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Gleichstellung: Katholischer Frauenbund und Grüne sind eins

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Es ist noch lange nicht genug getan!“ Wenn eine Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbunds, Ausgabe Bayern, das ziemlich energisch feststellt, dann ist irgendwo Feuer unter dem Dach. In diesem Fall zeigt sich Dr. Elfriede Schießleder unzufrieden mit der Umsetzung des Bayerischen Gleichstellungsgesetzes aus dem Jahre 1996. Denn es habe sich herausgestellt, dass mit der darin erhobenen Forderung, „dass Frauen bei gleicher Qualifikation genommen werden, gar nicht so weit her ist“. Deshalb begrüßt der Katholische Frauenbund „nachdrücklich“ einen Gesetzentwurf (5921) der Landtags-Grünen, der das aus ihrer Sicht mangelhafte Gesetz einer grundlegenden Reform unterzieht. Der Gesetzentwurf geht auch darauf ein, dass Männer in einigen gesellschaftlichen und beruflichen Bereichen unterrepräsentiert sind.

Männer und Frauen müssten auch im Sinne der Vorbildfunktion im Öffentlichen Dienst „ohne Wenn und Aber“ gleichgestellt werden, forderte gestern in einer Pressekonferenz die gleichstellungspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Stamm. Sie hatte den Entwurf auch bei seiner Einbringung im Landtag in Erster Lesung am 19. Oktober begründet. Erste Forderung ist die Einführung eines/r Landesbeauftragten für Gleichstellung. Mit dieser institutionellen Verankerung erfahre die Gleichstellung eine Aufwertung und werde als Querschnittsaufgabe sichtbar gemacht und wahrgenommen. Das Amt solle mit Rechten und Kompetenzen vergleichbar mit denen de/r Datenschutzbeauftragten ausgestattet werden.

Mehr Rechte für Gleichstellungsbeauftragte und individuelles Klagerecht

Weiter sollen die Gleichstellungsbeauftragten vor Ort z.B. mit einem Weisungsrecht gestärkt werden. Darüber hinaus müssen sie gegebenenfalls für mehr Stunden freigestellt werden. Auch können sie ein Gleichstellungskonzept einfordern. Da soll auch der gemeine Bürger einhaken können, und, ausgestattet mit einem individuellen Klagerecht, bei seiner Gemeinde Dampf machen, und die Umsetzung des Gleichstellungsgesetzes – auch gerichtlich – einfordern. Das dies vonnöten ist, zeigte der von Sozialministerin Christine Haderthauer kürzlich vorgestellte inzwischen vierte Gleichstellungsbericht. Der zeigte neben vielen anderen Mängeln auf, dass vielerorts noch nicht die verbindlich vorgeschriebenen Gleichstellungskonzepte vorgelegt wurden.

Bei der Umsetzung des bestehenden Gleichstellungsgesetzes waren auch von Haderthauer viele Defizite aufgezeigt worden. Claudia Stamm bezeichnete u.a. die vorliegenden Zahlen zu den „oberen Etagen“ im Öffentlichen Dienst als „Bankrotterklärung der bisherigen Gleichstellungspolitik“. So stehen ((obwohl der Ministerpräsident selbst in der Staatskanzlei beispielgebend voran ging)) in den höchsten Spitzenpositionen der Ministerien acht Frauen 37 Männern gegenüber. Der Frauenanteil der B 6-Beamtinnen liegt bei 8,3 %, der der rund 1500 C 3-Beamtinnen bei 9,7 Prozent. Nicht nachvollziehbar erscheint, dass der Frauenanteil in der Gremienbestzung z.T. sogar deutlich zurückging. Bei nicht-funktionsgebundenen Entsendungen von 47 (2005) auf 44 % und bei funktionsgebundenen von 37 auf 21 Prozent.

Bisher venachlässigt wurde bisher, dass in vielen Bereichen Männer unterrepräsentiert sind. Das gilt hauptsächlich in sozialen und Erziehungsberufen. Hier sei die Einbeziehung von Männerförderung in die Gleichstellungspolitik längst überfällig. Das Feld scheint noch ziemlich unbeackert zu sein. Das gilt auch für die Gründe und manche konkrete Angaben. So standen – zumindest den Grünen – keine Zahlen zur Verfügung, wie viele Zivildienstleistende beispielsweise in den Pflegeberufen später auch diesen Berufsweg einschlagen. Aber ähnlich unübersichtlich war die Situation auch, als es galt, Mädchen und jungen Frauen den Weg in Technik-Berufe zu Ebnen. Der Schlüssel wird vermutlich vor allem in der – auch finanziellen – Anerkennung dieser Noch-Frauenberufe liegen. Bei Schießleder ist bei Themadem sofort der Gedanke an einen Bischof aufgekommen. Dessen angeblich erschrockene Reaktion auf kommende männliche Erzieher: „Dann müssen wir das Gehalt anheben.“

Gesetzentwurf und SPD-Anträge kommende Woche im Fachausschuss

Der Entwurf der Grünen wird am nächsten Dienstag (7. Dezember) gemeinsam mit mehreren Gleichstellungs-Anträgen (5967 – 5972) der SPD im Ausschuss für den Öffentlichen Dienst federführend beraten. In der Ersten Lesung hatten nicht nur die Regierungsfraktionen wenig Freude daran erkennen lassen. CSU-Sprecher Bernhard Seidenath bezeichnete das bestehende Gesetz als „sehr erfolgreich“. Viele der jetzt von den Grünen vorgeschlagenen Regelungen gälten schon seit 14 Jahren, und der Öffentliche Dienst in Bayern „längst als Vorreiter“ für die Gleichstellung. Als Beispiele nannte er „die vielen Arbeitszeitmodelle, die Flexibilisierung der Arbeitszeit, eine Vielzahl von Teilzeit- und Beurlaubungsmöglichkeiten, Wohnraum- und Telearbeit oder beispielsweise die Möglichkeit der Beförderung während der Elternzeit“. Das schaffe blendende Voraussetzungen für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, und zwar für Frauen wie für Männer. Die Entwicklung sei auf dem richtigen Weg. Und. „Die Zeit läuft für die Frauen.“

Zum für ihn eigentlichen Kernstück des vorliegenden Gesetzentwurfs, der Forderung nach einem/r Gleichstellungsbeauftragten, stellte Seidenath kurz und bündig fest. Das schaffe nur neue kostspielige Bürokratie. Außerdem habe man in Gestalt der bayerischen Sozialministerin bereits eine Gleichstellungsbeauftragte. Hinsichtlich der „Diskriminierung von Herren“ werde man im Einzelnen im Ausschuss reden.

SPD: Im internationalen Vergleich rutscht Deutschland immer weiter nach hinten

Dr. Simone Strohmayr (SPD) hielt dem ziemlich ernüchternd entgegen, dass Bayern im Ländervergleich immer schlechter dastünde und sich nicht nach vorne, sondern nach hinten bewege. Sie verwies auf eine Studie des Weltwirtschaftsforums, wonach Deutschland in punkto Gleichstellung vom fünften auf den 14. Platz abgerutscht sei. Die – auch in den oben aufgeführten Anträgen genannten – Wünsche der SPD gingen in die gezielte Förderung von Frauen in Führungspositionen z.B. durch Fortbildungsmaßnahmen. Vor allem müsste das bestehende Gesetz eingehalten und umgesetzt werden. Verbessert werden müssten die Rahmenbedingungen für die Gleichstellungsbeauftragten. Zudem will die SPD, dass regelmäßig über die Umsetzung des Gesetzes berichtet wird und die Berichte mit konkreten Zielvorgaben versehen werden. Einen hohen Stellenwert hat dabei, wie von der SPD schon im Frühjahr – erfolglos – per Gesetzentwurf gefordert und jetzt auch wieder von den Grünen verlangt, die Festsetzung einer Quote.

Sehr kritisch betrachtet Strohmayr das Anliegen, den Bürgern zur Umsetzung des Gesetzes einen Klageweg einzuräumen. Lieber sollte man Gesetze so machen, dass Klagen gar nicht erst erfolgen müssten. Sie warnte vor allzuviel Bürokratie. Aber eins sei klar: „Wir müssen bei der Gleichstellung tatsächlich Gas geben.“

Freie Wähler sprechen von „bürokratischem Monster“ und „absolutem Unsinn“

Die Freien Wähler werden, den Ausführungen von Peter Meyer zufolge, dem Entwurf kaum zustimmen. Der FW-Abgeordnete hält ihn für nicht zielführend. Die Grünen „übertreiben alles“. Der Gipfel dieses „bürokratischen Monsters“ ist für ihn, dass man jedem Bürger – egal ob er damit zu tun hat oder nicht – ein Klagerecht einräumen will. Das sei „absoluter Irrsinnn“ und würde zudem nichts bringen. Dfenn allenfalls würde ein gericht die Behörde zum Erlass eine Gleichstellungskonzepts verdonnern. Und dann wäre man genauso weit wie zuvor. Denn dann müsse es erst noch gemacht werden.

FDP: „ Wir sollten nicht so tun, als wären die Frauen bei uns nur benachteiligt.“

Prof. Georg Barfuß brachte es für die FDP auf den Punkt: „ Wir sollten nicht so tun, als wären die Frauen bei uns nur benachteiligt.“ Und mit Verweis auf Seidenaths Ausführungen: „Nirgends haben es die Frauen so gut wie im öffentlichen Dienst. Wer diese Vorreiterrolle des öffentlichen Dienstes nicht sieht, ist entweder im falschen Ausschuss oder ist ein bisschen blind.“ Von dieser Seite werde hier immer kritisiert, die Liberalen oder Konservativen wären zur Gleichstellung nicht in der Lage. Er sage: „Hier herinnen ist niemand, der sich nicht ehrlichen Herzens um die Gleichstellung von Männern und Frauen bemüht. Aber zaubern kann niemand, und wir können das Ziel nicht von heute auf morgen erreichen.“

Das sieht nach eher schlechten Karten für den Gesetzentwurf der Grünen aus. Doch manchmal kommt es auch darauf an, den richtigen Trumpf zur richtigen Zeit auszuspielen. Ohne die Unterstützung des Katholischen Frauenbundes, der die Entwicklung „mit großem Interesse beobachten“ will, zu hoch zu hängen, so wies dies auf einen ganz anderen Umstand hin. Auf den von der CSU immer wieder zumindest von dieser öffentlich verbreiteten Irrglauben, die Grünen seien kirchenfeindlich oder besäßen keine Nähe zu ihren Institutionen. Dazu brauchte es nicht nur Schießleders Hinweis, dass die Grünen-Abgeordnete Ulrike Gote lange im Landesausschuss des Katholischen Frauenbundes, Ausgabe Bayern, saß.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

30. November 2010 um 12:15h