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Staatsstraßen und Schuldensperre: Die Angst nur eins von zweien haben zu können

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Wenn gespart werden muss, trifft es leider den Staatsstraßenbau.“ Jörg Rohde von der FDP sitzt zwar noch nicht so lange im Landtag, um alle Episoden und Anekdoten dort direkt miterlebt zu haben. Doch vermutlich kann er auch aus eigener leidvoller Erfahrung sprechen, wie weiland Günther Beckstein, der als damaliger Innenminister dem Parlament berichtete, dass wenn er, Akten studierend im Auto fahre und es ruckle, dann wisse er: „Jetzt bin ich auf einer Staatsstraße.“ Das Lachen darüber verging Parlamentariern und Autofahrern – bis heute – als wenige Jahre später Ministerpräsident Edmund Stoiber den Rotstift zückte und zwischen 2003 und 2005 rigoros die Ausgaben für Erhalt und Bau der Staatsstraßen herunterfahren ließ. Begleitet von fast jährlichen Warnungen des Rechnungshofs sammelte sich in der Folge ein Sanierungsstau in Höhe von 720 Millionen Euro an. Mehr als ein Drittel der insgesamt 13500 km Staatsstraßen sind inzwischen dringend sanierungsbedürftig.

Freie Wähler: „Bayerns Straßen sind unterfinanziert – wie geht s weiter?“

Solche Zahlen nannte gestern in der Aktuellen Stunde des Landtags der Abgeordnete Thorsten Glauber. Seine Fraktion, die Freien Wähler, hatte das Thema „Bayerns Straßen sind unterfinanziert – wie geht s weiter?“ vorgeschlagen. In den Jahren 2008 und 2009 waren 80 bzw. 115 Millionen Euro jährlich investiert worden. Der ORH hatte jedoch vorgerechnet, dass in den nächsten zehn Jahren jeweils 170 Millionen eingeplant und verbaut werden müssten, um allein den Werteverzehr aufzuhalten.

Ausdrücklich wollte der verkehrspolitische Sprecher der CSU, Eberhard Rotter, seinem Kollegen Glauber bezüglich des Straßenhaushalts nicht widersprechen. Seit Jahren, abgesehen von dem mit Konjunkturprogrammen begleiteten Jahren von 2007 bis 2010 habe es immer zu wenig Mittel gegeben. Notwendig wäre eine Verstetigung insbesondere der regulären Haushaltsmittel, auch um Straßenbauämtern und Baufirmen Planungssicherheit zu geben. Dazu müsse sich das Parlament insgesamt durchringen. Dabei ging Rotter sogar über von den Freien Wählern geforderte Summen hinaus. Jährlich benötige man runde 200 Millionen, und das mindestens zehn Jahre lang. Demgegenüber fällt allerdings der bestehende Haushaltsansatz noch bescheiden aus. Nämlich für Um- und Ausbau 50 Millionen und 60 Millionen für die Bestandserhaltung. Zehn Millionen kämen vom Programm „Zukunft Bayern“ hinzu sowie einige Zerquetschte aus anderen Quellen, was sich auf runde 148 Millionen Euro addiert.

CSU: „Es wird noch ein ganz wesentlicher Nachschlag gegeben werden müssen.“

Um die von ihm, Rotter, genannten 200 Millionen zu erreichen, müsse sich der Haushaltsausschuss dieser großen Aufgabe stellen. Der Ausschussvorsitzende Georg Winter (ebenfalls CSU) habe ihm mitgeteilt, dass die Haushaltspolitiker vor ihrer Entscheidung noch einen Bericht des Innenministers hören wollen. Rotters Fazit: „Es wird noch ein ganz wesentlicher Nachschlag gegeben werden müssen.

SPD: Staatsregierung klagt über Bund doch im eigenen Beritt sieht es genauso aus

Bei Dr. Paul Wengert von der SPD kam Rotter mit seinen Ausführungen an den Rechten. Wer habe denn regelmäßig die Oppositionsanträge auf Erhöhung der Mittel abgelehnt? Doch nur die CSU und dies in den letzten beiden Jahren mit freundlicher Unterstützung der Liberalen. Die Bayerische Staatsregierung werde nicht müde, eine dramatische Unterfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans zu beklagen, während es im eigenen Beritt keineswegs besser ausschaue. Im wesentlichen kritisierte der Verkehrsexperte der SPD noch zwei Dinge. Wie man denn damit umgehe, dass Vorhaben in einem Jahr in die höchste Dringlichkeitsstufe gerieten, um im Folgejahr einfach ganz aus dem Ausbauplan herauszufallen. Einzelfälle? Nein. Außerdem seien im vergangene Woche dem Wirtschaftsausschuss vorgestelten 7. Ausbauplan 348 der insgesamt 668 vorgestellten Projekte nicht wirklich neu, sondern schon im letzten Plan enthalten gewesen. Diesen aktuell vorgestellten Ausbauplan müsse man sich noch genauer anschauen.

Außerdem ging Wengert auf die Problematik der sog. Raumwirksamkeitsanalyse (MAX v.22.2.2011) ein, die als drittes Kriterium neben der Nutzen-Kosten-Analyse und der Umweltverträglichkeitsprüfung in die Bewertung für die Durchführung eingeflossen ist. Mit der Folge, dass je höher die Verbindungsfunktion einer Straße und je strukturschwächer der Raum sei, desto größer werde die raumordnerische Relevanz des Projekts gesehen. Das bedeute dass die Verbindung von Oberzentrum zu Oberzentrum oberste Priorität genieße. Aber solche Oberzentren gebe es nun mal im ländlichen Raum recht selten. Innenminister Joachim Herrmann ging in seiner Schlussantwort nicht auf diese strittige Sichtweise ein. Er beschränkte sich darauf, den gemeinsamen Willen, den ländlichen Raum zu stärken, hervorzuheben.

Grüne: kein neues Straßen-Kind in die Welt setzen, das man nicht versorgen kann

Auch die weiteren Beiträge zeigten, wie schwierig es sein wird, in den Haushaltsberatungen mehr Geld für die Staatsstraßen loszueisen. Thomas Mütze, in seiner neuen Grünen-Funktion als verkehrspolitischer Sprecher, betonte den absoluten Vorrang des Straßenerhalts vor dem Bau neuer Straßen. Auch um kein neues Straßen-Kind in die Welt zu setzen, das man dann nicht versorgen kann. Die Grünen dächten wohl, in Zukunft bräuchte man keine geteerten Straßen mehr, konterte der Innenminister. Auch Elektroautos rumpeln nicht über den Acker. Doch quer durch die Fraktionen betrachtet, war festzustellen, dass der Straßenerhalt einen deutlichen Vorrang genießt. Rohde beispielsweise stellte für die Liberalen eine klare Rangfolge auf: Sanierung der Straßen – Ausbau der Straßen – neue Umgehungsstraßen.

Woher Geld in fünf Jahren nehmen, wenn es dreimal so teuer ist?

Rohde hatte eingangs auch betont, dass es Aufgabe der Opposition sei, auf Probleme aufmerksam zu machen. Aber keiner von denen sage, woher das Geld dafür kommen soll. Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger in seiner manchmal ungeliebten nichtsdestotrotz oft treffenden Art gab ihm die zustehende Antwort. Wo komme es in fünf Jahren her, wenn es dreimal so teuer sei? Letztlich war jedem Redner bewusst, dass man das Problem nicht weiter vor her schieben kann. Harte Winter tun noch ein Übriges hinzu. Zur Lösung angeboten wurde eigentlich Selbstverständliches. Rohde forderte mehr Effizienz beim Straßenbau oder Christian Meißner (CSU), der empfahl, den Straßenausbau- und den -zustand auf die bestehenden Minustemperaturen auszurichten.

Alexander Muthmann (Freie Wähler) empfahl einen Blick nach Oberösterreich. Das größenmäßig Niederbayern vergleichbare Land investiere 180 Millionen in den vergleichbaren Straßenbau. Dort laufe dies als Konjunkturmotor. Herrmann hofft auch auf mehr Investitionsspielräume, wenn wieder „etwas mehr Steuern im Säckel sind“. Doch die Ausgangslage vor den Haushaltsberatungen bleibt klar. CSU und FDP lehnen jeglche Neuverschuldung ab – einig ist man sich im Hohen Haus, dass mehr Geld in die Staatsstraßen invetsiert werden muss. Ob daneben noch etwas für die Sanierung des noch weitaus größeren kommunalen Straßennetzes abfällt, dafür war zumindest in dieser Debatte kein Hoffnungsschimmer zu erkennen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

04. März 2011 um 21:45h

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