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Barrierefreiheit in Bayern: Sehr geteilte Meinungen zu Bericht der Sozialministerin

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Bisherige Fortschritte und geplante Fortführung des Programms „Bayern barrierefrei” wurden gestern von Sozialministerin Emilia Müller dem Kabinett vorgestellt. In den vergangenen zwei Jahren seien bereits deutliche Fortschritte erzielt worden, schwerpunktmäßig in der Mobilität, in der Bildung und beim Abbau von Barrieren in staatlichen Gebäuden. Das soll intensiv fortgeführt, zugleich aber auch drei neue Kerngebiete aufgenommen werden. „In den nächsten Jahren werden Information und Kommunikation, Fortbildung und Gesundheit im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen.”  Im Doppelhaushalt 2015/2016 stehen insgesamt rund 221 Millionen Euro für den Abbau von Barrieren bereit. Der Freistaat unterstützt damit den barrierefreien Ausbau von Bahnhöfen und Haltestellen (rund 25 Millionen Euro), die Neuanschaffung von Linienbussen mit Hublift oder Rampe (rund 60 Millionen Euro) oder die Beseitigung von Barrieren in staatlichen Gebäuden, die öffentlich zugänglich sind (69,5 Millionen Euro). 460 Baumaßnahmen sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden  und eine Vielzahl von Barrieren in staatlichen Gebäuden verschwunden sein.

Neue Handlungsfelder sollen in Angriff genommen werden

Beim neuen Schwerpunkt „Information und Kommunikation” ist beabsichtigt, dass z.B. die Verwaltungen die barrierefreien Online-Angebote und Verfahren weiter ausbauen. Außerdem, so Müller, „werden wir die Beschäftigten im staatlichen Bereich fortbilden und als wichtige Multiplikatoren noch mehr für das Thema Barrierefreiheit sensibilisieren”. Das weitere neue Handlungsfeld „Gesundheit” soll unter anderem die Barrierefreiheit in stationären Einrichtungen der Pflege verbessern. Von zentraler Bedeutung für ein barrierefreies Bayern ist der Wohnungsbau. Innen- und Bauminister Joachim Herrmann wurde beauftragt, über die Maßnahmen beim Wohnungsbau für mehr Barrierefreiheit in einer der nächsten Ministerratssitzungen gesondert zu berichten.

Die Ministerin appellierte an die Privatwirtschaft und die gesamte Gesellschaft, sich noch stärker für die Barrierefreiheit zu engagieren, es gehe nicht ohne die Unterstützung aller Menschen in Bayern. Um Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen, wurde das Signet „Bayern barrierefrei – Wir sind dabei!” entworfen. Es macht sichtbar, wer Barrierefreiheit in Bayern unterstützt und richtet sich vor allem an nichtstaatliche Organisationen. „Dabei ist zum Beispiel die Größe eines Unternehmens nicht entscheidend: von der großen FC Bayern AG bis zum kleinen Café in München – wir sind stolz auf jeden Partner, der sich sichtbar am Abbau von Barrieren beteiligt”, so Müller.  Das Sozialministerium unterstützt den Ausbau von Beratungsstellen, die Interessierte kostenlos mit Informationen versorgen, und zwar unter www.barrierefrei.bayern.de – laut Müller eine Erlebniswelt, eine Beratungsstelle, ein Infocenter, ein Magazin, das Menschen mit und ohne Behinderung gleichermaßen anspricht.

SPD: „Und täglich grüßt das Murmeltier“ – Grüne: „absolute Luftnummer“

Der Ausbau der Barrierefreiheit in Bayern verläuft immer noch viel zu schleppend, kritisiert die Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für Belange von Menschen mit Behinderungen, Ruth Waldmann. „Man kommt sich tatsächlich vor wie am heutigen Murmeltiertag”, ärgerte sich Waldmann gestern. Sie begrüßte die zwar begrüßenswerten kleinen Schritte, aber das eigentliche – von Ministerpräsident Horst Seehofer in seiner Regierungserklärung (12.11.13) – anvisierte Ziel, bis 2023 Barrierrefreiheit für alle zu schaffen, sei bei diesem Tempo nicht zu schaffen.Es würden immer wieder kleine Schritte zur Verbesserung angekündigt, die natürlich auch begrüßenswert sind. Aber das eigentliche Ziel, Barrierefreiheit für alle in ganz Bayern, ist noch in weiter Ferne und bei diesem Tempo bis 2023, nicht zu schaffen. Auch die Grünen meinten, dass dieses Ziel sich als „absolute Luftnummer entpuppt“ habe. Zwar könnten einige Maßnahmen bestimmt umgesetzt werden, „aber nur, weil die ursprüngliche Zielsetzung zusammengestutzt und eingedampft wurde“, konstatierte ihre sozialpolitische Sprecherin, Kerstin Celina. Der Umbau von Bahnhöfen und Gebäuden sei wichtig, „Barrierefreiheit ist aber so viel mehr“. Die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen beispielsweise an Wahlen und am Arbeitsleben. Hier wäre eine klare Regelung wie eine höhere Schwerbehindertenquote oder eine höhere Abgabe besser als bloße Appelle.

Behindertenbeauftragte: „Bayern hat sich auf den Weg gemacht“

Die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Irmgard Badura, begrüßte die ersten Schritte des Programmes. Bayern sei das einzige Bundesland, das sich zur umfassenden Barrierefreiheit im staatlichen Bereich bekennt und mit dem Jahr 2023 ein klares zeitliches Ziel setzt. Erste Umbaumaßnahmen an staatlichen Gebäuden und das Internetportal http://www.barrierefrei.bayern.de/ sind Belege dafür, dass der Freistaat sich auf den Weg gemacht hat. Diplomatischer kann man eine im Kernbestehende bestehende Unzufriedenheit eigentlich kaum formulieren.

Dies wird ebenfalls erkennbar in Baduras weiteren Ausführungen. „Auch die Fokussierung auf die barrierefreie Kommunikation für den Doppelhaushalt 2017/2018 begrüße ich sehr, aber der Nachholbedarf ist riesig. Jetzt muss im staatlichen Bereich bis zum Jahr 2023 konsequent weitergearbeitet und die notwendigen Mittel bereitgestellt werden.“ Die Behindertenbeauftragte nimmt aber auch private Unternehmen und Kommunen in die Pflicht. Fördere beispielsweise der Freistaat die Errichtung von Wohnraum, wie im Rahmen des Wohnungspaktes Bayern, „dann müsse sichergestellt werden, dass auch ausreichend barrierefreier Wohnraum entsteht“, so Badura.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

03. Februar 2016 um 08:05h

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