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Verfassungsschutzbericht: der alte Vorwurf, Bayern sei auf dem rechten Auge blind

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Hervorstechend beim Verfassungsschutzbericht Bayern für das erste Halbjahr waren Erkenntnisse über eine zunehmende Radikalisierung über das Internet. Diese spiegelt sich laut Innenminister Joachim Herrmann „gerade im Islamismus und im islamistischen Terror besonders wider“. Der Minister führte als Beispiel die Selbstradikalisierung islamistischer Radikalisten an wie im Falle der Anfang März am Frankfurter Flughafen zwei getöteten und zwei schwer verletzten US-Soldaten durch einen islamistischen Einzeltäter. Dieser sei innerhalb von nur wenigen Wochen unter dem Einfluss des Internet zum Attentäter geworden. Als besonders empfänglich für solche Botschaften seien muslimische Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Konvertiten.

Herrmann wies jedoch auch auf andere Extremismusbereiche hin, in denen das Internet eine zunehmend wichtige Rolle spiele, wie das sich Organisieren rechtsextremistischer Kameradschaften über Informationsplattformen. Es entstünden kaum fassbare Strukturen für staatliche Gegenmaßnahmen. Der Innenminister forderte den „aufmerksamen Staatsbürger im Internet“, der sich auch in diesen Netzwerken „aktiv für unsere freiheitlich demokratische Grundordnung stark macht“. Dies forderte den Widerspruch der innenpolitischen Sprecherin der Grünen, Susanna Tausendfreund, heraus. Es gebe durchaus die Möglichkeit staatlicher Gegenmaßnahmen, wie die Aufforderung, bestimmte Inhalte zu löschen.

Ähnlich wie Tausendfreund bemängelte der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Florian Ritter, dass Herrmann seiner Aufgabe, „unvoreingenommen die verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu beobachten, nicht mehr gerecht“ werde. Gegen einzelne Gruppen würde ohne rechtlich haltbare Begründung der Vorwurf des Linksextremismus erhoben und andrerseits Selbstradikalisierungstendenzen bei rechtspopulistischen und islamfeindlichen Gruppen „konsequent von Herrmann ignoriert“. So wären von ihm, Ritter, früher dem Minister genannte – und auch von Tausendfreund gestern zitierte – Hasseinträge auf der Homepage von „Politicaly Incorrect“ kein Grund gewesen, da einmal genauer hinzuschauen. Im Zusammenhang mit dem „aufmerksamen Staatsbürger im Internet“ oder dem Aufruf Herrmanns an Muslime, auf Internetangeboten von islamistischen Extremisten Gegenpositionen zu „posten“, wies Ritter auf die durchaus bestehende Gefahr einer darauf folgenden persönlichen Bedrohung hin. Ganz davon abgesehen sei dem Innenminister auch zuzutrauen, dort Einträge hinterlassende Personen über einen Kamm zu scheren.

Der Verfassungsschutzbericht selbst weist allerdings sehr wohl konkrete Warnungen vor insbesondere gegen Muslime, den Islam oder die Religionsfreiheit gerichtete Aktivitäten im Internet auf. Auf entsprechenden Internetseiten würden Rechtsextreme jedoch auch andere Ziele verfolgen. Bestätigt wurden Äußerungen Herrmanns von vergangener Woche, dass der anti-islamische Attentäter Breivik in Norwegen nach Erkenntnissen hiesiger Verfassungsschützer keine Verbündeten in Deutschland hat.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

02. August 2011 um 07:47h