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G 8 und/oder G 9: Strategie der Freien Wähler könnte aufgehen

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Die CSU hat in Bayern ein Problem. Und wieder sind es die Freien Wähler, die sowohl die Staatsregierung als auch die sie tragende CSU-Landtagsfraktion und deren Parteibasis richtig in die Klemme bringen. Und auch dabei zeigt sich, dass die Opposition, da im Landtag wenig geht, zunehmend ihre Erfolge außerparlamentarisch sucht und findet. Die SPD vor allen, punktete vor den Verfassungsrichtern mit der Durchsetzung von Auskunftspflichten, die Grünen spielen ihre Karten networkend in der Einbindung von Interessengruppen beispielsweise bei NOlympia erfolgreich aus, und die Freien Wähler setz(t)en den Wähler bei Volksbegehren/-entscheiden ein. Zum Thema gehören die von der Staatsregierung aufgenommenen Initiativen in Richtung Volksbefragungen oder auch die – früh übrigens vom Bürgerrechte-Flügel der FDP beschlossene – Forderung nach stärkerer Einbindung von Verbänden etwa bei Gesetzesinitiativen. Das Ganze kann man durchaus als eine Tendenz zur Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie erahnen. Eine Frage, die sich beim Abrutschen von Wahlbeteiligungen unter 50 Prozent fast zwangsläufig stellt.

Im aktuellen Geschehen, der Auseinandersetzung zwischen dem acht- und dem neunjährigen Gymnasium und all den dazwischenliegenden Möglichkeiten und Variationen, wird vieles davon sichtbar. Einigkeit scheint nur in der Frage zu bestehen, dass die vom früheren Ministerpräsidenten Edmund Stoiber überstürzt eingeführte Einführung des G 8 ein Fehler war. Bei ihrer Umsetzung stieß die Kultusbehörde unter Monika Hohlmeier und Siegfried Schneider an ihre oder deren Grenzen. Erinnert man sich an den Auftritt von Dr. Ludwig Spaenle kurz nach seiner Ernennung beim Bayerischen Städtetag in Mühldorf (2009), so blieb vor allem der Eindruck haften, wie dessen sehr kritische Delegierte ihre Hoffnungen auf diesen neuen Kultusminister – nicht nur in Sachen Gymnasium – setzten.

Eng eingegrenzter Spielraum für Spaenle – Teile der CSU-Fraktion schalten auf stur

Ein weiteres Scheitern nur ihm als Minister zuzuschreiben wäre allzu simpel. Der im allgemeinen sehr durchsetzungsfähige Spaenle konnte in nur sehr eng eingegrenztem Rahmen am Problem herumdoktern. Während die Opposition über die gesamte vergangene Legislatur den Finger auf die offene Wunde legen konnte, fehlte dem Kultusminister die Unterstützung durch die die Staatsregierung tragenden Fraktionen. Ein schwacher CSU-Fraktionschef Georg Schmid schaffte es nicht, in einer für Landtags-CSUler ungewohnten Notkoalition CSU und FDP auf eine durchsetzungsfähige Linie zu bringen. Hinzu kam, dass die CSU-Fraktion zunehmend das Auftreten ihres erfolgreichen Wahlhelden Horst Seehofer auch als Knute empfand. Als Folge der Aufgabe alter Positionen, wie insbesondere das von den Freien Wählern per direkter Volksbeteiligung erzwungene Loslassen von den Studiengebühren, schaltete ein großer Teil der CSU-Fraktion auf stur. Das G 8 müsse in irgendeiner Form bleiben. Ein neues Kind dürfe keinesfalls in G 9 umgetauft werden.

Diese Haltung wird vom neuen – so besonnenen wie durchsetzungsfähigen – Fraktionschef Thomas Kreuzer mit der Warnung vor übereiltem Handeln auf die Formel gebracht: „Das Entscheidende ist, dass für jeden Schüler die richtige Lösung angeboten wird.“ Die Junge Union unter ihrem Chef, dem Landtagsabgeordneten Hans Reichhart, kündigte an, hart für die grundsätzliche Beibehaltung des achtjährigen Gymnasiums zu kämpfen, nicht nur wegen eines gegebenen Wahlversprechens sondern auch weil eine Mehrheit der Schüler mit dem G 8 inzwischen gut zurecht käme. Der JU-Chef bezieht sich damit auch auf eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, der darin eine grundsätzliche Änderung ausgeschlossen hatte. Andererseits hat Seehofer durchaus die Signale aus der Bevölkerung aufgenommen, die zumindest eine starke Verunsicherung wenn nicht gar den Wunsch nach eben einem solchen Systemwechsel offenbarten

Erfolgsorientierte Regierungskunst Seehofers contra Anspruch auf Transparenz

Nun unterstellt man Horst Seehofer eine gewisse negativ ausgelegte Wendigkeit. Andere nennen es eine erfolgsorientierte Regierungskunst, die der Regierungs- (und Partei-)Chef entwickelt habe. Diese allerdings, und das könnte die entscheidende Betrachtung werden, entzieht sich vor allem einem zunehmend erhobenen Anspruch auf mehr Transparenz. Dazu passt durchaus dessen neueste Standortmeldung: „Wenn ich jetzt entscheiden müsste, könnte ich nicht entscheiden.“

Die Situation hat sich nämlich seit Beginn der neuen Legislatur verkompliziert und teilweise verselbständigt. Dazu zählt u.a. das durchaus vom Ministerpräsidenten angeregte und seit wenigen Wochen vorliegende Konzept des Bayerischen Philologenverbandes, allerdings mit einer so nicht erwarteten ummäntelten G 9-Lösung. Hinzu kommt das unter Kreuzer neu entwickelte Selbstbewusstsein der CSU-Fraktion. Das scheint die Gefahr in sich zu bergen, dass eine offene Problembegegnung einer Durchsetzung um des Durchsetzen willens geopfert wird. Parallel dazu liegt jetzt die von der JU ins Spiel gebrachte Befragung der Parteibasis auf dem Tisch. Eine Idee, von der Seehofer gar nichts zu halten scheint. Was nachvollziehbar ist, denn er hätte lediglich eine weitere und gar bindende Entscheidungsgrundlage auf dem Teller. Wählen könnten CSU-Mitglieder oder Sonderparteitag ganz einfach zwischen G 8 und G 9 oder diskuieren/abstimmen über einen ihnen vorgelegten Vorschlag mit inhaltlicher Substanz.

FW-Volksbegehren auf den Weg gebracht – kommt es auf den Inhalt gar nicht an?

Ersteres würde vermutlich wegen fehlender breiter inhaltlicher Auseinandersetzung einen öffentlichen Sturm hervorrufen. Und das zweite will Seehofer möglichst auf parlamentarischem Weg durchsetzen. Das heißt inhaltliche Diskussion unter Einbeziehung natürlich der Opposition aber auch von Verbänden – aber entscheiden kann dann die CSU-Mehrheit allein. Wer stört sind wieder einmal die Freien Wähler. Diese haben zwar etwas mühsam aber immerhin genügend Unterschriften für die Einleitung eines im Juli startenden Volksbegehrens gesammelt. Im Kern soll damit per Volksentscheid durchgesetzt werden, dass eine Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 angeboten wird. Mit dieser Forderung stehen die Freien Wähler im Parlament noch allein.

Aber, und dies scheint FW-Generalsekretär MdL Prof. Dr. Michael Piazolo früh erkannt zu haben, darauf kommt es möglicherweise gar nicht an. Falls das Volksbegehren auch erfolgreich sein sollte, hätten Staatsregierung/Parlament die Möglichkeit, es auf einen Volksentscheid über die Wahlfreiheit ankommen zu lassen oder dem einen eigenen Gesetzentwurf entgegenzustellen. Das Kalkül ist, dass es die CSU-Staatsregierung nicht auf eine Entscheidung über das Freie Wähler-Begehren ankommen lassen will, sondern dem einen eigenen Gesetzentwurf gegenüberstellt. Der müsste dann zwar unter etwas Zeitdruck aber unter starker Aufmerksamkeit und Beteiligung von Öffentlichkeit und Verbänden mit mehr Notwendigkeit zu konsensualen Lösungen zustandekommen. Die möglicherweise nur unterstellte Absicht oder gewohnte Übung, eine Änderung allzusehr im CSU-eigenen Sinne durchzuführen oder gar zu beerdigen wäre vereitelt. Das klingt in Augen vieler Betrachter überzeugender als das von den Grünen ins Spiel gebrachte Moratorium mit einer breit angelegten Expertenanhörung im Landtag. So parlamentarisch wünschenswert das auch ist.

Aiwanger sieht alle Befürworter einer neunjährigen Gymnasialform im FW-Konzept

Freie Wähler Fraktionsvorsitzender Hubert Aiwanger fasste dies in einer gestern veröffentlichten Presseerklärung so zusammen: „Man muss allen Befürwortern einer neunjährigen Gymnasialform – auch Rot-Grün, den Philologen, Direktoren, Elternverbänden usw. deutlich sagen, dass sich ihre Konzepte in unserem Volksbegehren wiederfinden bzw. verwirklichen lassen. Wir Freien Wähler fordern einzig und allein eine acht- und neunjährige Form des Gymnasiums – und keine weiteren Details. Ohne unser erfolgreiches Volksbegehren bekommen die Befürworter eines G 9 – wie das im Detail auch immer aussehen mag – gar nicht den Rahmen, innerhalb dessen sie ihr Modell verwirklichen könnten. Es bliebe alles beim jetzigen G 8 mit ein paar Schönheitskorrekturen.“

Diese Sätze natürlicherweise vom Fraktionschef stehen jetzt irgendwie abschließend und abwartend im Raum. Die Vorarbeit hat Piazolo geleistet. Dieser hebt sich als Generalsekretär ziemlich deutlich vom Klischee als sprachröhrender Haudrauf ab. Fast selbstverständlich formuliert er als Vorsitzender des Kulturausschusses lobende Worte für Bayerns Justizminister Prof. Winfried Bausback für dessen prägende Rolle hin zur gerade gefundenen Restitutions-Einigung in Sachen Schwabinger (Salzburger) Kunstfund/Gurlitt. Die Rolle als „General“ füllt er vorwiegend mit Besonnenheit aus.

Volksentscheide nicht überstrapazieren – demokratische Instrumente stärken

Überstrapazieren“ so fällt er einem schnell ins Wort, solle man das Instrument des Volksbegehrens/Volksentscheids keineswegs. Er sieht es bei der Betrachtung einer möglichen, vielleicht notwendigen Weiterentwicklung der repräsentativen Demokratie als einen Teil, um den Wähler an eine echte Wahl zwischen Parteien heranzuführen. Dazu gehörten auch die parlamentarische Arbeit, in der gerade die Opposition nicht nur die Kontrolle der Staatsregierung ausübt, sondern auch die gestaltenden Möglichkeiten nutzt und erweitert. Eine parlamentarische oder repräsentative Demokratie könne auch gestärkt werden durch eine Einführung von Volksbefragungen. Wobei Piazolo diese Chance durch die von der Staatsregierung auf den Weg gebrachte, nicht bindende Gesetzesinitiative vorläufig als vertan sieht. Eine weitere interessante Aufgabe sieht der FW-General in einer intensivierten Zusammenarbeit mit den Verbänden.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

08. April 2014 um 16:24h