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Eiweißhaltige Futtermittel: Bayern will unabhängiger von Importen werden

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Knapp 800000 t Sojaextrationsschrot werden derzeit jährlich vor allem aus Argentinien, Brasilien und den USA nach Bayern geliefert. Da das Fragen der Importabhängigkeit, der Versorgungssicherheit, der gentechnischen Veränderungen, der ökologischen Nachteile oder auch die zu geringe Nutzung eigener Eiweißressourcen berührt, hat Landwirtschaftsminister Helmut Brunner – begleitet von starkem Druck des Landtags – vor zwei Jahren eine Pilotstudie zur Erhöhung des Anteils von heimischen Eiweißfuttermitteln in der Nutztierfütterung beauftragt. Nach deren Abschluss wurde dieser Tage der Startschuss für ein „Aktionsprogramm Heimische Eiweißfuttermittel“ gestartet. Und im Agrarausschuss des Landtags debattierten gestern nach der Vorstellung des Programms durch Ministerialdirigent Friedrich Mayer die Fachpolitiker.

Problem erkannt, Gefahr gebannt – ganz so einfach ist es nicht. Auch nicht unter Agrarexperten. Denn auch deren Diskussionsbeiträge sind nicht nur mit der Parteifarbe gezeichnet, sondern auch von eigener Herkunft geprägt. Da wittert schon der Grünlandbauer Gefahr, wenn sich beispielsweise dem Landwirt mit schwerem Boden im Rottal neue Gewinnaussichten durch den Sojaanbau eröffnen – auch wenn die Kuh im Allgäu dann letztlich das eiweißhaltige Sojaschrot zwischen ihren Kauplatten zerbröselt

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Gut die Hälfte des importierten Sojaextrationsschrots wird an Rinder verfüttert, 40 % an Schweine und 10 % an Geflügel. Die Importe sollen nun spürbar reduziert werden, u.a. mit der Zielmarke einer Halbierung bei der Rinderhaltung. In der ökologischen Tierhaltung soll der Eiweißbedarf darüber hinaus ganz aus heimischer Erzeugung gedeckt werden. Im Rahmen der angestrebten Ausdehnung des Anbaus heimischer Eiweißpflanzen denkt Brunner an eine Verdoppelung der Anbaufläche für Soja auf rund 5000 ha in Bayern.

Soja gedeiht nicht überall – soll aber in möglichst alle Rindermägen

Nun gedeiht Soja nicht überall. Generell dort, wo auch Mais wächst, führte Mayer aus. In Bayern etwa neben dem Rottal beispielsweise auch in Unterfranken. So wie der Soja zum Mais passt (Sommerungen) gehört der ebenfalls sehr eiweißreiche Raps zum Weizen (Winterungen). Wobei durch den jeweiligen Anbauwechsel Unkräuter unterdrückt werden. Dem Drei-Viertel-Laien dämmert spätestens jetzt, dass sich die Drei-Felder-Wirtschaft weiterentwickelt hat.

So kommen jedenfalls durch den verstärkten Anbau heimischer eiweißreicher Pflanzen auch Kühe im Allgäu in deren Genuss. Die brauchen das für die Milchproduktion. „Das“ ist zwar auch in Gras, Klee oder Luzerne enthalten, doch Soja ist scheinbar besser, was irgendwie mit der Verdauung zusammenhängt. Trotzdem bleibt die Aufnahme dieses betriebseigen angebauten Grundfutters die wichtigste Eiweißquelle. Deren Reserven will das Aktionsprogramm durch eine optimale Bestandsführung, eine optimale Ernte und Konservierung und die Verbesserung des Silomanagements erhöhen.

Verbesserungs-Möglichkeiten sieht das Landwirtschaftsministerium übrigens auch bei der Eiweißverwertung in der Schweinefütterung. Zum Beispiel durch eine noch optimalere Anpassung an Alter und Bedarf. Gedacht ist dabei weniger an Geschmacksorientierung des Tiers sondern an Begriffe wie „Mehrphasenfütterung“. Ausgeschöpft werden soll auch das Potenzial eiweißhaltiger Nebenprodukte. Solche entstehen gedanklich leicht nachvollziehbar bei der Pflanzenölgewinnung, bei der Bioethanolgewinnung und, ohne das Thema „Tierfutter“ zu verlassen gelangt man auch in die Brauerei. Noch, so wird im Aktionsprogramm bedauernd festgestellt, wird auch der Biertreber nicht im möglichen Umfang in der Fütterung eingesetzt.

Forschung, Fachschulunterricht sowie Informationsaustausch im Pilotbetriebsnetz

Bei all den angesprochenen Fragen zu Pflanzenbau, Veredelungstechnik, Fütterung, Markt und Ökonomik spielt natürlich auch die Forschung auf diesen Gebieten eine Rolle. Bayern ist dabei ob in Weihenstephan bis hin zu C.A.R.M.E.N. gut aufgestellt. Die Ergebnisse sollen den Landwirten nicht nur direkt zu Gute kommen. Das Thema „heimisches Eiweiß“ wird auch verstärkt in den Fachschulunterricht einfließen und dadurch die angehenden landwirtschaftlichen Unternehmer sensibilisiert. Eine weitere zentrale Rolle kommt der Beratung zu sowie einem „Pilotbetriebsnetz“ zur Förderung des Erfahrungs- und Informationsaustauschs zwischen Landwirten, Händlern und Verarbeitern.

Direkte finanzielle Zuwendungen und Förderungen wird es laut Mayer nichtgeben, sieht man von Ausfallzahlungen an am Pilotprojekt beteiligte Landwirte ab. Zum Nulltarif für den Verbraucher wird die Umsetzung des „Aktionsprogramms Heimische Eiweißfuttermittel“ für den Verbraucher auch nicht zu haben sein. Nach anhaltenden Entlastungen bei Lebensmittelpreisen, müsste dieser laut Mayer bereit sein, mehr für ein „wertvolles Produkt“ zu zahlen. Auch vor dem Hintergrund, dass „wir“ diese Eiweißstrategie letztlich brauchen. Zahlen, die im Raum stehen: vielleicht 1 – 1,5 Cent mehr für den Liter Milch oder das Ei.

Ich bin froh, dass wir jetzt so weit san.“ – „Warum erst jetzt?“

Tatsächlich spielte der vom Verbraucher letztlich zu bezahlende Preis in der Landtagsdebatte selbst keine Rolle. Allzusehr waren sich die Fraktionen über die Notwendigkeit, aktiv zu werden, einig. „Warum erst jetzt“ fragte die landwirtschaftspolitische Sprecherin der SPD, Maria Noichl, unter Verweis auf früher von ihrer SPD gestellte und von der/den Regierungsfraktion/en abgelehnten Anträgen mit ähnlicher Zielrichtung. Und Landesbäuerin Maria Biechl (CSU) stellte fest. „Ich bin froh, dass wir jetzt so weit san.“

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

24. März 2011 um 09:41h