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Vor Gericht, auf hoher See und auf einem Gymnasium in Bayern

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Römische Juristenweisheit „Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.“ – „Coram iudice et in alto mare in manu dei (Wikipedia)

Einen ziemlich starken Auftritt hatte Dr. Ludwig Spaenle an jenem 16. Juli. Bürgermeister, kommunale Beamte und andere Delegierte beklatschten Redebeiträge des Kultusministers. Das war beim Bayerischen Städtetag in Mühldorf am Inn und liegt genau drei Jahre zurück. Das war schon ein anderes Bild als heute vor drei Tagen nach einer Sitzung in der Staatskanzlei mit dem trotzigen Bekenntnis zur G 8: «Das bayerische Gymnasium in seiner achtjährigen Form hat sich bewährt. Es steht für Qualität. Es wird beibehalten.» Wie ein gerupftes Huhn, das noch seinen Namen trägt.

Nachdem das achtjährige Gymnasium 2004 noch unter Kultusministerin Monika Hohlmeier beschlossen und von ihrem Nachfolger Siegfried Schneider 2007 mit einer neuen Gymnasialen Schulordnung versehen worden war, oblag es dem Ende 2008 von Ministerpräsident Horst Seehofer berufenen Spaenle, das um ein Jahr zeitlich verkürzte Gymnasium in der Praxis einzuführen. In Archiven wird ein Auftritt in seinem eigenen früheren Gymnasium in Schwabing zwei Wochen nach Amtsantritt vermerkt. Da versprach der Kultusminister das G 8 mit aller Intensität zu einem guten Ende zu bringen, und zwar mit nur marginalen Nachbesserungen im Lehrplan.

Die beim Mühldorfer Städtetag noch zu verspürende Strahlkraft des Ministers verblasste mit zwei G 8-Abiturjahrgängen und zwei Jahren des Umsteuerns und krampfhaften Kurs Haltens auf hoher See nach denen man zwar nicht vor Gericht landete, sondern in der Bayerischen Staatskanzlei aber dennoch irgendwie in Gottes Hand. Seehofer hatte das Ganze zur Chefsache erklärt.

Klingt gut und gilt als geeignet, Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung zu erwecken. Hat aber den Beigeschmack bekommen, dass sich das eigentliche Ziel einem übergeordneten unterzuordnen hat. In diesem Fall den kommenden Wahlen, und zwar vor allem den Landtagswahlen im Herbst 2013. Deshalb kam eine klare Lösung wie eine künftige Wahlfreiheit zwischen G 8 und G 9 kaum in Frage. Dieser Vorschlag war von Seehofer-Herausforderer Christian Ude gekommen. Den Schulen das Angebot überlassen? So viel Autonomie roch auch zu sehr nach Oppositionspolitik. Für eine Rückkehr zum G 9 hatte sich Seehofer angeblich offen gezeigt. Für diese „Fehler“-Korrektur hätte sich keine Mehrheit finden lassen.

Was liegt auf dem Tisch? Eine laut Spaenle „maßvolle Stoffreduzierung“ mit Kürzungen in Biologie, Geografie und auch Fremdsprachen sowie etwas weniger Mittelalter zugunsten von mehr Hinwendung zum Zeitgeschehen. In der Mittelstufe soll für einzelne Schüler eine zusätzliche Lernzeit von einem Jahr mit pädagogischem Mehrwert angeboten werden. Ausgestaltungen und Durchführungszeitrahmen werden noch präzisiert, mit weiteren Experten besprochen und ein Konzept dem Ministerrat am 31. Juli vorgelegt. Ob das Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung erweckt? Oder riecht es nach Schiffbruch?

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

15. Juli 2012 um 11:00h

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