MAX-Online

Landtag, Kommunen, Regierung, Organisationen

Studentische Mitbestimmung: Bayern standhaft oder unbeweglich?

kommentieren

Es war durchaus einer aufgekommenen Nervosität zuzuschreiben, dass nach den im Vergleich zu den 68er Jahren kleinen Studentenunruhen um diese Jahrzehntwende die bayerischen Studentenorganisationen vom Wissenschaftsministerium eingeladen wurden in einer Arbeitsgruppe an einem Modell für mehr studentische Mitspracherechte mitzuarbeiten. Auf einen von den Freien Wählern beantragten Beschluss des Landtags vom 29. März hin, sollte im Hochschulausschuss ein Zwischenbericht gegeben werden. Nachdem die Studierendenvertreter im Juni unter Protest die Arbeitsgruppe verlassen hatten, erfuhr nun der der gestern von Minister Wolfgang Heubisch gegebene Bericht unerwartete Brisanz und Aktualität. Wirklich Neues ist zwar nicht herausgekommen. Interessant war es trotzdem in mehrererlei Hinsicht. Alte Ängste und Gespenster sind nun mal nicht so leicht zu vertreiben.

Heubisch: verfasste Studierendenschaft „politisch nicht verhandelbar“

Dass eine Neueinführung der verfassten Studierendenschaft – Bayern hatte sie 1973 abgeschafft – nicht zur Disposition gestanden hatte, war von vorneherein von der Staatsregierung klar gemacht worden und wurde gestern auch von Heubisch nochmals bekräftigt. Sie sei „politisch nicht verhandelbar“. anstelle einer Anstelle einer solchen Teilkörperschaft öffentlich-rechtlicher Natur sollte eine privatrechtliche Organisation verhandelt werden. Während der Minister auch gestern den Eindruck vermittelte, dass die Arbeitsgruppe auf durchaus gutem Wege mit staatlichen Zugeständnissen gewesen sei und die Studierenden praktisch ohne Vorwarnung und auch nicht unmittelbar ihm gegenüber das Gremium verlassen hätten, hatte hierzu der stellvertretende Ausschussvorsitzende, Dr. Christoph Rabenstein (SPD), ganz andere Informationen.

SPD: „bis auf marginale Sachen“ wurden alle Vorschläge der Studenten abgelehnt

Aus dem noch nicht veröffentlichten Abschlussbericht gehe hervor, dass „bis auf marginale Sachen“ alle Vorschläge der Studierenden, die Mitwirkung an den Hochschulen auszubauen, abgelehnt worden seien. Die Studierenden, und das war für Rabenstein der Hauptpunkt, seien „in den Verhandlungen nicht ernst genommen“ worden. Es gehe nicht an, sich nur auf Rechtspositionen zurückzuziehen – damit werde „eine politische Diskussion ad absurdum geführt“. Man behandle die Studenten „nicht als Partner, sondern als Kunden“.

Adelheid Rupp, in ihrer SPD-Fraktion als „nicht teamfähig“ verschrien, wird mittlerweile auch optisch ausgegrenzt (oder grenzt sich selber aus). Zwischen ihren Fraktionskollegen jedenfalls steht kein Stuhl für sie. Von links außen, noch neben den Grünen, stimmte sie „meinem Fraktionskollegen sehr zu“, stellte aber radikal fest, seitens des Ministeriums gebe es „überhaupt kein Interesse an Mitbestimmung“. „Ein Ernst nehmen der Situation, der Belange der Studierenden gab es zu keinem Zeitpunkt.“ Und, vor allem, sie ging Heubisch (FDP) auch persönlich an: „Ich habe Sie eigentlich für einen weltoffenen, liberalen Menschen gehalten.“

Rupps immer spürbare Kampfeslust und -bereitschaft macht eben den Unterschied innerhalb der SPD aus. Dass sie möglicherweise auch in diesem Fall wieder mit ihrem Direktangriff auf den FDP-Minister fraktionsintern wieder aneckt, ist gut möglich. Immerhin hat Fraktionschef Markus Rinderspacher gerade die FDP-Landesvorsitzende eingeladen. Die Bundesjustizministerin soll zwar zu juristischen Themen sprechen, doch der Zeitpunkt kommt nach Sabine Leutheusser-Schnarrenbergers neuem Koalitions-Gesäusel kaum von ungefähr.

FDP: „Art der Wertschätzung, die wir Wissenschaft entgegenkommen lassen“

Immerhin war interessant, wie im Ausschuss seitens der FDP auf die Vorhaltungen der SPD reagiert wurde. Dr. Annette Bulfon, immer nur Rupp im Blick, verhielt sich ähnlich wie die FDP-Bildungssprecherin Renate Will in mancher Schuldebatte (a la „eigentlich wollen wir der Opposition zustimmen“) und verteidigte den grundsätzlichen Führungsanspruch der Liberalen in Sachen Mitbestimmung. Doch sie sehe sich schon veranlasst, auf einen bestehenden Gegensatz zwischen Wissenschaft und Politik hinzuweisen. Im Regierungsverhalten sind für sie keine „Ängste“ zu sehen, „sondern die Art der Wertschätzung, die wir Wissenschaft entgegenkommen lassen wollen“. Auch Bulfon betonte, dass es von vorneherein klar war, dass nicht über die verfasste Studentenschaft diskutiert werde. Und sie fügte – fasst entschuldigend mit Blick auf Rupp – hinzu „was natürlich eine Einschränkung ist“.

Freie Wähler: „immer noch große Ängste vor Studenten spürbar“

Zu den angesprochenen „Ängsten“ hatte vor allem Prof. Michael Piazolo von den Freien Wählern seiner Verwunderung Ausdruck gegeben. Bei der Frage, wie man mit Studierenden umgehe seien mit Hinweis auf die 68er Jahre „immer noch große Ängste vor Studenten spürbar“. Er – Piazolo erfüllt noch einen Lehrauftrag – sage immer „keine Angst vor Studenten“. Als Hochschullehrer setze er dem viel mehr Vertrauen entgegen. Und an solchem auch gegenseitig notwendigem Vertrauen ist für Piazolo während der sitzungen der Arbeitsgruppe einiges verloren gegangen. Studium bedeute ja auch Chance, jungen Menschen vorzuführen, wie Demokratie funktioniert. „Was hier jetzt passiert, ist mir zu wenig.“

Grüne: von Umsetzung der Ergebnisse nichts gesagt – „es gibt ja auch keine“

Dr. Sepp Dürr von den Grünen hat offensichtlich einiges an Erfahrung und daraus gewonnenem Sarkasmus aus seiner Tätigkeit im Landesbank-Untersuchungsausschuss in seine normale Ausschussarbeit mit hinübergenommen. Der Minister habe keinen ton davon gesagt, wie er die in der Arbeitsgruppe gewonnenen Mitbestimmungsrechte konkret realisieren wolle. Von der Umsetzung der Ergebnisse habe Heubisch nichts gesagt – „es gibt ja auch keine“.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

07. Juli 2011 um 07:27h

Abgelegt in Allgemein,Bildung

Schlagwörter: