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„Welkt“ die Sonnenblume oder richtet sie sich neu auf?

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An Niederlagen kann man sich gewöhnen. Das hatte über die Jahre die bayerische SPD erleben müssen und sich im Oppositions-Dauerzustand resigniert-behaglich eingerichtet. Daran konnten weder ein donnernder Hiersemann noch ein einfühlsamer Maget – beides übrigens zu ihrer Zeit die besten Parlamentsredner – etwas ändern. Wirklichen Aufschwung bekam die SPD-Fraktion mit dem Radikalschnitt zu und unter dem Fraktionschef Markus Rinderspacher. Mit dazu beigetragen hat zu einem Gutteil auch der Blick auf die 1986 neu ins Parlament gekommenen Grünen, die durchaus erfolgreich vorführten wie man die Regierungsfraktion(en) vor sich hertreiben kann. Und vieles spricht dafür, dass eine lebendige und zähe Oppositionspolitik wesentlich mit dazu beigetragen hat, dass Bayern heute gut dasteht und vor allem etliche lang schwelende Probleme wie der Donauausbau heute als bereinigt gelten. Vielleicht hat das dazu geführt, dass der Wähler sich sagte, ohne die Freien Wähler hier auszuschließen: „Das ist die beste Opposition, die wir je hatten. Warum sollten wir das ändern?“

In einem grünen Atemzug: Niederlage eingestehen und zum Sturm aufrufen

Um so spannender und aufschlussreicher wird sein, wie die Grünen mit ihrer ersten wirklichen und in ihrem Ausmaß schmerzlichen und auch ungerechten Niederlage umgehen werden. Es hatte schon Größe, wie die geschlagene Fraktionsvorsitzende und Ministerpräsidentenkandidatin Margarete Bause am Walabend etwas verloren auf der auch optisch freudlos aufgemachten Bühne im Steinernen Saal des Maximilianeums die Niederlage unumwunden eingestand und fast im gleichen Atemzug zum Sturm auf die neue Staatsregierung aufrief.

Seit gestern steht die neue Truppe, mit der dies angegangen werden soll. Eine größere Fluktuation stand schon fest durch den Verzicht einiger Altgedienter auf eine erneute Kandidatur. Nicht erwartet waren die Nichtberücksichtigung durch den Wähler von laut Bause „wichtigen Aktivposten“ wie dem Fraktionsvorsitzenden Dr. Martin Runge, der Landeschefin Theresa Schopper oder dem Finanzsprecher Eike Hallitzky. Das fundierte Wissen und die Akribie des oft, auch weil es sich so schön sagt und schreibt, als bärbeißig bezeichneten Runge werden der Fraktion ebenso fehlen wie die nüchternen und immer freundlich vorgetragenen Analysen des Landesbank-Experten Hallitzky. Es ist durchaus auffällig, wie viel – mit Blick auf die lange Reihe von Christine Scheel über Emma Kellner bis zu ihm – bayerische Grüne in die Steuer-, Geld- und Haushaltspolitik einbringen.

Reichlich spät angesetzte Fraktionsklausur

Wie die neue Mannschaft ausgerichtet wird, wer in die Spitze rückt, das wollen die Grünenreichlich spät in ihrer dreitägigen Fraktionsklausur ab 30. September in Fürstenfeldbruck festlegen. In allzu viel Zeit könnte auch allzu viel zerredet und spekuliert werden. Zu erwarten ist, dass sich in der Führungsstruktur etwas ändert. Es hatte zuletzt fraktionsintern sich häufende Kritik am Modell einer zweiköpfigen Führungsspitze und einem/r in der Praxis bei Entscheidungen den Ausschlag gebenden Parlamentarischen Geschäftsführer/in gegebene (siehe MAX vom 16.9.13). Die Überlegungen gehen offensichtlich dahin, wieder stellvertretende Fraktionsvorsitzende zu berufen.

Hartmann – Energiespezialist und energisch im Auftreten

Mehrere Namen werden ins Spiel gebracht. Die wichtigste Rolle dürfte dabei neben Bause und der bisherigen Parlamentarischen Geschäftsführerin Ulrike Gote der Energieexperte Ludwig Hartmann spielen. Der zu Beginn vor fünf Jahren oft ungestüm fast ungebärdig auftretende junge Oberbayer legte früh und effektiv den Finger auf offene Wunden der stagnierenden Energiepolitik der Staatsregierung und machte sich einen Namen als nur knapp scheiternder OB-Kandidat in Landsberg oder als Sprecher von NOlympia. Dass er auch in der Fraktion etwas werden will, zeichnete sich schon früh ab. Er zeigt ziemlich klare Kante. Das gilt bei sachpolitischen Themen genauso wie bei der Verfolgung persönlicher Ziele. Letzteres gefällt nicht jedem in der Fraktion.

Kultur in Bayern kann sich freuen – Dürr bleibt

Dazu kommt Dr. Sepp Dürr. Dieser hatte sich wegen einer Krebserkrankung bei den Wahlvorbereitungen ziemlich weit hinten auf die Grüne Liste setzen lassen und überließ es einem besonderem Engagement des Wählers, ihm erneutes Vertrauen auszusprechen. In Umkehrung des früheren bösen Wortes von einem hingestellten Besen, den der bayerische Wähler als CSU-Abgeordneten akzeptieren würde, wurde im Fall Dürr vom Souverän ein Besen aus dem hintersten Schrank geholt, offensichtlich weil er gut gekehrt hat. Der Biobauer, Politik- und Literaturwissenschaftler verkörpert, auch wenn er manchmal im Ton an Grenzen geht, wichtige Werte in der Politik. Ohne ihn wäre ein Bruch in der bayerischen und nicht nur der grünen Kulturpolitik zu befürchten gewesen. Er „brennt wieder“ wie es aus der Fraktion heißt. Für den Zusammenhalt der Fraktion dürfte er wichtig werden.

Abgewanderter Sachverstand – Hasenherzigkeit nicht angebracht

Zu Recht war vor einigen Jahren festgestellt worden, die grüne Landtagsfraktion überaltere, es fehle ihr an Frische. Dass die Fluktuation, die ja auch durch den tragischen Tod von Sepp Daxenberger oder Adi Sprinkart erfolgte, nach den Wahlen so umfassend sein würde, hatte kaum jemand erwartet. Jetzt befürchtet man fehlenden Sachverstand. Fast erschrocken stellt die Fraktion fest, dass sie künftig keinen Juristen in ihren Reihen aufweist. Allzu viel Hasenherzigkeit erscheint jedoch nicht angebracht, wenn man in die Vita der ins Landesparlament nachrückenden neuen grünen Generation schaut.

Genau die Hälfte der nunmehr 18 grünen Abgeordneten ist neu. Kaum einer ist annähernd bayernweit bekannt. Einige rechneten überhaupt nicht mit ihrem Erfolg wie der 60jährige Biobauer Ulrich Leimer aus dem Allgäu. Berichten zufolge ein kerniger Typ wie sein früherer Freund Sprinkart und ohne einen Plan B für die künftige Versorgung seiner Ziegenherde. Andere wie die Münchnerin Katharina Schulze, die Runge verdrängte, wurden bekannt als Vorsitzende der Grünen Jugend München und neben Hartmann Mitsprecherin von NOlympia sowie exponierte Gegnerin der 3. Startbahn. Als Interkulturelle Trainerin findet sie im Maximilianeum ein interessantes Betätigungsfeld.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

19. September 2013 um 09:17h

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