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Brunner zeigt Landwirtschaftsverwaltung Weg in die Zukunft

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Die bayerische Landwirtschaftsverwaltung wird auf neue Füße gestellt. Die hierfür eingeplanten Maßnahmen sind eingebettet in den am Dienstag vom Kabinett beschlossenen „Bayernplan 2020“ zur Stärkung der bäuerlichen Familienbetriebe im Freistaat (MAX v. 8. Dez.). Dieses Änderungskonzept stehe im wesentlichen, so Agrarminister Helmut Brunner am Mittwoch vor dem Fachausschuss des Landtags. Bei den Landwirtschaftsämtern soll deren Anzahl (47 Ämter, plus über 40 Dienststellen) in Bayern beibehalten werden, doch auf mittlere Sicht werden 280 Stellen eingespart. Erreicht werden soll „Mehr Bürgernähe und Stärkung der Ämter in der Fläche“. Brunners Vorstellung fand Anerkennung bei den Regierungsfraktionen und stieß auch auf Seiten der Opposition auf Zustimmung bei bestehenden Zweifeln und heftiger Kritik in Einzelfragen.

Brunners „klassisches Ressort“ hat seit 1993 die zwingende Vorgabe, ein Drittel aller Stellen einzusparen. Dies sind bis 2019 noch rund 850. Dem weit verbreiteten Vorwurf, gerade draußen bei den Landwirtschaftsämtern gebe es – wie es Maria Noichl (SPD) formulierte – „immer mehr Chefs und weniger Indianer“, begegnet der Minister mit Zahlen. Von den 280 vorgesehenen Streichungen zählen 125 zum höheren Dienst, 45 zum gehobenen und 110 zum mittleren Dienst. Wie die eingesparten Stellen mit den angekündigten Entlastungen der Mitarbeiter bei dem beschriebenen Aufgabengebiet der Ämter unter einen Hut zu bringen seien – diese von Noichl aufgebrachte Frage schwang die ganze Zeit über dem Ausschuss. Letztlich werden dies Zeit und Praxis zeigen.

Vorschläge der Zukunftskommission Landwirtschaft umgesetzt

Zu den Fakten: Die Landwirtschaft in Bayern macht runde 100 Milliarden Umsatz im Jahr, 700000 Arbeitsplätze sind ihr zuzuweisen. Sie ist stark exportorientiert. Ihre staatliche Verwaltung wird nebenbei bemerkt wohl das Ressort sein, das im neuen Doppelhaushalt wenn überhaupt mit den geringsten Steigerungen rechnen kann. Doch wichtige Weichenstellungen sind notwendig. In Ökonomie, Ökologie und bei der Öffentlichen Akzeptanz. So müssen, so betont Brunner, alle Transferleistungen letztlich auch von der Gesellschaft akzeptiert werden. Zum Erreichen der Ziele will Brunner mit dem „Bayernplan 2020“ eine neue Akzentuierung bei der Wettbewerbsfähigkeit, der Ernährung und bei „Forschung, Klima, Innovation“ setzen. Dazu soll die Landwirtschaftsverwaltung beitragen. Wie beim Bayernplan 2020 insgesamt fußt Vieles auf den Vorschlägen einer von Bayern eingesetzten und vom ehemaligen EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler geleiteten Zukunftskommission Landwirtschaft, die im Frühsommer vorgestellt worden waren.

Alle Landwirtschaftsämter bieten weiterhin Dienstleistungen an bei der Bildung (incl. Ernährung), Beratung zu Gemeinwohlfragen, Förderberatung und -vollzug sowie Vollzug von Hoheitsaufgaben. Sie werden genauso flächendeckend mit einer Abteilung „Bildung und Beratung“ ausgestattet und bieten in ihrem Dienstgebiet Beratungen zu Fragen der nachhaltigen Landbewirtschaftung (Klima- und Ressourcenschutz, Boden- und Gewässerschutz, Biodiversität, Tierschutz) und Unternehmensentwicklung sowie zu Haushaltsleistungen landwirtschaftlicher Betriebe an. An jedem Amt wird die Ernährungsbildung ausgebaut. Zusätzlich erhält jedes Amt mindestens ein spezifisches, überregional tätiges und koordinierendes Fachzentrum wie Rinderhaltung, Pflanzenbau, Ernährung oder Einkommensalternativen. Sie sorgen auch für den Wissenstransfer aus Hochschulen und Landesanstalten in die Region und organisieren Fachtagungen und Pilotversuche. Die Zentren stehen Landwirten und nichtstaatlichen Organisationen zur Verfügung und unterstützen die Bildungsarbeit der übrigen Länder.

Öffnet externe „produktionstechnische Beratung“ der Industrie die Tür?

Neben Aufgabenerhalt und -erweiterung stehen allerdings auch die Abgabe von Aufgaben und die Optimierung von Verwaltungsabläufen. Das wird spannend zu beobachten sein, in welcher Form die vorgesehene „produktionstechnische Beratung“ der Betriebe durch Private erfolgen soll und wird. Fängt das – wie Brunner ausführt – damit an oder hört es damit auf, dass sich ein fränkischer Landwirt für 500 Euro von einem Spezialinstitut in Leipzig beraten lässt, um letztlich 1000 Euro Gewinn hereinzufahren. Oder kauft die bayerische Landwirtschaft „Beratung“ künftig direkt bei Monsanto oder BASF ein, wie Noichl einwirft. Denn es leuchtet ein, dass dabei die Suche nach besten Einzellösungen hinter der Beratung in großen Margen oder dem Gewinn in großem Stil anstehen dürfte. Bei allem Verständnis, dass nicht jede betriebliche Beratung vom Staat unentgeltlich angeboten werden könne, für die Landwirtschaftssprecherin der SPD hat die Unabhängigkeit einer Beratung größeres Gewicht. Inwieweit sich hier externe und eine weiterhin bestehende flächendeckende Beratung durch die Ämter austarieren, wird man sehen und gegebenenfalls korrigieren können – wenn man will.

Summa summarum ist Brunners Ziel, mit den Fachzentren einerseits die Professionalität zu steigern und andererseits frei werdende personelle Ressourcen für die Bereiche Bildung, Ernährung, Klima- und Ressourcenschutz, Nachwachsende Rohstoffe und andere Einkommensalternativen zu nutzen, sowie die Stärkung der Marktkompetenz wie es das Konzept jedenfalls verspricht.

Neue Lerninhalte in Land- und Hauswirtschaftsschulen

Dass dem Bereich „Bildung“ im Konzept eine tragende Rolle zukommt, lenkt den Blick auf die Land- und Hauswirtschaftsschulen. Die ersteren sollen zwar für den Bauern in erreichbarer Entfernung bleiben aber ein Erhalt gilt nur für Standorte, die jedes Jahr ein Semester eröffnen. Im Unterricht finden unternehmensrelevante und persönlichkeitsbildende Lerninhalte ein größeres Gewicht. In den Hauswirtschaftsschulen wird mehr Rücksicht genommen auf die demographische Entwicklung mit einer dadurch geforderten Zunahme personenbezogener Dienstleistungen und von Einsätzen in Großhaushalten, Kinder- und Senioreneinrichtungen. Was besticht, ist die geradlinige künftige Struktur der Ämter. Geführt werden die Behördenleiter direkt durch das Ministerium, womit die zweistufige Führung konsequent verwirklicht werden soll. Von großer landesplanerischer Bedeutung ist die beabsichtigte Zusammenarbeit zwischen den Ämtern und den Regierungen. Dazu gehören regelmäßige Dienstbesprechungen zwischen den Behördenspitzen und die Einrichtung einer Koordinationsstelle am Regierungssitz. Letztere sind dann auch zuständig für die Erledigung von Stellungnahmen zu überregionalen Planungen. Wobei Brunner bei diesem Konstrukt ausdrücklich auch die Zuständig- und Verantwortlichkeiten der Fachzentren über die Regierungsgrenzen hinaus betont. Mit der Umsetzung des Konzepts wird im nächsten Jahr begonnen. Abschluss bis Ende 2012.

Opposition nennt Schwachpunkte – CSU lobt „Minister des Jahres“

Natürlich gab es aus dem Agrarausschuss heraus Einwände und Fragen oder Irritationen wie die mögliche Zuständigkeit einer mittelfränkischen Dienststelle für den Bergwald. Noichl zweifelte an der Ernsthaftigkeit der von Brunner behaupteten Einbindung der unteren Verwaltungsebenen oder der Verbände und Organisationen. „Gefragt hat man – aber berücksichtigt? Da habe sich vermutlich wieder viel Frust bei den Befragten aufgebaut. Unterm Strich, so Noichl, gehe es im Konzept um Kürzungen, Rückzug aus der Fläche und die Durchführung eines Sparkonzepts ohne Verbesserung oder Weiterentwicklung.

Adi Sprinkart von den Grünen brachte eine Reihe von Sacheinwänden insbesondere zu künftig notwendigen Rundreisen von ratsuchenden Bauern durch die Ämter vor. Brunner konnte dem nur einen bestehenden Erfahrungswert entgegenhalten, wonach ein Landwirt lediglich ein- bis zweimal im Jahr ein Landwirtschaftsamt aufsuche. Thomas Dechant (FDP) befürchtet eine Schwächung durch Personalabbau im Fachzentren-Bereich aber ansonsten sei Konzept „sinnvoll gemacht“.. Für Ulrike Müller von den Freien Wählern blieb vor allem die Frage offen, wie der Wissenstransfer von den Hochschulen zu den Landwirten bewerkstelligt werden könne. Ausschussvorsitzender Albert Füracker (CSU) lobte „die Intensität, in die er sich hineinsteigert“. Und abschließend: „Wir haben den Minister des Jahres.“

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

10. Dezember 2010 um 14:33h