atomkraft gefragt habe, begründete er mit übergeordneten politischen Festlegungen. Solche Grundpfeiler der CSU-Politik erachtete er als sakrosankt, an denen nicht gerüttelt werden durfte. Dass dann Wehrpflicht, Atom-Haltung und anderes reihenweise fielen, lässt dennoch die Frage offen, ob nicht auch in der aktuellen Situation versucht werden wird, Volkes Meinung, und sei es nur die ohne direkte Folgen, erst gar nicht erfragt werden „darf“.

Spiel mit dem Feuer auch um Bayerns „Fluren und Auen“

Volkes Rat und Meinung wird hier leicht zum Spiel mit dem Feuer. Es lässt sich beispielsweise leicht vorstellen, dass eine Dritte Startbahn bayernweite Akzeptanz findet. Bei der Windkraft dürfte es eher anders rum aussehen. Vor allem weil der Widerstand dieser Teilabkehr von der Energiewende oder wie auch immer man dies formulieren will sich verstärken wird. Der Bund Naturschutz, durchaus ein glaubwürdiger Kämpfer zum Schutz von Bayerns „Fluren und Auen“ wird seine Mitglieder und Verbündete Organisationen verstärkt pro Windkraft mobilisieren. Der Grünen-Landtagsfraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann hat im Gespräch erläutert, dass und wie er das Pro-Windkraft-Netzwerk verstärken und ausweiten will.

Interessant wird sein, wie sich die Kommunalen Spitzenverbände verhalten werden, Pochen sie beispielsweise auf das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen. Nehmen sie als Alibi für Stillehalten die Aussage des Ministerpräsidenten, dass er Ausnahmen zulassen werde, wenn kommunale Mehrheitsbeschlüsse vorliegen – was eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist. Farbe bekennen ist angesagt.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

16. Januar 2014 um 11:18h