MAX-Online

Landtag, Kommunen, Regierung, Organisationen

FDP-Halbzeitbilanz: Verschlungene Wege des kleineren Koalitionspartners

kommentieren

Wer kennt Thomas Hacker? Vermutlich wird der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bayerischen Landtag bei der Frage nach entsprechenden Umfragewerten den Kopf noch ein Stück mehr einziehen als seine Kollegen in den anderen Fraktionen. Denn der bedächtige und nach Selbstbeschreibung unerschütterlich zuversichtliche Oberfranke hat es im Vergleich ungemein schwerer, sich als politischer Macher zu verkaufen. Seine Rolle ist im Gegenteil eher darauf ausgelegt, nicht allzu sehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu geraten. Er spielt nämlich eine Art Mittlerrolle zwischen seiner Fraktion, den FDP-Landesministern und der von Berlin aus arbeitenden Landesvorsitzenden, der Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Gestern jedoch geriet Hacker ins Rampenlicht. Er wollte/musste – acht Tage nach Georg Schmid von der CSU – in einer Halbzeitbilanz der vergangenen Legislaturperiode die Politik seiner Fraktion verkaufen. Hinzu kam, dass der Termin mit den Wirrnissen um die Bundespartei und ihrem Vorsitzenden Guido Westerwelle zusammenfiel.

Zu beiden ging Hacker gestern auf Distanz. Dies natürlich in Einklang mit Leutheusser-Schnarrenberger, die schon früh zur Kritik am Bundesvorsitzenden beigetragen hatte. Aber der Landtagsfraktionschef der Liberalen konnte auch darauf verweisen, dass seine Fraktion sich schon früh vom Trend der Bundespartei gelöst habe. Nämlich indem man sich in Bayern nicht auf wenige Themen habe einengen lassen, sondern auf Vielfalt gesetzt habe. Dies ist zum Teil – Stichwort Asylpolitik – richtig, übersieht aber, dass zur Vielfalt hausgemachte bayerische Probleme beigetragen hatten.

Nichtraucherschutzgesetz oder LB-Untersuchungsausschuss – FDP im Fokus

So konnte weniger was das Ergebnis selbst aber was die Öffentlichkeitswirksamkeit angeht der Rechtspolitiker Dr. Andreas Fischer in der Debatte um das Rauchverbot für seine Fraktion durchaus auch rhetorisch glänzen. Noch besser erging es dem Haushaltspolitiker Karsten Klein in seiner Rolle als Mitglied im Landesbank-Untersuchungsausschuss. Besser konnte man die Aufgabe zwischen dem Zünglein an der Waage und der begründeten Durchsetzung kaum ausfüllen. Auch dass Klein und die FDP-geführten Ministerien in den Haushaltsverhandlungen hinsichtlich ihrer Durchsetzungsfähigkeit innerhalb der Koalition kein schlechtes Bild abgaben, ist nicht zu übersehen.

Keiner glaubte, dass Asylpolitik zum Big Point für die FDP werden könnte

Einen wirklichen Punkt – auch weil man ihn so nicht erwartet hatte – setzte jedoch die Vorsitzende des Sozialausschusses, Brigitte Meyer. Ihre klare und auch im zähen Ringen um die Durchsetzung nicht erschütterte Haltung zu menschenwürdigen Verhältnissen in Asylunterkünften trug ihr ziemlichen Respekt ein. Es drängt sich allerdings bis heute das Gefühl auf, dass die Gesamtfraktion nicht wusste/weiß, wie man damit umzugehen habe. Erst gestern setzte Hacker diesen Big Point an den Anfang seiner FDP-Erfolgsbilanz

Dass die FDP in der öffentlichen parlamentarischen Auseinandersetzung solch klare Flagge setzt, ist eher selten. Sie geht andere Wege. Zu beobachten ist das an vielen Beispielen. So wurde die Auseinandersetzung um die Sperrzeitenregelung vorläufig aus der parlamentarischen Behandlung herausgenommen. Die CSU war ursprünglich für eine wie früher einheitliche Regelung, die FDP lehnte dies ab. Heraus kommt nach interner Debatte jetzt offenbar etwas, was der Gemeindetag als „faulen Kompromiss“ bezeichnet. Wenn, wie von der Staatsregierung laut Innenminister Joachim Herrmann geplant, jede Kommune selbst über seine Sperrzeit entscheiden könne, dann würden laut Gemeindetagschef Dr. Uwe Brandl, die Konflikte in die Kommune hinein getragen. Denn über den Gemeinderat würden über die jeweiligen Interessengruppen die Konflikte ausgetragen. Da sei der Rechtsfrieden berührt und die Angelegenheit somit keine Frage der kommunalen Selbstverwaltung sondern primär der öffentlichen Ordnung. Es macht die Sache nicht einfacher, dass jetzt Fischer von der FDP erklärt, dass auch Herrmann noch lernen müsse, „dass man Kompromisse nicht mit sich selber, sondern mit dem Koalitionspartner zu schließen hat“. Aus liberaler Sicht habe sich die bestehende Sperrzeitenregelung bewährt. Es gebe keinen Grund für eine Veränderung. Und – noch habe die FDP kein Angebot des Innenministers erreicht.

Parteitaktisches Vorgehen stößt Oppositionsfraktionen sauer auf

Ähnliche reine Parteitaktik befürchtet der wirtschaftspolitische Sprecher der Freien Wähler, Alexander Muthmann, beim Ladenschlussgesetz. Seine Fraktion lehnte einen Gesetzentwurf zur Durchführung von sogenannten Shopping-Abenden eingebracht. Die Freien Wähler wollten, dass die Kommunen nicht länger jeden einzelnen Shopping-Abend mit Begründung beantragen müssen, sondern einfach und unbürokratisch einige Abende selbst festsetzen können. Auch die FDP lehnte das ab, aber mit der Begründung, dass sie darüber hinaus weitreichendere Liberalisierungen im Ladenschluss durchsetzen wolle. Auch dies, so Fischer heute, gehöre in den Koalitionsuasschuss. Muthmann zeigt sich angesäuert angesichts dieser Spielchen.

Genau so erging es der SPD bei ihrem jüngst behandelten Gesetzentwurf zur Erweiterung des Petitionsrechts. FDP-Rechtspolitiker Fischer ließ Sympathie für die SPD-Absicht, eine breitere Öffentlichkeit bzw. deren Mitwirkung übers Internet bei Eingaben der Bürger zu ermöglichen, erkennen. Doch den Entwurf lehnte er ab mit der Begründung, die FDP habe Größeres vor. Gemeint ist die Umsetzung eines von der FDP-Fraktion am 24. Februar beschlossenen Positionspapiers. Mit diesem soll sich dank liberaler Politik die Zuschauerdemokratie zu einer Gesellschaft der Mitmachbürger entwickeln. Dies beispielsweise durch Bürgeranhörungen im Gesetzgebungsverfahren neben der üblichen Verbandsanhörung oder mit ganz neuen Wegen der Einbindung von Mediation. Im Papier ist viel von mehr notwendiger Transparenz die Rede. Beim Zustandekommen dieser selbst geht es in der FDP-Tagespolitik weniger offen zu.

Koalitionsvertrag „abgearbeitet“ – zweite Halbzeit unter neuen Vorzeichen

Im Ergebnis hat sich die FDP jedenfalls bei der Durchsetzung ihrer Interessen oder ihrer Politik besser geschlagen als oft dargestellt. Es ist halt nur nicht so rübergekommen beim Bürger, klagt Hacker und hofft zuversichtlich auf die zweite Hälfte der Legislatur. Diese steht „koalitionstechnisch“ unter neuem Stern, denn der bestehende und beide Fraktionen bindende und einengende Koalitionsvertrag ist nach beider Darstellung „abgearbeitet“.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

05. April 2011 um 12:31h

Abgelegt in Allgemein,Landespolitik

Schlagwörter: