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FDP in Bayern: Weiter wirtschaftsliberal oder mehr bürgerliberal?

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Fliegt die FDP auch in Bayern aus dem Landesparlament? Zwei Jahre vor den Wahlen eine gewagte Frage. Doch spätestens einen Tag nach dem Wahlergebnis von Berlin muss die Landes-Partei Weichen stellen, um nicht auch hierzulande punktgenau zwischen NPD und einer Tierschutzpartei in der parlamentarischen Bedeutungslosigkeit zu landen. Wo stehen die Liberalen derzeit in Bayern? Auch hier hat sich bislang der wirtschaftsliberale Flügel durchgesetzt. Die FDP führt in der Regierungskoalition mit der CSU das Wirtschafts- und das Wissenschaftsministerium. Das Ressort für Hochschule, Wissenschaft und Kunst von Wolfgang Heubisch steuert eher unauffällig aber im Rahmen der Möglichkeiten erfolgreich durch schwierige Hochschulzeiten. Wirklich schwer tut sich der Minister nur mit den Studierendenrechten. Im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit steht jedoch weitaus mehr der stellvertretende Ministerpräsident Martin Zeil.

Was die FDP vermeiden wollte: Landesentwicklung gerät in den Wahlkampf

Zuallererst der Wirtschaftsminister bekam die Nackenhiebe von Ministerpräsident Horst Seehofer zu spüren. Nichtsdestotrotz konnte er häufig punkten, wenn es um die Durchsetzung wirtschaftsliberaler Interessen ging. Doch dort, wo es in diesen Jahren wirklich gilt landespolitisch Butter bei die Fische zu geben, ähnelte das Vorgehen seines Ressorts der Sprechweise des Ministers. Langsam wenn überhaupt geht es voran in Sachen Landesentwicklung. Das beginnt mit der schleppenden Breitbandversorgung, die, wie sich zuletzt auch immer deutlicher zeigte, zuvorderst die Versorgung der regionalen Wirtschaft und nicht die der Bürger im Auge hatte. Und das endet mit der Behandlung der Gesamtthematik. Aus den Landtagswahlen 2013 herausgehalten werden sollten sensible Themen wie das Landesentwicklungprogramm hieß es noch zum Vorjahresbeginn aus dem Ministerium. Doch genau dort drohen sie zu landen, denn ein damals aufgestellter Fahrplan ist hoffnungslos – vor allem aber nicht nur – in den Koalitionsstreitereien versandet.

Energie-Trassenpolitik: Bürgerbeteiligung ins Abseits gerutscht?

Gerade in der Landesentwicklung zeigt sich das Dilemma in der sich die FDP auch in Bayern befindet. Nicht nur im Wirtschaftsministerium oder der Landesleitung, sondern auch in der Landtagsfraktion. Nicht nur, dass auf deren Homepage – noch heute – unter Aktuellen News zur Klausurtagung vergangener Woche im Vordergrund das Positionspapier zum Euroraum steht. Auch danach wird an herausgehobener Stelle zur Energiepolitik beispielsweise das Anstreben einer länderübergreifenden Trassenkonferenz zur Sicherung des Stromtransfers vom Norden in den Süden der Republik verkündet. Vom notwendigen zügigen Ausbau, der Arbeitsplatzsicherung oder Versorgungssicherheit ist da die Rede. Von Bürgerbeteiligung oder Transparenz kein Wort.

Schlagwörter, die den schwächeren, den bürgerliberalen Teil der FDP prägten. Oder doch noch mitprägen? Zu Jahresbeginn verabschiedete die Fraktion in Neu-Ulm ein sehr interessantes Positionspapier zu mehr Bürgerrechten. Unbeachtet. Nur einmal verwies ihr hier federführender Abgeordneter, Dr. Andreas Fischer, in einer Plenardebatte auf entsprechende Pläne seiner Partei, seiner Fraktion. Sogar die Opposition war interessiert bei genannten Überlegungen wie „Bürgerbeteiligung statt Verbandsanhörung bei Gesetzesvorlagen“. Das Papier wurde jedoch offensichtlich ausgebremst. Als weder durchsetzbar beim Koalitionspartner noch passend in die Marschrichtung der Wirtschaftsliberalen in Bayern und beim Bund. Trotz einer solchen Bürgerrechte-Überlegungen prinzipiell nahestehenden Landesvorsitzenden Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Wirtschaftspolitiker mit Visionen längst bei Grünen oder SPD zu finden

Doch dies könnte sich ändern. Ob eine FDP-interne Macht- und Positionsverschiebung stattfindet ist offen. Die Chance der Liberalen könnte darin liegen, dass die Frage „Wird die FDP noch gebraucht?“ sich auf den wirtschaftsliberalen Teil reduziert. In Bayern selbst dürfte die Frage schon beantwortet sein. Zukunftsgerichtet könnte man sich längst die Grünen am Verhandlungstisch mit beispielsweise Siemens nach dessen angekündigtem Totalausstieg aus dem Atomgeschäft vorstellen. An deren Fraktionsspitze steht eine breite Wirtschaftsfront. Neben die – was weniger bekannt ist – in die Grundlagen visionärer Wirtschaftspolitik schon früh eingestiegene Margarete Bause rückte der akribisch vorgehende und umfassend informierte Wirtschaftsexperte Dr. Martin Runge. Dahinter stehen der erfahrene Umwelt-, Wirtschafts- und Verkehrsexperte Dr. Christian Magerl sowie der agile, durch seinen Nolympia-Einsatz bekannt gewordene Energiesprecher Ludwig Hartmann. Nicht zu vergessen auf SPD-Seite der bayerische AWO-Vorsitzende und Wirtschaftssprecher der Fraktion, Dr. Thomas Beyer. Auch dieser hatte schon vor zwei Jahren ein sozial geprägtes Wirtschaftspapier vorgelegt, von dem man allerdings auch nicht mehr viel hörte. Ganz davon abgesehen, dass die SPD voraussichtlich von Christian Ude in den nächsten Landtags-Wahlkampf geführt wird. Der Münchner OB steht schlicht auch für eine erfolgreiche kommunale Wirtschaftspolitik.

Stehen die Piraten auch in Bayern bald für mehr Bürgerrechte?

Neben diesen neuen Stärken auf SPD- und Grünenseite haben sich dort auch Schwächen herausgebildet. Nicht von ungefähr kommt angesichts des Piraten-Erfolgs in Berlin eine spontane Reaktion der Bundesvorsitzenden der Grünen, Claudia Roth: „Wir müssen gucken, wie wir unser Bürgerrechtsprofil schärfen.“ Das gilt auch für Bayern. Und darin könnte durchaus eine Profilierungschance für die FDP im Freistaat liegen. Wenn denn der Zug nicht abgefahren ist. Die Menschen sind neugierig geworden auf die Piratenpartei. Wenn es dieser in Berlin gelingt, wie angekündigt, mehr Bürgerbeteiligung ins Parlament zu tragen, könnten die Piraten den Liberalen in Bayern das Thema im Wahlkampf wegnehmen. Dann müssten sich auch die Grünen, die in ihrer Herbstklausur die Thematik Bürgerbeteiligung und Transparenz gerade mit Blick auf Genehmigungsverfahren im Zuge der Energiewende diskutierten, warm anziehen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

19. September 2011 um 12:03h

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