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Kostenfreies 3. Kindergartenjahr: Nur im Prinzip einig – Geldmangel führt zu Streit um Prioritäten

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Mit dem ersten Satz lag er falsch. Auf Hans-Ulrich Pfaffmanns Einschätzung, dass er mit diesem seit vielen Jahren im Landtag diskutierten Anliegen „sicher keine neue Diskussion“ auslösen werde, folgte nämlich eine ausgesprochen hitzige Debatte. Und zwar zum gestern im Plenum eingebrachten Gesetzentwurf (9739) der SPD für ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr. Aus den Redebeiträgen kristallisierte sich die Vielschichtigkeit der Problematik deutlich heraus. Und die Grenzen wurden keineswegs zwischen Regierungsfraktionen und Opposition gezogen, sondern unterschiediche Schwerpunkte sogar innerhalb der einzelnen Lager und Fraktionen gesetzt.

Macht es Sinn ein kostenfreies letztes Jahr anzubieten wenn ohnehin fast 100 % der Kinder (zum Teil unter sozialer Beihilfe) dorthin gehen? Ist es vielleicht doch besser vordringlich das erste Kindergartenjahr kostenfrei zu stellen? Soll man das Geld nicht zuallerst für die Qualität des Bildungsangebots im Kindergarten ausgeben? Gehört Bildungspolitik in eine Hand statt sie auf die Ressorts Kultus und Soziales zu verteilen? Am positivsten ist vermutlich die Aussage von CSU und FDP zu bewerten, dass zuallererst die November-Steuerschätzung abzuwarten sei. Denn dann wisse man, wieviel Geld ausgegeben werden könne. Das gibt den Sozial- und Bildungspoitikern in den Ausschussberatungen ausreichend Zeit und Gelegenheit, mit ihren Argumenten den Boden für solche Entscheidungen zu bereiten.

SPD-Gesetzentwurf ist als Ziel in Koalitionsvereinbarung von CSU/FDP verankert

Den Ausgangspunkt für einen unter den Sozialpolitikern des Landtags bislang eher ungewöhnlich scharfen Ton bot der ansonsten fast abgearbeitete Koalitionsvertrag zwischen CSU und FDP. In diesem ist als Ziel ein kostenfreies letztes Kindergartenjahr verankert, und zwar mittelfristig. Da müsse sich die FDP aber beeilen, denn nach 2013 habe sie dafür keine Gelegenheit mehr. Mit solchen Bemerkungen hatte Pfaffmanns Versuch, die Liberalen unter den SPD-Gesetzentwurf zu zwingen, natürlich von vorneherein wenig Chancen. Was sich vor allem an den munteren Zwischenrufen von FDP-Fraktionschef Thomas Hacker zeigte. Doch auch die Sachargumente des sozialpolitischen Sprechers der SPD stießen auf nachvollziehbaren Widerspruch.

SPD geht es um Entlastung von Familien und Qualitätsverbesserung


Pfaffmann hatte den Gesetzentwurf im wesentlichen mit zwei Zielen begründet. Es gehe um Entlastung der Familien durch Gebührenfreiheit, denn „jedermann weiß, dass die Kindergartengebühren für viele Familien gar nicht mehr bezahlbar sind“, sowie um eine Qualitätsverbesserung in der Kindergartenarbeit. Letzteres gelte insbesondere für das letzte Kindergartenjahr, denn der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule sei ein bedeutender pädagogischer Schritt. Pfaffmanns Hinweis auf das Ziel der SPD alle Kindergartenjahre kostenfrei anzubieten, wird zwar von fast allen Abgeordneten als im Prinzip wünschenswert aber wohl von einer großen Mehrheit als in nächster Zukunft undurchführbar eingeschätzt.

Auf Pfaffmanns durch Zitate untermauerten Einwurf, die CSU solle erst einmal eine fraktionsinterne Klärung herbeiführen, ob die Einführung des kostenosen Kindgartenjahrs „keine Priorität“ (Joachim Unterländer, sozialpolitischer Sprecher der CSU) habe oder „als Einstiegslösung in eine gänzliche Kostenfreiheit der Eltern“ (Konrad Kobler, früherer sozialpolitischer Sprecher der CSU) zu sehen sei, antwortete Unterländer direkt. In der Koalitionsvereinbarung sei von „Prüfung“ eines kostenlosen letzten Kindergartenjahrs die Rede, und zwar über ein vorliegendes Konzept zur Verbesserung der Rahmenbedingungen hinaus. Und dazu werde, wie von den Fraktionsspitzen der Regierungskoalition beschlossen, nach der Steuerschätzung eine Entscheidung getroffen. Hinsichtlich der von der SPD genannten Kosten in Höhe von 90 Millionen Euro warf Unterländer dieser vor, dies sei „finanzpolitisch unseriös“. Man müsse von einer Größenordnung zwischen 300 und 500 Millionen ausgehen. Aber der SPD-Vorschlag sei auch sozialpolitisch fragwürdig, denn in ihm trete durch den vorgegebenen finanzpolitischen Rahmen die Quaität der Kinderbetreuung eher in den Hintergrund.

CSU und FDP geben notwendiger Qualitätsverbesserung den Vorrang

Für Unterländer ist es eher absurd, dass man angesichts der bestehenden Entlastung der sozial Schwächeren bei den Kindergartenbeiträgen nicht zuerst auf die Verbesserung der Qualität schaut. Eine Position, in der er von der sozialpolitischen Sprecherin der FDP, Brigitte Meyer, eindeutig unterstützt wurde. Die vorsitzende des Sozialausschusses warf auch ein, dass die SPD quasi mit dem Rasenmäher auch diejenigen entlasten wolle, die schon bisher ihre Kindergartenbeiträge problemlos bezahlen konnten. Wenn man all die von der SPD genannten Gruppen entlaste, sei an der Qualität noch nichts verbessert. Fast zwangsläufig sei davon im Einzelnen bei der SPD auch nichts zu hören.

Freie Wähler fragen nach Lösungsansätzen durch FDP

Und wo, bitte schön, biete die FDP hierzu Lösungsansätze an? Hubert Aiwanger, Fraktionschef der Freien Wähler, verwies allein darauf, dass von Kindergartenseite aus immer darauf verwiesen werde, dass kein geeignetes Personal zu finden sei, um die hier geforderte Qualitätsverbesserung zu erreichen. Einen Ball, den Pfaffmann gerne aufnahm angesichts seines Problems hinreichend zu erklären was Kostenfreistellung mit Qualitätsverbesserung zu tun hat. Der SPD-Sozialsprecher verwies deshalb lieber darauf, dass er seitens der Regierungskoalition in diesen drei Jahren noch keine einzige Initiative zur Verbesserung der Personalsituation gesehen habe. Und noch eines setzte Pfaffmann drauf. Richtigerweise wies er dauf hin, dass im Koalitionsvertrag keineswegs nur von Prüfung der Kostenfreiheit die Rede sei, sondern vielmehr von der beabsichtigten mittelfristigen Einführung. Das sei ein Versprechen an die Wähler.

Von Wünschenswertem und Durchführbarem: Grüne sagen was sie wollen

Und die Grünen? Auch sie haten die Einführung eines kostenfreien Kindergartenjahrs „selbstverständlich für richtig“. Erziehung im Kindergarten sei Bildung und diese sei eigentlich kostenfrei, stellte die sozialpolitische Sprecherin, Renate Ackermann fest. Vor dem Hintergrund, dass im letzten Kindergartenjahr sowieso die meisten Kinder erreicht würden, erschiene es ihr als vernünftiger das erste Kindergartenjahr kostenlos anzubieten. Doch die frühkindliche Bildung sei in Bayern insgesamt jahrzehntelang verschlafen worden. Angesichts dieses Problemstaus sei vieles zwar wünschenswert aber „nur Schritt für Schritt machbar“. Dies werde extrem teuer. „Das kostet zwar, aber wir müssen wissen, was wir wollen.“ Die Grünen hätten ihre Prioritätensetzung gefunden. Beginnend bei der Qualität, über die Ausbildung, die flächendeckenden Krippen und, aufbauend, bei einem ersten kostenfreien Kindergartenjahr bis die ganze Kindergartenzeit kostenfrei ist.“ Nun. Sie hat gesagt, was sie will, und dass ihre Fraktion sich beim SPD-Gesetzentwurf enthalten werde.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

13. Oktober 2011 um 11:04h

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