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Drachenstich, Feldgeschworene, Landshuter Hochzeit und Osingverlosung

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Deutschland ist mit seinem Beitritt zum UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes die Verpflichtung eingegangen sein eigenes Verzeichis dieser Kulturgüter regelmäßig zu aktualisieren und zu erweitern. Die nächste Liste wird 2017 gemeinsam von der Deutschen UNESCO-Kommission und verschiedenen deutschen staatlichen Akteuren erstellt. Bislang finden sich in diesem Verzeichnis 34 Einträge. Anerkannt wurden z.B. das Köhlerhandwerk, eine der ältesten Handwerkstechniken der Menschheit, die Oberammergauer Festspiele, die Bräuche der Lausitzer Sorben oder auch das schleswig-holsteinische Biikebrennen, ein gemeinschaftliches Frühlings- oder Fastnachtsfeuer, mit dem böse Geister vertrieben und die neue Saat geschützt werden soll.

Bayern wird nun mit gestrigem Kabinettsbeschluss auf Anregung von Kulturminister Dr. Ludwig Spaenle vier weitere Vorschläge für diese Bundesliste einreichen. Das sind das Feldgeschworenenwesen, der Further Drachenstich, die Landshuter Hochzeit und die Osingverlosung. Jedes Bundesland hat Anspruch auf vier Vorschläge, doch da voraussichtlich einige Bundesländer bzw. Stadtstaaten dieses Kontingent nicht ausschöpfen werden, dürften noch weitere Vorschläge aus Bayern hinzukommen.

Für die nun ausgewählten Vorschläge hat sich ein Expertengremium unter Vorsitz des Regensburger Kulturwissenschaftlers Prof. Dr. Daniel Drascek nach eingehender Begutachtung aller Bewerbungen ein Expertengremium für die vier o.g. Bewerbungen ausgesprochen.

Expertengremium begründete die vier bayerischen Bewerbungen

Feldgeschworene oder sogenannte „Siebener” wachen seit Jahrhunderten über die Einhaltung von Grundstücksgrenzen und sorgen durch Grenzsteinsetzung für deren Sichtbarkeit. Dies ist gerade in Franken mit seinen kleinteiligen Flurstücken infolge der Realteilung von besonderer Bedeutung. Träger des Rechtsbrauchs sind die bayernweit ca. 24.000 durch ihre jeweiligen Gemeinderäte bestellten Feldgeschworenen. Bei dieser seit über 500 Jahren primär mündlich tradierten Rechtspraxis handelt es sich um ein außergewöhnliches Beispiel für ein kommunales Ehrenamt, das für den sozialen Frieden in ländlichen Gebieten von zentraler Bedeutung war und das auch heute noch große Wertschätzung genießt.

Das historische Festspiel „Der Drachenstich” zu Furth im Wald hat sich aus einer seit 1590 belegbaren Fronleichnamsprozession entwickelt, bei der auch die Skulptur eines Georgs-Drachens mitgeführt wurde, der seit 1646 sicher belegbar nach der Prozession abgestochen wurde. Für Furth und Umgebung ist der Drachenstich, an dem rund 1.500 Personen mitwirken, das zentrale kulturelle Ereignis des Jahres. Seit rund 400 Jahren setzt sich die Bevölkerung aktiv und nachdrücklich für dessen Fortbestand ein. „Furth lebt, solange der Drache stirbt”, heißt es vor Ort. Der Further Drachenstich ist ein herausragendes Beispiel für eine überregional bekannte Festspieltradition.

Das historische Dokumentarspiel „Landshuter Hochzeit 1475″, das im Jahre 1903 erstmals zur Aufführung gelangte, reinszeniert eines der prunkvollsten Feste des ausgehenden Mittelalters: die Vermählung des Wittelsbacher Herzogs Georg des Reichen mit der polnischen Königstochter Hedwig. Bei der Inszenierung des Festes orientiert man sich eng an den schriftlichen Quellen und legt in Bezug auf Musik, Musikinstrumente, Tanz, Kleidung, Waffen, Rüstung und Wägen großen Wert auf Authentizität. Die Landshuter Hochzeit stellt mit einer Überlieferungstradition von über 110 Jahren ein hervorragendes Beispiel für eine von breiten Schichten der Bevölkerung getragene außerordentlich vitale Spieltradition dar, die ein identitätsstiftendes historisches Ereignis des ausgehenden Mittelalters mit Leben erfüllt.

Der im Jahr 1465 erstmals urkundlich erwähnte „Osing” ist eine gemeindefreie Hochfläche von 274 ha zwischen den vier mittelfränkischen Gemarkungen Herbolzheim, Humprechtsau, Krautostheim und Rüdisbronn am Südrand des Steigerwaldes im Landkreis Neustadt an der Aisch/Bad Windsheim. Alle zehn Jahre (zuletzt 2014) werden die 213 Einzeläcker des “Osing” in ritualisierter Form nach genau festgelegten Regeln unter den Anteilseignern verlost. Die Art der Nutzung sowie die Vermarktung der Erträge bleiben den jeweiligen Bauern überlassen. Diese seit mehr als 550 Jahren bestehende genossenschaftliche Praxis besitzt für die Bürger aus den vier beteiligten Gemeinden einen sehr hohen soziokulturellen Stellenwert und stellt eine außergewöhnliche Form selbstorganisierter ständiger Flurbereinigung dar.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

13. April 2016 um 11:04h

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