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Dritte Startbahn: Gutachten stellt Wirtschaftlichkeit des Flughafenausbaus in Frage

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In „vorläufigen Resultaten“ zur „Ökonomie der Expansion des Münchener Flughafens“ schlussfolgert das Beratungsunternehmen CE Delft in seinem von den Landtags-Grünen in Auftrag gegebenen Gutachten, dass die wirtschaftichen Auswirkungen des Ausbaus niedriger sein werden als erwartet. Dabei beziehen sich die Autoren auf aus ihrer Sicht falsche methodologische Entscheidungen bei der Erstellung früherer Studien (u.a. Ernst Basler + Partner und Hamburgisches WeltWirtschaftsinstitut HWWI). Diese gestern im Landtag vom umwelt- und früheren wirtschaftspolitischen Sprecher der Grünen, Dr. Christian Magerl, sowie Jasper Faber, Leiter des Bereichs Umweltökonomie bei CE Delft, vorgestellte kritische Betrachtung wurde von der Flughafen München GmbH (FMG) per Presseerklärung als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet.

Wie von Jasper – in englischer Sprache – vorgetragen und einem vorliegenden Text zu entnehmen, steht seine Studie im Kontext zur Behauptung der Befürworter der Expansion, dass diese „für die Region wirtschaftliche Vorteile bringen“ werde. Exemplarisch werden dazu zwei Zitate von der Referendum-Website angeführt: „größere wirtschaftliche Stärke bedeutet auch zusätzliche Steuereinnahmen für unsere Stadt“ sowie „Tausende neuer Arbeitsplätze werden geschaffen“.

Grüne weisen nochmals auf falsche Prognosen hin

Magerl hob einleitend letzten Endes auch die Begutachtung auslösende Fehlprognosen hervor. Eine dem Nachbarschaftsbeirat zum Flughafen im Oktober 2005 von Intraplan vorgestellte Prognose habe für 2010 37,4 Mio. Fluggäste und 496000 Flugbewegungen vorausgesagt. Tatsächlich seien 34,7 Mio. Passagiere und 390000 Bewegungen erreicht worden. Die Flugbewegungen seien zwischen 2005 und 2011 um 2,8 % angestiegen. Aktuell verzeichneten sie zwischen der 1. und der 22. Kalenderwoche dieses Jahres ein Minus von 31, Prozent. Für den Sommerflugplan 2012 seien 239500 Bewegungen angemeldet worden, während es 2004 240000 gewesen seien. Auch die Beschäftigtenzahlen wiesen nach den vorgelegten Schaubildern und Zahlen eine stark rückläufige Tendenz auf. Auch spiegelten Presseberichte (aktuell „Spiegel“ 11.6.2012) wider, wie hart gerade europäische Fluglinien von der Schuldenkrise und hohen Ölpreisen getroffen werden. Zitiert wurde auch eine Erklärung des internationalen Branchenverbands IATA bei seinem diesjährigen Jahrestreffen, wonach sich das Geschäftsfeld für europäische Fluggesellschaften rapide verschlechtere.

Systematische Prognosefehler bei Großprojekten?

Neben diesen wie immer mit Vorsicht zu betrachtenden Statistiken und aktuellen Einschätzungen stand in der Pressekonferenz auch die Kritik an der Methodik bisheriger Gutachten. Gestützt wird damit eine schon letzte Woche vom Wirtschaftsexperten Prof. Friedrich Thießen (TU Chemnitz) in einem ebenfalls von den Grünen veranstalteten Pressegespräch angeführte Hypothese, dass Institute wie Intraplan „systematische Prognosefehler bei Großprojekten im Sinne der Auftraggeber“ durchführten.

Wie Faber jetzt ausführte, hätten Basler und Partner in ihrer Analyse wirtschaftlicher Auswirkungen nur die Effekte untersucht und die Kosten ignoriert. Weshalb eine Beurteilung negativer und positiver Auswirkungen einer Investition gar nicht möglich sei. Falls Delft richtig liegen sollte, kann man sich auch über eine von Basler geübte Ignoranz gegenüber Opportunitätskosten wundern. Geld kann man schließlich nur einmal ausgeben. Das fällt einem ein, wenn man die kritische Anmerkung von Delft liest, dass für die Luftfahrt ausgegebenes Geld nicht für andere Dinge ausgegeben werden könne.

Weiter wird kritisiert dass vorliegende Studien die Steuern ignorierten. Der Flughafen gehöre nämlich der öffentlichen Hand . Und wenn also die Nachfrage nicht wie vorhergesagt steige, flössen auch weniger Steuern. Vernachlässigt würden auch dynamische Effekte wie die Erhöhung der Grundstückspreise in der Region bis hin zu entstehenden Staus. Nicht berücksichtigt würden auch darunter fallende externe Kosten eben für Staus oder den Lärm und die Umweltverschmutzung.

Weder zusätzliche Steuereinnahmen noch Tausende neuer Arbeitsplätze

Schlussfolgerung dieses Generalverrisses. Die wirtschaftlichen Auswirkungen würden niedriger sein als erwartet. Nicht berechtigt seien die Behauptungen, dass größere wirtschaftliche Stärke auch zusätzliche Steuereinnahmen für „unsere Stadt“ bedeute und dass Tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen würden.

Nun weist sich Delft als „unabhängiges gemeinnütziges Unternehmen“ aus, mit mehr als 15 Jahren Erfahrung mit Klimapolitik im Bereich der Luft- und der Schifffahrt. Als Auftraggeber werden genannt nationale Behörden wie Nichtregierungsorganisationen, die Europäische Kommission, Fluggesellschaften wie Flughäfen oder auch das britische Verkehrsministerium. Die Begutachtensliste ist lang und reicht von Heathrow über Paris Charles de Gaulle bis Schiphol.

FMG verweist auf frühere positive Begutachtungen

Ähnliches gilt für Basler und ganz gewiss auch das HWWI. Und gerade auf letzteres beruft sich die FMG in ihrer Presseerklärung. Das HWWI habe das der Planfeststellung zugrundeliegende Wirtschaftsgutachten im Rahmen der Qualitätskontrolle der Panfeststellungsbehörde überprüft und die zu erwartenden positiven wirtschaftlichen Auswirkungen des Verkehrswachstums am Münchner Airport bestätigt und komme zum Fazit: „Der Münchner Flughafen hat aufgrund vielfältiger regionalökonomischer Wirkungszusammenhänge eine hohe Bedeutung für die Bruttowertschöpfung und die Zahl der Arbeitsplätze im Flughafenumland, in der Metropolregion München sowie darüber hinaus. Diese positiven ökonomischen Effekte sind eng an die Höhe des Fluggast- und Frachtaufkommens am Münchener Flughafen gekoppelt.“

Fast gebetsmühlenhaft vorgetragen – und deshalb nicht unbedingt weder wahr noch unwahr. Allerdings geht die Antwort der FMG weder auf aktuelle Zahlen und Entwicklungen noch auf die angeprangerte fehlerhafte Methodik früherer Gutachten ein. Das mag an der zeitlichen Kürze liegen. Interessant ist es schon.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

13. Juni 2012 um 08:47h