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Abstraftatbestände: Danebenbenehmen und Abwegegehen

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Die war ja schon weg“- die Bemerkung von SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher über Margarete Bause nach dem schlechten Abschneiden der unter ihr als Spitzenkandidatin bei den letzten Landtagswahlen angetretenen Grünen, fällt weniger auf seine aber ziemlich heftig auf die Füße anderer zurück. Wo Bause ist, ist Ärger – es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass Horst Seehofer bei dieser seiner Einschätzung irgendwann eine seiner berühmten Meinungsumschwünge vollziehen wird. Es sei denn, er verändert seine Politik. Was Bause von dieser hält, hatte sie dem Regierungschef in der mittlerweile legendären „Haderthauer“-Plenardebatte um die Ohren geworfen. Eine Rede übrigens, der zuzuhören sich lohnte. Sie war – auch für die TV-Öffentlichkeit – Meinungs-bildend, was auch für den gewählten Umgangston gilt, genau so wie Nichtssagendes, Nachgeplappertes oder auch halbleere CSU-Reihen sogar bei einer Regierungserklärung.

Leere Reihen, die im Verlass auf die sichere Mehrheit auch bei Abstimmungen zu beobachten sind. Der (Un-)Sitte, dass dann bei beantragten Hammelsprüngen schnell noch einige Abgeordnete zusammengetrommelt werden, will die Opposition zur Zeit mit einer Änderung der Geschäftsordnung begegnen. Nur Abgeordnete, die beim ersten Aufruf zur Abstimmung auch im Plenarsaal waren, sollen künftig am Hammelsprung teilnehmen können. Dafür sprechen viele Gründe. Der Hammelsprung soll ja keine Änderung des ersten Abstimmungsergebnisses herbeiführen, sondern nur bei bestehendem Zweifel dessen Ergebnis zweifelsfrei nachvollziehen. Zudem, denkt man die jetzige Praxis zu Ende, könnte, ja müsste man sich jede Abstimmung sparen, und jeder Entscheidung nur die Mehrheitsverhältnisse zugrundelegen. Für die diesbezügliche Beibehaltung der Geschäftsordnung spricht nur die Praxis auch in anderen Parlamenten.

Jeden Monat eine Abstraf-Initiative?

Bei dieser – laxen und für sie bequemen – Praxis will es die CSU belassen. Ändern hingegen will sie die Redezeiten für die Fraktionen in den Plenardebatten. Sie sollen mehr an die Mehrheitsverhältnisse angepasst werden. Diesem zumindest diskussionswürdigen Anspruch haftet vor allem der Makel des Zeitpunkts an, zu dem er erhoben wurde. Eine entsprechende Überlegung des Ministerpräsidenten nach der „Haderthauer“-Debatte war anderntags von der CSU-Fraktionsspitze formuliert worden. Ein Strafgericht nach den Redebeiträgen der Opposition eben – ein wahrer Schelm, wer anders darüber denkt. Und als ob nicht nur wenige Wochen seitdem vergangen wären, setzte Fraktionschef Thomas Kreuzer nach der jetzt beendeten China-Reise des Ministerpräsidenten noch eins drauf. Nachdem Bause während der Delegationsreise unabgesprochen ein Gespräch mit dem Regimekritiker Ai Weiwei geführt hatte, stellte Kreuzer die Praxis des Mitnehmens von Mitgliedern der Opposition bei solchen Reisen in Frage. Spontan habe sie darüber lachen müssen, erklärte die grüne Fraktionsvorsitzende gestern in einem Pressegespräch. Dass sie darüber hinaus gesagt haben soll, bei solchem Kujonieren könne man sich künftig in China informieren, wäre allerdings bei Namensnennung im engen Kontext zum Thema ziemlich problematisch.

Was allerdings nichts daran ändert, dass es zu den Aufgaben einer/s Oppositionspolitikerin/s gehört, „dort für unsere freiheitlichen Werte einzustehen, wie es der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler, Florian Streibl, formulierte. Kein Mensch außerhalb der CSU und hoffentlich zumindest ungezeigt auf offizieller chinesischer Seite, scheint sich über Bauses Aktion aufgeregt zu haben. In diesem Zusammenhang müsste sich der bayerische Regierungschef schon genauer erklären, was da unterschwellig mitschwingt, wenn er davon spricht, Bauses Aktion habe „unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“ gelegen: „Gott sei Dank“, „Franz Josef hilf“ oder klammheimliche Freude und worüber?

Im übrigen. Auch Landtags-Präsidentin Barbara Stamm hat das Vorgehen von Margarete Bause kritisiert. Da das Mitnehmen von Oppositionspolitikern auf einer sehr jungen Vereinbarung zwischen Landtagspräsidium und (Seehofer-)Staatsregiering basiert, könnte sich auch der Ältestenrat damit beschäftigen. Das wiederum könnte interessant werden. Denn eine mit Mehrheit ausgesprochene Missbilligung rückte das Ganze egal ob verbunden mit einem Abrücken von der Mitfahrgelegenheit oder mit der Formulierung von Verhaltensmaßregeln in die Nähe eines Maulkorberlasses.

Dauerthema „Verhaltensmaßregeln“

Verhaltensmaßregeln scheinen im Zusammenhang mit Parlament und Staatsregierung zum Dauerthema zu werden. Die unsägliche Verwandten-Affäre, die letztlich auch in ein Urteil des Obersten Bayerischen Verfassungsgerichtshofs mündete, dass die Zahlungen an Verwandte von Kabinettsmitgliedern zurückreichend in ihre normale Abgeordnetentätigkeit offengelegt werden mussten. Begründet und verknüpft wurde dies auch mit dem besonderen Vorbilds-Anspruch an Mitglieder der Staatsregierung. Die Verfassungsrichter waren also durchaus der Meinung, dass ein Fisch vom Kopf her stinkt. Eine ehrliche Formulierung für die sich Bause in ihrer Rede vor dem Plenum jedoch gehörig schimpfen lassen musste.

Die Chancen, dass solche Themen auch in Verquickung mit Allmachtsansprüchen nicht immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt werden (müssen) scheinen gleich Null. In der Plenarwoche vor Weihnachten soll ein Dringlichkeitsantrag (4179) der Freien Wähler behandelt werden, der gestern im Haushaltsausschuss gegen die Stimmen der Opposition abgelehnt wurde. Klargestellt werden solle, dass allein der Landtag in seiner Gesamtheit über den kompletten Haushalt berät und entscheidet. Dies bezieht sich auf eine Pressemitteilung der CSU-Fraktion von Ende Oktober. Darin äußert sich namentlich u.a. der Fraktionschef und lokale Abgeordnete Kreuzer „zur Fraktionsinitiative: 1,4 Mio. Euro für das Zentrum für Lebensmittelverpackungstechnologie an der HAW Kempten: „Insgesamt 1,4 Mio. Euro aus Mitteln der Initiative der CSU-Fraktion plant die Fraktion in den Jahren 2015 sowie 2016 für den Aufbau eines Kompetenzzentrums für Lebensmittel- und Verpackungstechnologie bereitzustellen.“ Die CSU-Fraktion besitze keine eigenen zu vergebenden Haushaltsmittel, klagen die Freien Wähler und wollen dies per Antrag grundsätzlich richtig gestellt sehen. Liest der kundige Leser die beanstandete Pressemitteilung weiter, wird ihm natürlich klar, dass der übliche Änderungs-Antrags-Weg beschrieben und gemeint ist. Doch genauso klar ist, welcher öffentliche Eindruck mit der mißverständlichen Eingangsformulierung erweckt werden kann, vielleicht werden sollte. Und man fragt sich: Hat die CSU das nötig?

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

26. November 2014 um 19:33h