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Schnelles und gutes Recht – Bayern will noch besser werden

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Wie zufrieden sind Sie mit der Serviceorientierung und Kundenfreundlichkeit?“ So oder ähnlich lauteten Fragen, die seit Mitte November vier Wochen lang jedem Zweiten, der in ein bayerisches Gericht an 30 ausgewählten Standorten ging, gestellt wurden. Fragebögen mit etwas anderer Zielrichtung richteten sich an Rechtsanwälte. Justizministerin Beate Merk geht zwar davon aus, „dass wir relativ gut aufgestellt sind“, doch „das Feedback der Bürger und Rechtsanwälte wird uns dabei helfen, die bayerische Justiz noch leistungsfähiger und bürgerfreundlicher zu machen“. Sie will sich nicht auf einem „wir sind gut“ ausruhen, und die Leute sagen „das stimmt doch gar nicht“. Merk rechnet ab Mitte Februar mit ersten Zwischergebnissen der noch vor Weihnachten beginnenden Auswertung. Den Abschlussbericht will sie im Laufe des März geben.

Die Befragung lief in allen drei Oberlandesgerichtsbezirken. Bewusst ausgeschlossen wurde die Landeshauptstadt. Das Ministerium erklärt dies mit der Dominanz des Standorts – u.a. mit dem größten Amtsgericht der Bundesrepublik – gegenüber dem der anderen bayerischen OLG-Behörden und einer damit verbundenen möglichen Verfälschung des Gesamtbilds. Denn verglichen werden sollten möglichst gleich große Land- und Amtsgerichte sowie Staatsanwaltschaften (kleine, mittlere und große) in den drei OLG-Bezirken München, Nürnberg und Bamberg.

Schnell, transparent, neutral, objektiv, serviceorientiert, kundenfreundlich?

In beiden Fragebögen wurden jeweils die Bürger als auch die Anwälte nach ihrer generellen Zufriedenheit mit der Justiz als auch zu Einzelaspekten wie nach Schnelligkeit, Transparenz und Nachvollziehbarkeit oder auch Neutralität und Objektivität sowie Serviceorientierung und Kundenfreundlichkeit befragt. Objektiv betrachtet kann man schon rätseln, was da beispielsweise bei „Transparenz und Nachvollziehbarkeit“ angekreuzt wird, wenn der „Kunde“ nur als Zeuge bei einem Ladendiebstahl auftritt. Doch Rückschlüsse werden wohl möglich sein durch Antworten auf Fragen wie nach der Häufigkeit von Gerichtsbesuchen, oder in welchen Angelegenheiten man dort gerade oder überwiegend unterwegs ist. Das mit der Evaluierung beauftragte „renommierte Institut“ wird sich in seiner halbjährigen Vorbereitung etwas gedacht haben. Die befragten Bürger sollen Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und Einkommensgruppe angeben, Anwälte statistische Angaben zur Zahl der Berufsträger ihrer Kanzlei/Sozietät in Deutschland, ob Standorte außerhalb Deutschlands bestehen und von welchem/r Gericht/Staatsanwaltschaft der Fragebogen ausgehändigt worden war.

Pünktlicher Verhandlungsbeginn und höfliche Richter?

Auf den 17 Seiten des Fragebogens, für den man sich einige Minuten Zeit nehmen soll, will man vom Kunden Details über seine Erfahrung(en) und Einschätzungen an Landgerichten, Familiengerichten, in Insolvenz- und Zwangsvollstreckungsverfahren, bei Strafverfahren, in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei außergerichtlichen Streitbeilegungen oder auch mit dem elektronischen Schriftverkehr erfahren. Die Fragen reichen vom – pünktlichen – Verhandlungsbeginn bis zum – höflichen – Auftreten der Richter. Bewertet werden sollen auch einzelne Aspekte des Justizstandorts wie die Erreichbarkeit der Mitarbeiter oder die Verkehrsanbindung.

War mein Rechtsanwalt erfolgreich oder nicht? Habe ich ihn überhaupt verstanden?

Ein Komplex befasst sich auch mit den Rechtsanwälten. Die ersten Fragen erscheinen eher von statistischem Belang, wie die nach der Beauftragung und Wertigkeit eines Fachanwalts oder ob der Befragte schon mehrere Anwälte/Kanzleien beauftragt habe, was natürlich auch einen Hinweis auf mögliche Unzufriedenheit geben kann. Dann wurde danach gefragt, ob das Anliegen gerichtlich, außergerichtlich oder in einem Mediationsverfahren beendet wurde. War der beauftragte Rechtsanwalt erfolgreich oder nicht? Wie zufrieden waren Sie mit ihm hinsichtlich der Erreichbarkeit, Schnelligkeit, seiner Fähigkeit juristische Fachsprache und Abläufe verständlich zu kommunizieren oder seiner Serviceorientierung und Kundenfreundlichkeit? Dann hatten die Kunden auch Gelegenheit, im Fragebogen ihre Gründe für ihre Beurteilung selbst zu formulieren.

Die für das OLG Nürnberg zuständige Rechtsanwaltskammer reagierte auf Nachfrage von MAX prompt und irgendwie reflexartig. Der Vorstand stehe „dem Vorhaben kritisch gegenüber“ soweit die Anwaltschaft betroffen sei. Dann folgt der Verweis auf eine 200-Seiten-Studie des Soltan-Instituts hinsichtlich der „Erfahrungen der Bevölkerung mit anwaltlichen Dienstleistungen“. Danach wären 80 Prozent der Mandanten mit der Gesamtleistung ihres Rechtsanwalts zufrieden, 67 % würden ihn auf jeden Fall und weitere 18 % wahrscheinlich erneut beauftragen. 91 % bescheinigten ihren Anwälten hohe Kompetenz. Usw.

Anwaltskammer skeptisch und zweifelt, ob so „Defizite aufgespürt“ werden können

Der Vorstand der Kammer begrüßt in einer schriftlichen Stellungnahme zwar qualitätsichernde Maßnahmen wie dazu zählende Bevölkerungsbefragungen aber, so betont Präsident RA Hans Link im Gespräch, er habe doch erhebliche Zweifel, ob die Fragestellungen in der Evaluation des Ministeriums hinsichtlich der Anwaltschaft wirkliche Defizite aufspüren und irgendwie an die umfängliche, empirisch abgesicherte Forschungsarbeit von Prof. Hommerich und Dr. Kilian heranreichten. Ein Blick in die 2007 auf dem Deutschen Anwaltstag in Mannheim erstmals vorgestellte Studie macht diese Zweifel sehr nachvollziehbar.

Und es macht auch verständlich, dass die Anwaltschaft dieses schöne, allerdings eher intern bekannte Bild nicht gerne durch eine solche von Spontanreaktionen mehr gezeichnete breit veröffentlichte Umfrage des Ministeriums zumindest in Frage stellen lassen will. Das müssen die Präsidenten der RA-Kammern der Ministerin vor einigen Wochen bei einem regelmäßigen Treffen auch deutlich gesagt haben. Merk soll ihnen darauf mit auf den Weg gegeben haben, dass sie sich selbstverständlich nicht an den Kosten der Umfrage beteiligen müssten, wenn sie dies nicht mittragen. Eine Empfehlung an die Kammermitglieder, sich an der Umfrage zu beteiligen, hat es laut Link „mit Sicherheit nicht“ gegeben.

Dabei wären die Antworten der Profis auf die Fragen zu Arbeitsweise, Defiziten oder auch Ausstattung der Gerichtsbarkeit in Bayern sehr aufschlussreich. Allerdings, so Link, sei man in Bayern im Vergleich zu anderen Bundesländern mit der Arbeit der Gerichte sehr verwöhnt.

Nicht evaluiert wird auch die Arbeit der Notare in Bayern. Deren Kammer, der Bayerische Notarverein, hat eine entsprechende Anfrage des Ministeriums offenbar früh abgebogen. Auch mit dem Verweis auf eine vom Notarverein 1999 in Auftrag gegebene Studie zum Image des Berufsstands der Notare.in der bayerischen Bevölkerung. Zudem habe aufgrund des gesetzlich eng begrenzten Aufgabenkreises der Landesnotarkammer keine Möglichkeit bestanden, sich finanziell an einer Evaluation zu beteiligen, die andere weit größere Berufsgruppen einschließe.

Notare: Mandanten zufrieden – „schnell verdientes Geld“ und wenig Transparenz?

Auch diese Studie liegt dem Ministerium vor. Auch hier werden den Notaren sehr positive Prädikate verpasst. 87 % ihrer Mandanten hatten positive Erfahrungen mit ihnen gemacht. Die menschliche Seite wurde zu 79 % positiv bewertet. Usw. Aber erstaunlicherweise bestehen in der Bevölkerung erhebliche Defizite über das Tätigkeitsprofil der Notare, ihrem Geschäft wird mangelnde Transparenz bescheinigt, und oft, so heißt es in der Studie weiter, entstehe der Eindruck von „schnell verdientem Geld“. Die vom Autor Dr. Dietmar Plaikner aufgeführte Liste zu ziehender Konsequenzen ist lang und wäre hinsichtlich der Umsetzung einer eigenen Betrachtung – auch seitens des Ministeriums – Wert.

Rechtsausschuss-Vorsitzender: Umfrage „ist ja ganz nett“, aber es gibt Wichtigeres

Das ist ja ganz nett“ meint der SPD-Landtagsabgeordnete Franz Schindler zur heute abgeschlossenen Umfrage des Justizministeriums. Er meine das wirklich nicht despektierlich, versichert der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Landtag. Von der Umfrage habe er nur gehört, und die Fragebögen kenne er gar nicht. Auf den Einwand, dass die Fragen in manchen Bereichen durchaus zielführend sein könnten, kann er – mit dem Handy am Uhr in der Stadt unterwegs – natürlich nicht viel dazu sagen. Außer „schaden wird es nicht“. Doch es gebe Wichtigeres anzupacken, und flugs begibt sich Schindler auf ein ihm seit langem auf dem Herzen liegendes Terrain, nämlich die Situation in den Justizvollzugsanstalten.

Der Strafvollzug war ausgeklammert worden, weil sich die Verhältnisse zu stark unterscheiden, als dass man sie sinnvoll in derselben Untersuchung hätte mit evaluieren können. Die meisten Besucher in den Gerichten und Staatsanwaltschaften hätten dazu mangels konkreter Erfahrung auch nichts sagen können. Und, so heißt es weiter in einer Stellungnahme, der der Untersuchung zugrunde liegende Wettbewerbsgedanke spiele im Bereich des Strafvollzugs eine völlig untergeordnete Rolle.

Wollen sich „demotivierte“ Beamte und Richter einem Wettbewerb stellen?

Doch sind die an Gerichten beschäftigten Beamten, Staatsanwälte und Richter bereit und willens, sich einem Wettbewerb zu stellen? Denen könnte doch – man hat den Beamtenbundvorsitzenden Rolf Habermann im Ohr – einiges von der ihnen unterstellten immerwährenden Motivation durch die dauernden Einschnitte und verweigerten Erhöhungen von Bezügen genommen worden sein!? Ministerin Merk glaubt dies nicht. „Die wollen einfach gut sein“ und könnten, wie sie unterstellt und selbst schon als Oberbürgermeisterin ((von Neu-Ulm)) gelernt hatte, mit konstruktiver Kritik umgehen. Die Umfrage könne zu Verbesserungen in der Justiz führen und, wie sie als weiteres Ziel ausgibt, mit dazu beitragen, vielen Menschen die Schwellenangst vor der Gerichtsbarkeit nehmen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

09. Dezember 2011 um 19:35h

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