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Der CSU-Parteitag – Zukunftsfähigkeit oder Realitätsferne

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Die CSU sei „der Taktgeber bei den zukunftsfähigen Konzepten“. So gebe die Partei Antworten auf „die drängenden Fragen der Zukunft“. So fasste Generalsekretär Alexander Dobrindt das Erlebnis eines „diskussionsreichen und spannenden Parteitags“ für 1000 Delegierte und Gäste zusammen. Das war also keine vor dem Ereignis ausgedrückte Erwartungshaltung, sondern so stand es danach unter „CSU-topaktuell“ auf der Homepage der Partei, die kaum erwarten kann, dass ihre Top-Delegiertenversammlung des Jahres über ihr Vorsitzenden-Problem hinaus in die Schlagzeilen gerät oder von den Inhalten her irgend eine prägende Wirkung zeitigt.
Dass die „Männerpartei“ CSU bei der Frauenquote den Takt angibt, wird niemand ernsthaft behaupten. Die zur Quote selbst ausgetauschten Argumente liegen, so lebhaft sie auch vorgetragen wurden, seit Jahrzehnten auf dem Tisch und zehren von Erfahrungswerten. Spannung zog das Thema nur daraus, dass das Ergebnis dieser Minireform mit Alibicharakter allgemein mit der Zukunft des sie befürwortenden Parteichefs verbunden wurde. Dass dieser froh sein konnte, dass zum einen sich prominente Tagungsteilnehmer wie Angela Merkel und Karl-Theodor zu Guttenberg sich für die Quote in die Bresche warfen und zum anderen die Parteitagsregie in der Aussprache die wichtigen Vertreter der Quotenregelung an das Ende der Debatte setzten steht auf einem anderen Blatt.
Taktgeber in Integration, Bundeswehrreform und als Mitmachpartei!?
Auch ob der „7-Punkte-Integrationsplan“ als zukunftsfähiges Konzept gelten kann, bei dem die CSU den Takt angibt, ist mehr als fraglich. Diese Antwort auf eine drängende Frage der Zukunft stößt auf Widerstand in den Oppositionsparteien und beim Münchner und Berliner Koalitionspartner FDP sowie auf starke Bedenken selbst innerhalb der Union. Allein deshalb muss sie ja nicht falsch sein – aber zukunftsgerichtet? Es haftet ihr auch an, ein eher rückwärtsgerichteter und kaum vorbereiteter Ausfluss einer von Sarrazin angestoßenen und von Horst Seehofer übernommenen Debatte zu sein.
Die Bundeswehrreform, als mit wichtigster Tagesordnungspunkt angekündigt, war vom derzeitigen Verteidigungsminister zu Guttenberg gegen ursprünglich heftigen Widerstand in der CSU auf den Weg gebracht worden. Jetzt gilt die Notwendigkeit einer Reform als Allgemeingut und sie wurde auch im Grundsatz von den Delegierten des CSU-Parteitags ohne Wortmeldung akzeptiert. Letztere Zustimmung dürfte nach ihrer Verwirklichung bestenfalls als Fußnote Erwähnung finden.
Die CSU will als „Mitmachpartei“ ihre Mitglieder künftig mehr einbinden. Nach entsprechender Aufforderung lag dem Parteitag auch ein Bündel von etwa 240 Anträgen vor. Dass keiner von ihnen auf der Delegiertenversammlung selbst behandelt werden konnte, rief durchaus den Unmut einiger Mitglieder hervor. Sehr vage steht ebenfalls im Raum, dass sie künftig auch im Internet über ihren Vorsitzenden abstimmen und andere Mitentscheidungsformen wahrnehmen können.

Dies lenkt fast zwangsläufig zu einer anderen Befragung auf CSU-Ebene. Die Landtags-Fraktion erforscht in direkten Befragungen, in Regionalkonferenzen bis hin zu Veranstaltungen für gesellschaftlich relevante Gruppen.im Landtag die Meinung der Bürger zur politischen Gestaltung in und für Bayern. Die Abschlussveranstaltung soll am 13. November stattfinden. Ob und inwieweit sich auch hier im Ergebnis die CSU tatsächlich als „Mitmachpartei“ erweist steht ebenfalls auf einem anderen Blatt.
Läutet Frontalangriff auf Grüne neue Werte-Debatte ein?
Wirklich beachtenswert ist der Frontalangriff Seehofers auf die Grünen. In dieser Form war er nicht erwartet worden. Liegt darin doch eine vielleicht gar nicht beabsichtigte Aufwertung des bislang nur von Meinungsumfragen bestätigten Hauptgegners. Die Aufforderung, die Grünen von ihrer „hohen Palme der Moral“ herunter zu holen, könnte eine Diskussion über Werte und wie man diese vertritt entfachen. Da könnte man durchaus für die Olympiabewerbung stimmende Münchner Grüne gegen AKW bzw. Isar 1 kämpfende CSU-Stadträte in Landshut setzen. Ganz abgesehen davon, dass mancher darüber nachdenken wird, wie weit Seehofers Vorstellungen vom Herunterholen moralischer Werte gehen.
Dass Grüne längst nicht (mehr) im von Seehofer insinuierten Oppositions-Verhalten verharren und moralisch einen höheren Anteil regenerativer Energien fordern aber gleichzeitig für deren Weiterleitung notwendige Leitungen bekämpfen, kann man im kleineren Massstab etwa im Bayerischen Landtag beobachten. Ob im Wirtschafts- oder Kommunalausschuss sieht man auf Grünen-Seite ganz genau, dass zum intakten Notruffunknetz eben auch unbequeme Funkmasten gehören.
„Kaffeekränzchen-Rede“ und fehlende Regierungsfähigkeit
Und damit im kleineren Massstab, eben im Freistaat angelangt, wird vielerseits an Seehofers Grundsatzrede kritisiert, dass ihr alles Visionäre fehle. Seine „Kaffeekränzchen-Rede“ enthalte nichts Zukunftsweisendes urteilte SPD-Landeschef Florian Pronold ganz allgemein. Der Landtagsfraktions- und Landesvorsitzende der Freien Wähler, Hubert Auiwanger, wurde deutlicher. Auf drängende Fragen Bayerns sei der Parteitag nicht eingegangen konstatierte Aiwanger und stellte gar „wegen Realitätsverlust“ die Regierungsfähigkeit der CSU in Frage.
Tatsächlich fehlte ein genaueres Eingehen auf anstehende landespolitische Probleme beispielsweise der Landesentwicklung und begnügte sich Seehofer mit dem Dank an seine namentlich genannten CSU-Ressortchefs und der geleisteten Arbeit ihrer Ministerien. Doch das ist vielleicht Chefsache sowohl der CSU-Landtagsfraktion und des Kabinetts. Mit einer Bürgerbefragung im Rücken und möglicherweise belastbareren Zahlen aus Steuerschätzung und Ressortumfragen gehen beide in Klausur. Der Ministerrat schon am kommenden Wochenende. Dass Seehofer nach immer verkündetem harten Sparkurs plötzlich während seiner Rede doch plötzlich die Tür für weitere Investitionen etwas öffnete, konnte eigentlich niemand wundern und erfreute vor allem die FDP. Deren Fraktionschef Thomas Hacker sieht darin ein Bekenntnis Seehofers zu FDP-Forderungen nach solider Hauhaltspolitik und klugen Bildungsinvestitionen. Die Liberalen zahlen so scheint es im Bereich ihrer Möglichkeiten manch erlittene Pein mit gleicher Münze zurück.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

02. November 2010 um 09:31h

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