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Kabinett: Zugriff auf Vorratsdatenspeicherung durch Verfassungsschutz

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Die bayerischen Verfassungsschützer sollen enger mit den Polizei- und Sicherheitsbehörden zusammenarbeiten können. Dies sieht eine vom Kabinett gestern beschlossene Novelle des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes vor. Wie Innenminister Joachim Herrmann betonte, hätten die verheerenden Anschläge von Paris am 13. November deutlich vor Augen geführt, „dass eine funktionsfähige Sicherheits-architektur für eine freiheitliche Demokratie überlebenswichtig ist“. Das Gesetz verbessere deshalb die Grundlagen für die Zusammenarbeit an zahlreichen Stellen. „Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht der Übermittlung von Informationen des Verfassungsschutzes an die Polizei durch sein Urteil zum Antiterrordateigesetz sehr enge Grenzen gezogen”, schränkte Herrmann ein. In umgekehrter Richtung ist allerdings vorgesehen, dass der Verfassungsschutz in Bayern künftig auf die Daten der Vorratsdatenspeicherung der Polizeien zugreifen kann. Es könne nicht sein, so Herrmann, „dass unsere Nachrichtendienste weniger wissen als Polizei und Strafverfolgungsbehörden. Die vom Bundestag Anfang November beschlossenen gesetzlichen Grundlagen eröffnen aus Sicht des bayerischen Innenministers diese Möglichkeit jetzt auch für den Verfassungsschutz. Bayern sei daher das erste Bundesland, das die Vorratsdatenspeicherung für den Verfassungsschutz einführt. Bund und Länder sollten dem folgen.

SPD will sehr genau hinschauen – Grüne erwägen Klage beim Verfassungsgericht

Wir werden uns das sorgfältig ansehen, auf den ersten Blick haben wir aber Bedenken, dass es verfassungskonform ist, den Verfassungsschutz gespeicherte Daten nutzen zu lassen“, erklärte Franz Schindler, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion. Gewohnt abwägend und nie vorschnell urteilend, hebt sich der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag seine abschließende Meinungsbildung für die Parlamentsberatungen auf. Vorläufig verweist er auf das Bundesverfassungsgericht, das die Nutzung anlasslos gespeicherter Daten nur bei konkretem Verdacht, zur Verhinderung oder zur Verfolgung erheblicher Straftaten zulasse. Mit seiner Zurückhaltung nervt Schindler zwar nicht nur gelegentlich seine Fraktion, aber sein ggf. dann – wie vermutlich auch in diesem Fall – gegen die Meinung der Staatsregierung gerichteter Vortrag gewinnt damit durchaus an Gewicht.

Mindestens in einer rechtlichen Grauzone“ sieht auch die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Schulze, den Innenminister bei seinem Vorstoß. Zum einen entspreche dies ausdrücklich nicht den Vorgaben des einschlägigen Bundesgesetzes. Zum anderen – und das ist ihr zentraler Kritikpunkt – verstoße diese Maßnahme gegen das Trennungsgebot, nach dem Aufgaben der Polizei und der Nachrichtendienste strikt voneinander separiert werden müssen. Im Falle einer Umsetzung behalten sich die Grünen den Gang zum Verfassungsgericht ausdrücklich vor.

Klare Kante bei FDP, LINKE und Piraten

Auch seitens der außerparlamentarischen Opposition wendeten sich gewichtige Stimmen gegen die geplante Änderung. Wie auch die frühere FDP-Landesvorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte Daniel Föst, Generalsekretär der bayerischen Liberalen, „die Staatsregierung öffnet Totalüberwachung Tür und Tor“. Mit dem Kabinettsbeschluss sieht Föst die Vorbehalte der Liberalen gegen das neue Überwachungsinstrument bestätigt. Kaum eingeführt, werde schon der Zugriff darauf ausgeweitet: „Die Beteuerungen der Bundesregierung, die Vorratsdaten-speicherung diene nur der Verfolgung schwerer Straftaten, erweisen sich als Täuschung.“ Der Landessprecher der LINKEN, Xaver Merk, erklärte: „Es ist ein Unding, dass Bayern versucht, eine Gesetzeslücke im ohnehin rechtlich höchst umstrittenen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung auszunutzen und die Daten auch noch dem Bayerischen Verfassungsschutz zur Verfügung zu stellen.“ Die Piraten meldeten sich gar aus Berlin zum Thema. Ihr Bundesvorsitzender Stefan Körner sieht den Alptraum von Datenschützern verwirklicht, wenn der bayerische Verfassungsschutz auf – bis zu zehn Wochen zurückliegende – Telefonverbindungs- und Internetdaten zugreifen kann. Er, Körner, müsse nicht einmal an die unrühmliche Figur, die der Verfassungsschutzes beim NSU-Skandal macht, erinnern. „Ausgerechnet dieses Organ ohne funktionierende Kontrolle darf in unser aller Privatsphäre rumschnüffeln.“

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

15. Dezember 2015 um 21:28h