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„Licht und Schatten“ über dem Agrarland Bayern

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„Alles in allem ein gutes Zahlenwerk. Es kommt darauf an, was man daraus macht.“ Die Landwirtschaftsexpertin der SPD-Fraktion, Maria Noichl, beschränkte sich vorläufig auf einige Anmerkungen, denn was Agrarminister Helmut Brunner dem Fachausschuss des Landtags vorgelegt hatte, war eine alle zwei Jahre zusammengetragene Fleißarbeit über die bayerische Landwirtschaft und taugte noch nicht so recht zum Streit. Der wird noch kommen, denn zwar ist „Bayern wieder Nummer Eins“ mit einer Bruttowertschöpfung von rund 3,5 Milliarden Euro, doch die anzupackenden Probleme sind damit nicht vom Tisch. Der Spannungsbogen reicht von der Ernährungsberatung bis zur landwirtschaftlichen Ausbildung. Doch der Strukturwandel hat sich verlangsamt, die Einkommenssituation sich entspannt, und es gibt Indikatoren, „dass die Agrarberufe attraktiv sind wie selten zuvor“.

Im Vorjahr wurden 5400 junge Menschen in Bayern in einem Agrarberuf ausgebildet, 750 angehende Landwirte hatten ihre Ausbildung begonnen, so viele wie seit zehn Jahren nicht mehr. Sie erfahren eine fundierte, qualitativ hochwertige Aus- und später auch mögliche Fortbildung. Sie gilt als beste in Europa. Für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Landwirtschaft ist sie unentbehrlich, stellte Brunner fest. Doch die folgende Diskussion im Ausschuss zeigte auch damit verbundene Probleme und eine Art Richtungsstreit auf. Ist diese tiefgreifende Ausbildung für jeden Betriebsleiter unentbehrlich? Genügt dem kleinen Nebenerwerbslandwirt nicht ein solides Grundwissen. Soll man es nicht besser so machen wie die Österreicher. Die lassen die Landwirte weniger lang studieren. Dafür geht keiner von ihnen ohne eine anerkannte handwerkliche Ausbildung als Schlosser oder Metzger von der Landwirtschaftsschule ab, um gegebenenfalls auch an einem anderen Arbeitsplatz Fuß fassen zu können. Der Ausschuss und auch Brunner haben sich das alles schon mehrmals in der Alpenrepublik genau betrachtet. Der bayerische Agrarminister hält eine Überlegung dagegen, die wohl bei ihm zur Überzeugung geworden ist. Es könne hinsichtlich der Ausbildung nicht darauf ankommen, ob ein Landwirt zwei oder fünfzig Hektar bewirtschaftet. Letzten Endes kommt es, um mit Helmut Kohl zu sprechen, auch für den Verbraucher darauf an, was bei ihm auf dem Teller landet.

Brunner will Kompetenzzentrum für Ernährung aufbauen

Doch nicht nur diese grundsätzliche Frage zum Gewicht der landwirtschaftlichen Ausbildung wird den Ausschuss in den nächsten Jahren beschäftigen. Nach einer langen Diaspora ist der Bereich Ernährung wieder ins Landwirtschaftsministerium zurückgekehrt. Ob man da vor zwei Jahren vor einem Scherbenhaufen stand, ist gar nicht so sehr die Frage. Denn quer durch die Fraktionen ist man sich dessen bewusst, dass gerade die Ernährungsberatung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Bedarf besteht an Schulen oder für junge Familien. An sieben Landwirtschaftsämtern wurde ein Pilotprojekt „Junge Eltern/Familie“ gestartet. Für den Bereich Gemeinschaftsverpflegung – inzwischen verpflegen sich über ein Drittel der Bevölkerung außer Haus – wurde inzwischen ein eigenes Sachgebiet im Ministerium eingerichtet. Und um vorhandenes Wissen besser aufzubereiten, und Forschungsmittel zu akquirieren will Brunner ein „Kompetenzzentrum Ernährung“ aufbauen.

Doch wie will man das hierfür notwendige Mehr an Personal finanzieren? Einer einfachen Aufstockung steht schon entgegen, dass in der gesamten bayrischen Verwaltung bis 2019 zehn Prozent an Personal eingespart werden soll. Adi Sprinkart von den Grünen, hatte wie fast immer eine griffige Antwort parat: „Solange wir für die Züchtung der 20000-l-Milchkuh mehr Personal vorhalten als für die Ernährungsberatung, da brauchen wir uns nicht länger aufzuplustern.“ Ob Brunner explizit daran denkt, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall verwies er auf die laufende Umfrage in seinem Ressort, wo bis 15 November der Rücklauf zu Vorschlägen mit möglichen Personaleinsparungen erwartet wird. Ziel, so Brunner, seien auch neue Spielräume – auch für die Ernährungsberatung. Seine Politik will er nicht nur „am Festhalten wie es vor 15, 20 Jahren war“ ausrichten, sondern er versuche Zukunftsweisendes in die Wege zu leiten. Mit was er dann den Ausschuss konfrontiert wird spannend.

Doch zurück zum Agrarbericht 2010. Wo steht Bayern? Land- und Forstwirtschaft erzielen mit vor- und nachgelagerten Bereichen 137 Milliarden Euro Umsatz im Jahr, was etwa 15 Prozent aller Umsätze in Bayern entspricht. Jeder siebte Arbeitsplatz hängt mit der Agrar- und Forstwirtschaft zusammen. Der Anteil der Erwerbstätigen in der Land- und Forstwirtschaft allein stabilisiert sich anscheinend mit 190 000 auf 2,9 Prozent. Der Strukturwandel und damit auch das „Höfesterben“ hat sich verlangsamt. Zwischen 2007 und 2009 nahm die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe um 1,9 Prozent auf 113 000 ab. Damit liegt etwa jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb Deutschlands in Bayern. Brunner bezeichnete die Entwicklung als „erstaunlich“ gegenüber den Befürchtungen noch vor wenigen Jahren.

Ökologischer Landbau auf dem Vormarsch

Natürlich hat die Finanz- und Wirtschaftskrise auch die Landwirtschaft betroffen. Gegenüber dem Spitzenergebnis von 2008 ging der Export um 15,2 % auf 6,57 Mrd. Euro zurück. Der Exportüberschuss betrug 360 Mio. Euro. Exportschlager sind nach wie vor Käse und andere Milchprofdukte. Doch letztlich ist ein deutlicher Preisverfall festzustellen. Er betrug fast 13 Prozent. Einher ging dies mit einem Gewinnrückgang von 34 % auf 34100 Euro pro Haupterwerbsbetrieb (durchschnittliche Betriebsgröße 47 ha). Für das Wirtschaftsjahr 2009/2010 bremst sich der Rückgang nach Prognosen auf 9 % ab. Daneben gewinnen allerdings die „sonstigen Einkommen“ wie Direktvermarktung oder Urlaub auf dem Bauernhof an Bedeutung. Und, was nicht nur Sprinkart freute, die Betriebe des ökologischen Landbaus verzeichneten einen durchschnittlichen Gewinn von 41400 Euro, liegen damit um 7300 Euro über dem Durchschnitt. Mittlerweile wird mit über 6000 Betrieben 5,8 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche Bayerns nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaftet. Dies entspricht einem Zuwachs von 22 Prozent während des zweijährigen Berichtszeitraums.

Ein eigenes schwieriges Kapitel ist der Forst. Bayern ist zu einem Drittel mit Wald bedeckt. Das Eigentum ist neben dem Staats-, Kommunal- und Kirchenwald mit mehreren Hunderttausend Privatwaldbesitzern breit gestreut. Durchschnittliche Größe: 2 ha. Was das für Probleme im Rahmen der Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Vorrangs des Gemeinwohls des Waldes aufwirft, kann sich jeder vorstellen und wurde auch in der Debatte um den Agrarbericht deutlich. Neben dem alten Streit um „Wald vor Wild“, die Staatsforsten und Wertschöpfung steht das Problem des Waldtauschs an. Versucht wird, die vielen Waldbesitzer zu sinnvollen Änderungen zu bewegen, um auch eine ökologischere Bewirtschaftung zu erreichen. Was wegen der jeweiligen Bestandsbewertung äußerst schwer wird.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

14. Oktober 2010 um 17:06h