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Flächenfraß und Frauenmangel dürften Koalitionsgespräche begleiten

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Asyl“ und „Innere Sicherheit“ hätten eine Aufnahme von Koalitionsgesprächen verhindert, stellte Ministerpräsident Markus Söder fest. An der Ökologie hätte es nicht mal gelegen. Gleichzeitig widersprach Söder der Darstellung der Grünen, der CSU hätte es an Mut gefehlt; die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit den Freien Wählern wäre eine Entscheidung der Vernunft gewesen. Gleichzeitig führte er an, dass zur Entscheidung beigetragen habe, dass damit zwei Parteien in Bayern regieren würden, die nicht von Berlin aus gesteuert würden. Die Grünen hatten festgestellt, der CSU habe es an Mut gefehlt, „das Beste aus beiden Welten“ zusammenzubringen.

Das klingt schon etwas anders als eine von Hubert Aiwangers Zielvorstellungen: Der Freie-Wähler-Chef hatte am Montag in einer Pressekonferenz gemeint: „Wir wollen keine Schenkelklopf-Politik“. Real jedoch dürfte es vorerst in den heute aufgenommenen Koalitionsgesprächen zwischen CSU und Freien Wählern um Kitas, Asyl, 3. Startbahn oder auch Flächensparen gehen. Letztere beiden Themen betreffen den Bereich, den Söder in einem Zusammengehen mit den Grünen offenbar für lösbar hielt. Und es gibt in beiden Bereichen eine wichtige neue Entwicklung.

Damalige Einwände des Verfassungsgerichtshofs zum Volksbegehren Flächensparen

Das maßgeblich von den Grünen initiierte Volksbegehren forderte im wesentlichen eine gesetzliche Begrenzung des täglichen Flächenverbrauchs auf 5 ha pro Tag (z.Zt. 9,8 ha). Dies stieß insbesondere auf Widerstand bei der CSU und scheiterte im Juli letztlich vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Dieser monierte, dass im zugehörigen Gesetzentwurf die „erforderlichen Vorgaben fehlten, nach denen die Staatsregierung als Verordnungsgeber des Landesentwicklungsprogramms die Aufteilung des zulässigen Flächenverbrauchs auf die einzelnen Planungsträger vorzunehmen hätte“. Es fehlte aus Sicht des Gerichts an konkreten Vorgaben für die Umsetzung einer Obergrenze beim Flächenverbrauch, wodurch die kommunale Planungshoheit in unzulässiger Weise eingeschränkt würde.

Flächensparen/Neues Papier geht auf Einwände der Verfassungsrichter ein

Genau darauf wollte eine Gruppe von Kommunalpolitikern, Landesplanern und Juristen eingehen. Das Ergebnis lag auch den an Sondierungsgesprächen beteiligten Fraktionen vor und soll von den Verfassern demnächst der Presse vorgestellt werden. Auch dieses Papier geht von der Notwendigkeit einer verbindlichen Obergrenze aus, und zwar auf 5 ha/Tag für ein Mehr an Siedlungs- und Verkehrsfläche. Und dies verbindlich festgeschrieben im Landesplanungsgesetz. Parallel dazu wird die Aufnahme eines Flächenspargebots in die Verfassung vorgeschlagen. Den Vorgaben der Verfassungsrichter kommen die Verfasser u.a. mit dem Vorschlag nach, die Aufteilung verfügbarer landesweiter Flächen wie beim kommunalen Finanzausgleich nach bestimmten Faktoren zu gewichten, was Landtag und Staatsregierung Steuerungsmöglichkeiten einräumt. Mögliche schrittweise Umsetzung, der Umgang mit Härtefällen und Gegenrechnen von Entsiegelungen sind weitere Elemente des Vorschlags. In ihm werden ein kommunaler Anteil bis zu dem von Bundesprojekten auf der Basis des durchschnittlichen Bedarfs der letzten 5 Jahre genannt und eine mögliche Verteilung nach Bevölkerung aufgezeigt.

Man wird sehen ob und wie CSU und Freie Wähler darauf eingehen. Die Freien Wähler – wie übrigens auch die SPD – hielten bislang das Volksbegehren für den falschen Weg. Sie hatten gefordert, die Reduktion des Flächenverbrauchs politisch konkreter anzugehen und Planungshoheit und Selbstverwaltungsrecht der Kommunen zu wahren (PM vom 17.7.18). Wie dem auch sei, der politische Druck wird nach der öffentlichen Behandlung des Papiers größer werden.

Lufthansa hat kein aktuelles Interesse an 3. Startbahn in München

Das gilt auch für die von der CSU zuletzt wieder stark geforderte dritte Startbahn am Münchner Flughafen. Dazu ist etwas untergegangen eine kürzliche Stellungnahme der Lufthansa, wonach eine dritte Startbahn in München für sie bis zum Ende der nächsten Dekade nicht von Bedeutung ist. Mit dieser Einschätzung des für die FMG wichtigsten Partners sind den Befürwortern wichtige Argumente erst mal aus der Hand genommen worden. Dies kann natürlich dazu führen, dass man seitens der neuen Staatsregierung die Angelegenheit erst mal vertagt in die nächste Legislatur. Andererseits könnten die Freien Wähler dies nutzen, ihre alte Forderung nach einem bayernweiten Flugverkehrskonzept weiterzutreiben.

CSU und Freien Wählern fehlen Frauen in der Politik

Der öffentliche Druck auf die sich abzeichnende neue Staatsregierung dürfte jedenfalls größer werden. Nun wird Söder ein hohes Maß an Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit gepaart mit der Fähigkeit anzupacken – bislang zur Förderung seiner Karriere und an einem Ziel angekommen möglicherweise im Allgemeininteresse. Da wo es an strategischer Ausrichtung mangelt, könnte Hubert Aiwanger eine ergänzende Rolle spielen. Denn wie der Chef der Freien Wähler, die Landtagsfraktion bis zur wahrscheinlichen Regierungsbeteiligung herangeführt hat, ist beachtenswert. Aber an einem kommen beide nicht vorbei. Die bevorstehende Diskussion über die Besetzung des neuen Kabinetts wird ziemlich wuchtig auf den geringen Frauenanteil gerade in CSU und FW hinweisen. Das gilt, abgesehen von Grünen und Linken, auch für andere, aber CSU und Freie Wähler könnte eine einsetzende öffentliche Debatte treffen. Wenn es zu mehr Engagement und Möglichkeiten für Frauen in der Politik führt, dann wäre es gut.

Balance zwischen Eigenständigkeit und Isolierung

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch ein heute in der Süddeutschen veröffentlichter Gastbeitrag vom CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel in dem dieser auch Konsequenzen fordert: „inhaltlich, strategisch und personell“. Die CSU, so Waigel, habe auf „die falschen Themen gesetzt und wichtige Wählergruppen vor den Kopf gestoßen“. Sie müsse sich für den Umweltschutz, die Jugend und die Heimat in einer globalisierten Welt einsetzen – von mehr Frauen in der Politik war jedoch auch bei Waigel nicht die Rede. Ausführlich setzt sich der Altvordere der Partei jedoch mit Spaltungsprozessen (und seiner Rolle dabei) der CSU wie beim „Kreuther Beschluss“ oder notwendigen Vermittlungen zwischen Helmut Kohl und Franz Josef Strauß auseinander. Zu Letzterem hebt er auch hervor dessen proeuropäische Strategie und stellt daneben die nicht aufgegangene Doppelstrategie der CSU bei den letzten Europawahlen. Der warnende Ton Waigels ist unüberhörbar. – Und daneben steht, dass Söder offenbar die Gefahr verkennt, dass eine „nicht von Berlin gesteuerte“ bayerische Staatsregierung auch zur weiteren Isolation Bayerns führen kann.

Freundlicher und/oder fragwürdiger Umgang mit der AfD

Aufhorchen lässt auch der Umgang mit der AfD. Als Hubert Aiwanger zu Beginn der Woche über den Umgang mit den neuen Kollegen im Landtag sprach, konnte man dies durchaus als den Versuch werten, einigermaßen normale parlamentarische Gepflogenheiten pflegen zu wollen. Daneben ist zu beobachten, dass der AfD-Fraktion möglicherweise ein Spaltungsprozess bevorsteht bis hin zu Fraktionsausschlüssen oder -wechseln. Wie sich das entwickelt, ist auch einiger Beachtung wert. Insbesondere wenn man hört, dass CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt jetzt bei Maybrit Illner die AfD zum bürgerlichen Lager zählte.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

19. Oktober 2018 um 09:39h