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Neues Geschäftsmodell – die SPD zeigt Zähne

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Wer in der SPD – zumal es sich in Bayern abspielte – derart halsbrecherisch Strukturen umkrempelt, Führungspersonal wie Schachfiguren hin- und herbewegt, Abgeordnete mit eigener Hausmacht vor den Kopf stößt und dies, direkt nachdem das Konstrukt und er selbst zur Wahl gestellt wurden, politisch überlebt, hat nicht nur Glück gehabt. Da müssen Führungsstärke, Überzeugungskraft und auch persönlicher Mut Hand in Hand gehen. Insofern verwundert es schon, dass das Wahlergebnis von Markus Rinderspacher als Dämpfer, Rüffel etc. eingeschätzt wurde. 28 von 39 SPD-Landtagsabgeordneten haben für ihn und sein Modell die Hand gehoben. Beim Rest hielten sich Gegenstimmen und Enthaltungen nach Darstellungen aus den Reihen der Fraktion die Waage.

Während manche nach Bekanntwerden von Rinderspachers Absichten sogar über seine Abwahl spekuliert hatten, scheint mittlerweile die Meinung vorzuherrschen, der alte und neue Fraktionschef gehe gestärkt aus der Debatte hervor. Gerade wenn die ersten geschlagenen Wunden verheilt sein würden, setze der Glaube an das Modell und auch an die Führungsspitze ein. Ein Mitglied der Fraktion (gut vernetzt in der SPD, mit Mitspracherechten und klug) ist sich sehr sicher, „dass die Fraktion in Zukunft ein Stück weit schlagfertiger“ wird.

Ziel: Gute Politik mit Köpfen verbinden

Ziemlich offen wird ein Mangel der SPD nicht nur deutlich sondern geradezu ins Bewusstsein gezerrt. Es fehl(t)e daran, dass man gute Politik nach außen nicht mit Köpfen verbinden könne. Der gelernte Medienmensch Rinderspacher scheint das schon langer erkannt und angepackt zu haben. Fast beispielhaft kann die vor einigen Monaten überarbeitete Homepage herangezogen werden. Diesem lahmen Gaul wurden Beine gemacht. Plötzlich blinken markante Gesichter auf, blecken den Betrachter blitzende Zahnreihen an und Aussagen werden dazu erkennbar. Die SPD – zumal die bayerische – zeigt plötzlich Zähne.

Sozialpolitik: die SPD will unbequemer werden

Über die bunte Internetseite hinaus, soll dies in der Tagespolitik neben dem Vorsitzenden und seinen drei Stellvertretern vor allem ein neues Führungstrio tun. Am bekanntesten unter diesen dürfte Hans-Ulrich Pfaffmann sein. Es wird Überzeugungsarbeit gekostet haben, ihn von seinem angestammten – und besser bezahlten – Platz als Vorsitzenden des Bildungsausschusses hinweg zu lotsen, um dafür die SPD in Sachen Soziales zu repräsentieren. Der über Fraktionsgrenzen hinweg anerkannte Bildungsexperte als Sozialpolitiker? Dafür gibt es gute Gründe. Pfaffmann ist gelernter Krankenpfleger und hat hier über Personlaratstätigkeiten schon ein erstes erweitertes Gesichtsfeld für den sozialen bereich erhalten. Dass diese Ader keineswegs verschüttet wurde, spürte man gerade in den letzten Monaten, wenn er sich zur Inklusion in Schulen äußerte. Hinzu kann er sehr sehr unbequem werden, auch polarisieren – Dinge, an denen es den fachlich sehr fähigen Sozialpolitikern der Fraktion mangelte.

Manche hätten auf einer solchen Position allerdings eher den bisherigen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Dr. Thomas Beyer erwartet. Als Vorsitzender der bayerischen Arbeiterwohlfahrt erschien er eigentlich dafür geradezu prädestiniert zu sein. Es gibt allerdings auch Stimmen, die sich fragen, warum sich gerade sein Gewicht als AWO-Chef in Bayern für die SPD bisher nicht ausgezahlt hatte. Andererseits gilt der gelernte Jurist als excellenter Wirtschaftsfachmann. Vor einem Jahr hatte Beyer ein umfangreiches Papier präsentiert, das Grundpositionen der SPD zwischen Wirtschaft und Arbeit auf sehr interessante Weise verknüpfte. Dass dieses unerklärlicherweise noch nicht den Weg aus den Gremien der SPD heraus gefunden hatte, mag sich jetzt vielleicht ändern. Zu beobachten wird allerdings sein, wie sehr sich Beyer in der neuen Aufgabe engagiert. Die Frage hat er selbst dadurch aufgeworfen, indem er sich noch gestern in eine Kampfkandidatur um seinen bisherigen Sitz als stellvertretender Fraktionvorsitzender gewagt hatte. Letztlich stellte er damit klar, dass ihm diese Tätigkeit/Funktion lieber gewesen wäre.

Am wenigsten gibt es noch zu sagen über Martin Güll. Der ehemalige Leiter einer Hauptschule gehört zur ruhigen, besonnenen Sorte. Neben seinen fachlichen Qualifikationen scheint er auch die Fähigkeit mit zu bringen, Projekte voranzutreiben. Beim jüngst vorgelegten gemeinsamen Gesetzentwurf aller Landtagsfraktionen zur Inklusion an Schulen war er maßgebend an Erarbeitung und Gelingen beteiligt.

Es soll eine sehr einsam getroffene Entscheidung gewesen sein.

Noch nicht gelungen ist Rinderspachers Absicht, Pfaffmann, Beyer und Güll qua Amt in den Fraktionsvorstand zu befördern. Diese Frage wurde bei erkennbaren Widerständen in der Fraktion erst einmal vertagt. Da mögen Befürchtungen eine Rolle spielen, eine Zwei-Klassen-Geselschaft in der über die Jahre hinweg kleiner gewordenen Fraktion könne sch manifestieren. Rinderspacher wollte es anscheinend nicht darauf ankommen lassen. Die Fraktion schien ohnehin bis an ihre Grenzen durch die Vorgehensweise ihres Chefs belastet. Es soll eine sehr einsam getroffene Entscheidung gewesen sein. Der Landesvorstand war nicht informiert – vom Vorsitzenden Florian Pronold vielleicht abgesehen.

Über Rinderspacher haben sich schon viele gewundert

Ein durchaus interessanter Gesichtspunkt. Auf der einen Seite der Abgeordnete Rinderspacher, der erfolgreich die Staatsregierung in Fragen demokratischer Umgangsformen auf einen „neuen“ Weg brachte und auf der anderen Seite der Fraktionschef mit der Neigung, erst einmal Fakten zu schaffen. Doch über Markus Rinderspacher haben sich schon viele gewundert. Mit seiner ersten Antwortrede auf eine Regierungserklärung war der eher als sanft beschriebene damals neue Oppositionsführer wie ein Ungewitter in den Plenarsaal eingebrochen und über Ministerpräsident Horst Seehofer hergefallen. Der wegen mangelnder Teamfähigkeit in der SPD-Fraktion ins Abseits geratenen Abgeordneten Adelheid Rupp hatte Rinderspacher für viele überraschend eine zweite Chance als Frontfrau in einem Untersuchungsausschuss gegeben und ihr beim ersten „Rückfall“ die rote Karte gezeigt – sehr herb soll es dabei in der Fraktionssitzung zugegangen sein. Frau Rupp hat sich später aufs Land zurückgezogen, Herr Ministerpräsident.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

09. Juni 2011 um 08:45h