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Vorschau: Heute im Landtag (Donnerstag, 4. Juli)

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Es spricht durchaus für eine neue Qualität der Oppositionsarbeit der Grünen im Bayerischen Landtag, wenn sie zu einem von ihnen vorzuschlagenden Thema einer Aktuellen Stunde im Landtag wenige Tage vorher noch eine Umfrage in Auftrag geben. Mit dem Ergebnis wird der in der Debatte erhobene Anspruch untermauert und die Diskussion um – in diesem Falle – die CO2-Bepreisung um wichtige Fakten bereichert. Näheres siehe unten. Anschließend legt die Staatsregierung nach einem Rüffel der Bundesverfassungsrichter einen neuen Gesetzentwurf zur automatisierten Kennzeichenerfassung vor. Danach berät die Vollversammlung abschließend über Gesetzentwürfe zur Ermöglichung von Leinentuchbestattungen. SPD und Grüne werden für dieses Mal ihre Anliegen kaum durchbringen, doch es zeigte sich in der Ausschussdebatte, dass wohl auch in Bayern bald das Ende der Sargpflicht eingeläutet werden wird. Am Schluss der Sitzung werden die Dringlichkeitsanträge aufgerufen.

Grüne: „CO2-Bepreisung mit fairem Geld-zurück-System einführen.“

Runter mit den Treibhausgasen – CO2-Bepreisung mit fairem Geld-zurück-System einführen.“ So lautet auf Vorschlag der Landtags-Grünen der Titel der Aktuellen Stunde zu Beginn des Donnerstags-Plenums im Bayerischen Landtag. „Vier Rekordhitzejahre in Folge und jetzt der weltweit heißeste Juni zeigen: Die Erdüberhitzung findet statt und wir müssen sie endlich wirksam bekämpfen“, so Fraktionschef Ludwig Hartmann. In vielen europäischen Ländern habe sich eine CO2-Bepreisung als wirksames Instrument herausgestellt, den Ausstoß dieses für die Erdüberhitzung verantwortlichen Treibhausgases zu reduzieren. „Wir können nicht bis zum St.-Nimmerleins-Tag auf internationale Lösungen oder einen funktionierenden Zertifikatehandel warten“, betont Ludwig Hartmann, „wir müssen als große Industrienation Deutschland und einer der zehn größten CO2-Emittenten jetzt erst einmal alles tun, was in unserer Macht steht, um den CO2-Ausstoß zu senken.“ Für eine von den Bundestags-Grünen vergangene Woche vorgeschlagene und auch von den Landtags-Grünen in die Debatte eingebrachte CO2-Bepreisung bei gleichzeitiger Energiekostenentlastung können sich die BayerInnen mehrheitlich erwärmen. Das zeige eine aktuelle Civey-Umfrage. Während sich ohne Energiekostenentlastung nur 44,3 Prozent der Bevölkerung für, 45,5 Prozent aber gegen eine CO2-Bepreisung aussprechen, steigt mit der Energiekostenentlastung der Zuspruch auf 53,6 Prozent (37,2 Prozent dagegen). Neben der CO2-Bepreisung fordern die Landtags-Grünen auch eine Neuausrichtung der bayerischen Wirtschaftsförderung. Nach Vorbild der Schweizer „Energieagentur der Wirtschaft“ soll eine staatliche Einrichtung gemeinsam mit den bayerischen Unternehmen deren individuellen CO2-Ausstoß erfassen und Maßnahmen sowie Zielvorgaben für dessen Senkung ausarbeiten. „Wer diese Zielvorgaben erfüllt, wird über eine Förderung belohnt, wer sie übererfüllt, kann zusätzliche Boni erhalten“, erklärt Hartmann. Ein solcher CO2-Check für die Unternehmen stoße bei den BayerInnen laut Umfrage ebenfalls auf breite Zustimmung.

Neuregelungen beim Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme

In der Ersten Lesung des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung der Bestimmungen zu automatisierten Kennzeichenerkennungssystemen (AKE-Änderungsgesetz) Drs. 18/2645 dürfte es wieder zu einer Grundsatzdebatte über die Kennzeichenerkennung kommen. Der Streit darüber hat ja letztlich dazu geführt, dass Teile der bayerischen Praxis vom Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung vom 18. Dezember 2018 kassiert wurden und eine Neuregelung bis Ende dieses Jahres erfolgen muss. Die jetzt vorgelegte Lösung sieht eine Reihe von Ergänzungen und Änderungen vor.Z.B. Änderungen der notwendigen Voraussetzungen für den Einsatz automatisierter Kennzeichenerkennungssysteme nach den Vorgaben des BverfG, benso eine geforderte klare Darstellung der Dokumentationspflichten im Gesetz sowie verstärkte Anforderungen an die Zweckbindung und weitere Verarbeitung personenbezogener Daten.

SPD und Grüne für mögliche Leinentuchbestattung – CSU will an Sargpflicht nicht rütteln

Es folgen Zweite Lesungen zur Änderung des Bestattungsgesetzes. Die Gesetzentwürfe von SPD (Drs. 18/1039, 18/2735 (A)) und Grünen (Drs. 18/1504, 18/2736 (A)) sahen vor, eine Bestattung im Leinentuch zu ermöglichen, was bisher an der bestehenden Sargpflicht scheitert. Der etwas weitergehende Entwurf sieht außerdem die Zurverfügungstellung von Waschräumen vor. Beide Entwürfe waren in den Ausschüssen von CSU und AfD abgelehnt worden, der Entwurf der Grünen auch von den Freien Wählern. Danach werden aufgerufen der Antrag der Staatsregierung. Entlastung der Staatsregierung aufgrund der Haushaltsrechnung des Freistaates Bayern für das Haushaltsjahr 2017 Drs. 18/6, 18/2525 (G) – Gegenstimmen der Oppositionsfraktionen in Ausschüssen -sowie der Antrag des Bayerischen Obersten Rechnungshofes
auf Entlastung aufgrund des Beitrags zur Haushaltsrechnung 2017 für den Einzelplan 11
Drs. 18/415, 18/2526 (E) – einstimmig angenommen in Ausschüssen. Es folgt die Abstimmung über Verfassungsstreitigkeiten und über Anträge, die nicht einzeln beraten werden.

Freie Wähler fordern mehr Anreize für Wasserstofftechnologien

Als letzter Tagesordnungspunkt werden die zum Plenum eingereichten Dringlichkeitsanträge aufgerufen. Zu den Themen der jeweiligen Anträge können die anderen Fraktionen noch eigne Dringlichkeitsanträge nachreichen. Es beginnen die Freien Wähler mit einem Dringlichkeitsantrag für eine nationale Wasserstoffstrategie. Unter „Energiewende und Klimaschutz: Mehr Anreize für Wasserstofftechnologien“ (Drs. 2840) wird die Staatsregierung aufgefordert, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass Wasserstofftechnologien stärker gefördert werden, um bei Energiewende und Klimaschutz schnellere Fortschritte zu erzielen. Dazu erklärte vorab Rainer Ludwig, energiepolitischer Fraktionssprecher der Freien Wähler u.a.: „Energiewende und besserer Klimaschutz sind mit einer Technologie allein nicht zu bewerkstelligen. Wir Freie Wähler setzen neben Photovoltaik, Windkraft, Geothermie und E-Mobilität auf eine weitere Säule: Wasserstoff! Mit dieser Technologie lassen sich die zentralen Energiebereiche Strom, Verkehr und Wärme miteinander verzahnen und so neue Impulse zur Bewältigung der Energiewende in Deutschland setzen. Wer seine Abhängigkeit von fossilen Energieträgern wie Gas, Kohle und Erdöl deutlich verringern möchte, kommt an der Wasserstofftechnologie nicht vorbei – bietet sie doch unter anderem die Möglichkeit, Energie zu speichern und damit auch unsere Stromnetze zu entlasten.“

AfD: deutschlandweit einheitliche, zweckgebundene Maut – und zwar EU-konform

Der Dringlichkeitsantrag (2841) der AfD will „Nutzer an den Straßenkosten beteiligen – EU-konforme Maut jetzt einführen“, was heißt, die Staatsregierung solle sich auf Bundesebene dafür einsetzen, eine deutschlandweit einheitliche, zweckgebundene Vignetten-Maut für Benutzer von Autobahnen und Bundesstraßen einzuführen. Denn die deutschen Autobahnen und Bundesstraßen spielten eine zentrale Rolle im gesamteuropäischen Personen- und Güterverkehr. Um den Ausbau und die Instandhaltung dieser Strecken zu finanzieren, solle ab jetzt eine zweckgebundene Abgabe in Form einer Vignetten-Maut auf die Benutzung der Autobahnen und Bundesstraßen erhoben werden. Eine Kompensation für den deutschen Autofahrer könne auch EU-konform erfolgen.

SPD will „dramatischem Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen entgegenwirken“

Das von der SPD gewählte Thematik, nämlich die Situation von und um Lehrkräfte(n) hat vor den Sommerferien irgendwie schon Traditionscharakter. „Keine Entlassung von Lehrkräften vor den Sommerferien – Dramatischem Lehrermangel an Grund- und Mittelschulen entgegenwirken – Attraktivität des Lehramtes deutlich erhöhen“ (2842). Die SPD fordert hierzu von der Staatsregierung alle erforderlichen Maßnahmen, um dem entgegenzuwirken und so die Unterrichtsversorgung im nächsten Schuljahr sicherzustellen. Es dürfe zu keiner Reduzierung des Stundenplans kommen. Zu den notwendigen Maßnahmen zählt die SPD neben dem dauerhaften Stopp der Praxis, vor den Sommerferien angestellte Lehrkräfte zu entlassen, um sie nach den Sommerferien wiedereinzustellen, eine umgehende Umwandlung befristeter in unbefristete Arbeitsverträge. Weitere Forderungen: schrittweise Anhebung des Eingangsamtes A 12 nach A 13;Sofort- und Notmaßnahmen wie die Einführung eines Ein-Fach-Lehrers, die Übernahme der Lotsenfunktion von Gymnasiallehrkräften beim Übertritt oder das Aussetzen von Schulentwicklungsprozessen dürfen für maximal zwei Jahre möglich sein. Und unverzüglich sei dem Landtag unverzüglich ein detaillierter Bericht über die aktuelle Situation und über die von der Staatsregierung geplanten Maßnahmen zu geben. Die öffentliche Berichterstattung aus einem internen Papier der Staatsregierung lasse keinen Zweifel mehr zu: Auch in Bayern herrsche an den Grund- und Mittelschulen ein dramatischer Lehrermangel bereits ab dem Schulstart im September. Das Bildungsprogramm und der dazu gehörige Stundenplan drohten nicht mehr aufrecht erhalten werden zu können.

FDP fordert „Qualität und Kapazitäten des ÖPNV ausbauen“

Die FDP fordert „Qualität und Kapazitäten des ÖPNV ausbauen – Planungen zur Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets zurückstellen“ (2843). Für die Einführung dieses Jahrestickets müssten zuallererst mal die hierfür notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden. Ferner solle die Staatsregierung die Empfehlungen aus der Expertenanhörung (26. Juni 2019) zur Evaluierung von Defiziten und Verbesserungsvorschlägen konsequent verfolgen. Und zwar mit der Einführung einer einheitlichen und digitalen Tarifstrategie, der Erhöhung der Angebotsqualität und Reduzierung verkehrlicher Widerstände, der Ausweitung vorhandener Verkehrsverbünde, der Optimierung digitaler Techniken, der Förderung nachfrageorientierter Verkehre und deren Vernetzung sowie der Erweiterung der Wegekostenfreiheit bis zum Ende der ersten Berufs- bzw. Hochschulausbildung. In der Antragsbegründung erinnern die Liberalen daran, dass sich die Experten bei der Anhörung „einheitlich und vehement“ gegn die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets in den großen Verkehrsverbünden Bayerns ausgesprochen hätten. Den Experten zufolge spiele der Kostenfaktor bei der Wahl des Fortbewegungsmittels eine untergeordnete Rolle. Determinanten wie Reisezeit, Angebotsqualität und Komfort seien von höherer Gewichtung.

CSU: Bund soll Wohnraumförderung verstetigen und nicht kürzen

Die CSU fordert die Staatsregierung auf, sich auf Bundesebene für eine Verstetigung der Bundesmittel für die Wohnraumförderung mindestens auf dem Niveau von 2019 einzusetzen (2844). Die vom Bundesministerium der Finanzen vorgesehene Kürzung im Bundeshaushalt für 2020 um 33 Prozent sei nicht akzeptabel. Die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum würde so unnötig erschwert. In der Begründung weist die CSU auf eine dauerhafte bayerische Wohnraumförderung „auf höchstem Niveau“ hin, während im neuen Haushaltsentwurf des Bundes eine Kürzung der Wohnraumfördermittel um 33 Prozent vorgesehen sei. Das von der CSU gezogene Fazit: „Der klare und gute Weg der Staatsregierung bei der Schaffung von ausreichendem und bezahlbarem Wohnraum muss auch von Seiten des Bundes weiter angemessen unterstützt werden.“

Grüne: Anker-Zentren bayernweit auflösen

Mit dem Dringlichkeitsantrag (2845) der Grünen. „Was in Schwaben gut ist, passt auch für den Rest Bayerns – ANKER-Einrichtungen auflösen“ wird Staatsregierung aufgefordert, die ANKER-Einrichtungen in Bayern aufzulösen und zu einer humanen Flüchtlingspolitik zurückzukehren. Stattdessen sollen AsylbewerberInnen in dezentralen Unterkünften untergebracht und große zentrale Gemeinschaftsunterkünfte vermieden werden, da diese viele Probleme verursachten, Integration erschwerten und auch den AnwohnerInnen weniger gut vermittelbar seien. Außerdem wollen die Grünen, dass Ehrenamtliche und Integrationslotsen in alle bayerischen Landkreise, in denen die AsylbewerberInnen untergebracht sind, flächendeckend eingebunden werden, und dass Kinder und Jugendliche die staatlichen Schulen außerhalb der Unterkünfte besuchen. In der Antrags-Begründung wird auf den Beschluss der Regierung von Schwaben (26. Juni) verwiesen, dass AsylbewerberInnen nach der Schließung der zentralen Unterbringungseinrichtung in Donauwörth Ende 2019 künftig auf kleine Flüchtlingsheime im ganzen Bezirk verteilt werden sollen. Die ANKER-Einrichtungen in ihrer Konzeption als Massenunterkünfte und in der Kombination von Erstaufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft und Abschiebezentrum hätten sich nicht bewährt. Das eigentliche Ziel, nämlich beschleunigte Verfahren und kürzerer Aufenthalt, werde nicht erreicht. Zudem würden dezentrale Unterkünfte von den Bewohnerinnen und Bewohnern inner- und außerhalb der Unterkünfte akzeptiert. Die Entscheidung gegen eine zentrale ANKER-Einrichtung in Schwaben, so die Grünen, muss Blaupause für alle bayerischen Regierungsbezirke sein.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

04. Juli 2019 um 08:23h

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