Polizei und Grüne – wo ist das Problem?
„Wir Grüne stehen für eine Politik der inneren Sicherheit, die Bürgerrechte schützt, Sicherheit gibt und die Freiheit bewahrt.“ Und: „Dazu setzen wir auf eine starke Polizei.“ Dieser Grundaussage der Grünen aus ihrer Einladung zu ihrem 1. Grünen Polizei-Kongress hatte der Vorsitzende des Innenausschusses im Landtag, Dr. Florian Herrmann (CSU), per Pressemitteilung die Aussage gegenübergestellt: „Wenn sich die Landtagsgrünen jetzt mit einem Polizeikongress einen sicherheitspolitischen Anstrich verpassen wollen, ist das an Unglaubwürdigkeit nicht zu überbieten.“ Denn: „Die Grünen behindern und kritisieren die Arbeit unserer Polizei wo es nur geht.“ Man konnte also am vergangenen Samstag durchaus mit gespannten Erwartungen in diese Veranstaltung im Maximilianeum gehen. Im Folgenden ein Resumee – zur Veranstaltung und auch zu grüner Polizeigeschichte.
Ein Generationenwechsel der besonderen Art
In guter Erinnerung zumindest des Autors ist eine Veranstaltung schon bald nach dem Einzug der Grünen ins Landesparlament vor ziemlich genau 30 Jahren. Dort wurde filmisch und in Bildern dokumentiert, wie Polizisten eine blonde junge Frau von einem Sit-In auf einer Verkehrsinsel wegtrugen. Es handelte sich bei der so von der CSU „Vorgeführten“ um die Grünen-Landtagsabgeordnete und Sozialexpertin Christine Scheel, die später als Bundestagsabgeordnete und Sprecherin im Finanzausschuss mit Steuerreformvorschlägen große Beachtung fand und vor wenigen Jahren ins Spitzenmanagement eines Energieunternehmens wechselte. Eine Generation später steht eine ebenso blonde junge Frau auf dem Podium im Senatssaal des Bayerischen Landtags und erklärt gut hundert Polizeibeamten aus aktivem Dienst und Gewerkschaften nicht gerade die Welt aber immerhin wie sich die Grünen die Zusammenarbeit mit der Polizei vorstellen.
Inhaltliche und persönliche Schärfe haben sich gewandelt
Natürlich war auf mancher Miene Zurückhaltung, vielleicht auch Skepsis zu erkennen. Aber inhaltlich kam spürbar gut rüber ins Publikum, was die innenpolitische Sprecherin Katharina Schulze sich unter einer starken Polizei vorstellt. Gut ausgerüstet, personell verstärkt, Ressourcenschonung durch Befreiung von Verwaltungsaufgaben und auch, dass sie für die Bewältigung der Kernaufgaben zuständig bleiben müsse – Private hätten da nichts zu suchen. Natürlich war auch von der atmosphärischen Entwicklung von „Wackersdorf“ bis heute die Rede. Es liegen Welten zwischen der damaligen inhaltlichen und persönlichen Schärfe ihres ersten Fraktionsvorsitzenden Hartmut Bäumer (später Regierungspräsident in Hessen und dann Ministerialdirektor im baden-württembergischen Wissenschaftsministerium) und heutigen Dar-/Klarstellungen, warum beispielsweise die Grünen die Vorratsdatenspeicherung der Polizei nicht in Händen des Verfassungsschutzes sehen wollen.
Gegen Datenerhebung wo sie angebracht sei, habe man ja gar nichts, konstatierte später Dr. Anton Hofreiter, aber sehr wohl gegen eine Überwachung der gesamten Bevölkerung. Denn da bestünde zudem die Gefahr, dass relevante Daten schlicht untergehen. Es war keine zwingende Notwendigkeit, der jungen Landtagsabgeordneten mit dem Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, früherer wissenschaftlicher Mitarbeiter bei den Landtags-Grünen, einen erfahrenen Abgeordneten als Keynote-Sprecher zur Seite zu stellen. Doch der ausgewiesene Verkehrsexperte Hofreiter galt und gilt wohl noch auch in Polizeikreisen als Mann vom Fach. Seine weitgehend frei vorgetragene Rede überzeugte vor allem dadurch, dass sie deutlich machte, wie weit Normalität zwischen Grünen und Polizei herrscht, wie weit der Konsens geht und wo er aufhört – etwa bei der Kennzeichnungspflicht für Beamte.
Große Akzeptanz für und zunehmende Gewalt gegen die Polizei durch Bevölkerung
Ein Eindruck, den auch Werner Feiler, Polizeivizepräsident in München, als erster Keynote-Sprecher vermittelt hatte. Dieser war natürlich auch auf angesprochene Einzelaspekte wie zur Vorratsdatenspeicherung eingegangen. Tatsache sei, „dass wir damit gute Erfolge erzielen“. Feiler verwies jedoch mehr auf die Problemlagen und auch die erfolgreiche Arbeit der bayerischen und besonders der Münchner Polizei. Seine Form der Hervorhebung grenzte sich wohltuend von der durch die in Bayern verantwortliche Politik Vermittelten wohltuend ab: mehr Präsenz auf den Straßen, Fortschritte bei der Beweismittelerhebung oder auch die sehr weit gehende und für die Beamten offensichtlich spürbare und wohltuende Zustimmung der Bevölkerung. Daneben steht aber auch die zunehmende Aggression aus der Bevölkerung heraus gegen Polizeibeamte und andere Sicherheits- und Rettungskräfte.
Eine Thematik, die dann auch nachmittags beim Thema „Einsätze beim Fußball – die Polizei spielt mit“ eine Rolle spielte. Dieser Workshop, voll besetzt wie die Fußballstadien, von denen die Rede war, machte schon deutlich, welchen Situationen die Beamten ausgesetzt sind. Es sind oft Hunderte von Gewaltbereiten, schilderte Feiler. Die Polizisten schauen in Gesichter „hassverzerrt“, sie hören Äußerungen, „die nicht tragbar sind“ – von Menschen aus der Mitte der Bevölkerung. Der Polizeichef schilderte die Vorbereitungsarbeit der Polizei mit ihren Informationsflüssen und wie die Polizei mit oft zu wenig Kräften auf gefährliche Zusammenballungen innerhalb zehntausender Menschen reagieren müsse und könne.
Neben Feiler auf dem Podium saßen VertreterInnen von Fanprojekten bzw. der Fanarbeit. Es entstand kein klarer Eindruck zum Beziehungsverhältnis zwischen Polizei und diesen Gruppen. Viel spricht für offenbar notwendige Bereinigung angesichts von Äußerungen über anzuzweifelnde Polizeiberichte, bei auch wissenschaftlich belegten Erklärungsversuchen, dass Menschen eben “dort hingingen, wo es hoch hergehen könne“, oder inwieweit die Gewaltbereitschaft der Fans bei größerem Polizeiaufgebot steige. Feilers Miene verdüsterte sich.
Weitere Themen: Hass im Netz – Frauen bei Polizei – Polizei am Limit
Die anderen Workshops befassten sich mit den Themen „“Hass im Netz – wie bewältigt die Polizei diese Herausforderung?“, „Frauen bei der Polizei – immer noch Zukunftsmusik?“ und „Polizei am Limit – was muss sich ändern?“ Dass Letzteres oft überschritten wird ist deutlich auch angesichts Hunderttausender von Überstunden, die vor sich her geschoben werden. Zu zunehmendem normalem Polizeieinsatz kommen Problemlagen wie Bandendiebstähle, mehr Einsätze bei Naturereignissen, die oft psychisch belastende Hilfe im Zusammenhang mit dem Komplex „Asyl und Flüchtlinge“, ganz abgesehen von Größteinsätzen wie beim Elmauer Gipfeltreffen.
Polizei und Grüne – ein ganz normales Verhältnis
Der Polizeikongress der Grünen zeigte eines. Das Verhältnis zwischen Polizei und Grünen ist völlig normal. Keinen anderen Eindruck gewinnt man beim Zuhören etwa im Innenausschuss des Landtags oder auch beim Nachlesen von Protokollen. Nur wenige, alltägliche Beispiele. Was ist gegen Einwände Katharine Schulzes vorzubringen, dass die Forderung nach einer Strafrahmenverschärfung nicht zur Analyse passe, dass meistens junge alkoholisierte Männer diese Straftaten begehen? Diesen sei der Strafrahmen kaum bekannt und zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst oder relativ egal. Eine abschreckende Wirkung sei mithin nicht zu erwarten. Das Ganze sei eine Frage der Prävention (zum Bericht des Innenmisters zum Thema „Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte“; 11. Mai 16). Im Bericht zur Kriminalstatistik Bayern 2015 (6. April 16) drückte Schulze ihren Dank für die gute Polizeiarbeit aus. Im Zusammenhang mit der SPD-Forderung, ehemaligen Feldjägern leichteren Zugang zum Polizeidienst zu verschaffen, befürwortete die Grüne solche Überlegungen zur Entlastung der Polizei. Bei der Begründung der Anträge von SPD und Grünen auf Durchführung einer Anhörung zum Verfassungsschutzgesetz der Staatsregierung (9. März 16) bezeichnete sie die vorgesehenen Regelungen als „nicht glücklich“ und liegt inhaltlich auf der Linie auch anderer Parteien und vielleicht am Ende auch von Verfassungsrichtern.
Das ist die Praxis in der Frage „Polizei und Grüne – geht das zusammen?“. Oppositioneller aber normaler und konstruktiver Umgang zu Polizeifragen im Parlament, kritisches aber normales und konstruktives Verhältnis zur Polizei selbst. Die Pressemitteilung der CSU zum Polizeikongress der Grünen ist ein Griff in die Klamottenkiste. Es klingt in ihr der alte Alleinvertretungsanspruch in Polizeiangelegenheiten durch, den die CSU längst nicht mehr hat. So wie er nicht mehr für die Kirche bis hin zur Bauernschaft gilt.