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FDP stellt Unabhängigkeit des Medizinischen Dienstes in Frage

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Der Medizinische Dienst (MDK), der Kranken- und Pflegekassen berät und auch Gutachten durchführt, ist in die Schusslinie des FDP-Landtagsabgeordneten Dr. Otto Bertermann geraten. Der stv. Fraktionsvorsitzende und praktizierende Arzt fragt „Ist der MDK noch unabhängig?“. Hintergrund sind Berichte über Rückzahlungsforderungen der Krankenkassen, die auf entsprechenden Erhebungen des – von den Krankenkassen finanzierten – Medizinischen Dienstes basieren. So fordert die AOK Bayern für das Jahr 2010 runde 110 Millionen Euro von den bayerischen Krankenhäusern zurück. Dies sei, so teilt die Krankenkasse mit, der bislang höchste Betrag in der Reihe der seit Jahren ständig steigenden Rückzahlungsbeträge.

Zu Überprüfungen solcher Rechnungen sind die gesetzlichen Kassen gesetzlich verpflichtet, und, so Direktor Peter Krase (Ressort Leistungsmanagement AOK Bayern), „bei Auffälligkeiten findet eine vertiefte Prüfung statt“. Führt diese Beanstandung „nicht zu einer Minderung des Rechnungsbetrages – sprich, sie ist ungerechtfertigt -, muss die Krankenkasse eine Aufwandspauschale von 300 Euro an die Krankenhäuser zahlen. So wurde es in das Krankenhausfinanzierungsreformgesetz 2009 hineingeschrieben. Eine solche „Strafgebühr“ suche im Sozialrecht ihresgleichen, meint Krase, und fordert deren Abschaffung oder zumindest auch eine Pauschale von den Krankenhäusern im Falle falscher Abrechnungen. Die AOK verweist auch auf den Bundesrechnungshof. Dieser habe die an die Kassen zu erstattenden Beträge auf bundesweit 875 Millionen Euro geschätzt.

Rechnungsprüfungen binden Personal – das fehlt dann am Krankenbett

Bertermann hingegen stellt den dabei mitschwingenden Vorwurf, „dass die bayerischen Krankenkassen systematisch zu hohe Rechnungen stellen“, sehr in Frage. Nicht jede zweite Rechnung sei fehlerhaft, sondern lediglich vier Prozent der Rechnungen müssten korrigiert werden. Ausschlaggebender Grund sei fast immer die Verweildauer. Aber, so fragt Bertermann ganz unschuldig, könnten Kassen und MDK wirklich verantworten, eine achtzigjährige Patientin am Sonntag zu entlassen, obwohl gerade niemand im Hause sei, der sich um sie kümmere. Selbstverständlich sei er für eine sachgerechte Kontrolle im Gesundheitswesen. Doch man müsse auch hinterfragen, „ob es sinnvoll ist, wenn die ca. 300000 Prüfungen rund 265 Vollzeitkräfte mit 450000 Stunden im Jahr in Anspruch nehmen, die auf den Stationen dringend für die Pflege gebraucht werden“. Er frage sich immer öfter, ob Unabhängigkeit gewährleistet werden kann, wenn die Finanzierung der MDKs durch die Kassen direkt erfolge. Bekanntlich gelte: „Wer zahlt, schafft an!“

Gegen die Feststellung/das Gutachten des MDK bleibt den Krankenhäusern nur die Klage beim Sozialgericht. Diesen Gang hätten die Krankenhäusern bislang wegen des erheblichen Aufwandes gescheut. Dies soll sich nun ändern. Wie der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG, Zusammenschluss von 340 Krankenhäusern), Siegfried Hasenbein, letzte Woche ankündigte, werden sich die Krankenkassen künftig gegen ungerechtfertigte Korrekturen wehren. 1400 Klagen seien schon zu den Sozialgerichten unterwegs.

Laut Aufschlüsselung der BKG wurden von 28 Millionen stationären Rechnungsfällen zwischen 10 – 12 Prozent die Rechnungen vom MDK überprüft, und zwar nach einer gezielten Vorauswahl durch die Kassen. In 40 % dieser Fälle sei es zu Kürzungen gekommen. Schon rein rechnerisch sei der in den Raum gestellte Eindruck, jede zweite Rechnung wäre fehlerhaft, falsch. Es seien gerade mal 4 Prozent und aus Sicht der Krankenhäuser sogar meist aufgrund ungerechtfertigter Einwände.

Ausschlaggebender Grund für Beanstandungen fast meist die Verweildauer?

Dies führt zur durchaus umstrittenen Frage, mit welchen Begründungen gekürzt wird. Werden sie aus einem komplexen Abrechnungssystem herausgerechnet oder sind sie sachlich/fachlich begründet. Die BKG versucht das Letztere zu belegen und führt viele Einzelfälle an. Den schwer übergewichtigen Arthrosegeplagten mit hohem Blutdruck ohne pfegefähiges privates Umfeld, dessen Knie man denn doch besser nicht ambulant operiert, sondern lieber ein zwei Tage in der Klinik belässt. Oder darf nachträglich gekürzt werden, wenn ein Facharzt wegen befürchteter möglicher Komplikationen ein Kind ins nächste 40 km entfernte Krankenhaus schickt, statt selbst zum Skalpell zu greifen? Kommt hinzu, dass solche Rechnungen oft erst Monate danach geprüft werden, wenn die Beweislage oft schon verrutscht ist. Warum, so fragen die Krankenhäuser, kehre man nicht zu den früher bewährten Fallbesprechungen zwischen Krankenhausärzten und denen des MDK zurück. Heute würde ein solcher Kontakt zwischen den Kassen eher hintertrieben.

Sicher ist, dass es auch die Gerichte nach noch länger verstrichener Zeit nicht leicht haben werden. Doch möglicherweise lässt sich in einiger Zeit zumindest eine Tendenz in der Rechtsprechung ablesen. Die könnte dann möglicherweise auch in die angelaufenen Gespräche zur Pflegereform und des darin eingebundenen Medizinischen Dienstes einfließen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

04. August 2011 um 16:26h