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Bemerkenswertes von der FDP: Fraktion strampelt sich frei

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Totgesagter als die FDP geht eigentlich gar nicht, was auch für die bayerischen Liberalen gilt. Ob in Bund oder Land, der Oppositionsspott über von der Union aufgespannte Schirme zur Rettung des kleinen Regierungspartners – vor allem jedoch zum eigenen Machterhalt – begleitet die Politik. Die bayerischen Liberalen scheinen sich davon freizustrampeln. Peu a peu zeigt sich eine Struktur im Versuch, eigene Schwächen zu beheben und alte Stärken zu neuem Leben zu erwecken

Das Freistrampeln hat schon vor einiger Zeit durch die Landtagsfraktion eingesetzt. Aus guten Gründen war sie anfangs zum einen als ferngesteuert von Berlin in Person der Landeschefin Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und zum anderen allzu dominiert von der politischen Spitze des von der FDP geführten Wirtschafts- und auch des Wissenschaftsministeriums eingeschätzt worden.

Dies hat sich offensichtlich grundlegend geändert. Das liegt nicht nur an Fraktionschef Thomas Hacker, der inzwischen mindestens auf Augenhöhe mit seiner Landeschefin und Wirtschaftsminister Martin Zeil Lage und Themen bespricht. Dabei kommt ihm natürlich seine vor kurzem erfolgte Wahl in den Bundesvorstand der FDP zu Hilfe. Das liegt auch an Ideen und Potential aus der Fraktion heraus, mit dem sich die FDP in Landtag und gegenüber der Staatsregierung profilieren und sogar thematisch in Ansätzen für die Opposition als Partner interessant machen könnte.

FDP-Wirtschaftspolitik erfolgt längst nicht mehr „nur aus dem Ministerium heraus“

Auf der Wirtschaftsachse hat sich in der Fraktion ein starkes Tandem herangebildet. Während Hacker als politischer Kopf von verschiedenen Seiten schon als denkbarer Wirtschaftsminister im Austausch mit Zeil gehandelt wird, punktet der wirtschaftspolitische Sprecher Dr. Thomas Kirschner auf der Sachebene. Beide sind unabhängige Unternehmer. Hacker führt in Bayreuth eine große Steuerkanzlei, worauf er im Gespräch durchaus hinweist. Darin wird jedoch auch Zahlensicherheit erkenn- und eine große Beharrlichkeit spürbar. Aus einem lange Unterschätzten wurde einer, dem man viel zutraut. Mehr noch nicht.

Der gelernte Metzgermeister und nach BWL- und Jurastudium nun neben seinem Mandat als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer tätige Kirschner beschäftigt in seinen Unternehmen mittlerweile annähernd 300 Mitarbeiter. Der politischen Denke zieht er die Orientierung an eigenen wirtschaftlichen Erfahrungswerten vor. Dies führte ihn auch zu seiner äußersten Skepsis gegenüber diversen Rettungsschirmen, zum Eintreten für einen Schuldenschnitt mit starker Belastung der Banken. Eine Haltung in der er Recht zu bekommen scheint und die er gegenüber Wirtschaftsminister Zeil und der Fraktion erfolgreich und lautstark vertreten hatte. In einer Fraktionssitzung soll es Teilnehmern zufolge sogar fast zu einem Eklat durch Kirschners Drohung den Bettel hinzuschmeißen gekommen sein.

Wirtschaftsförderung muss „hin zu den Köpfen“

Im Gespräch über die Arbeit des Wirtschaftsministeriums verhält er sich Zeil gegenüber völlig loyal. Doch genauso wird deutlich, dass Kirschner manche Zielrichtung nicht passt. Als Beispiel nennt er selbst die Wirtschaftsförderung. Die müsse „hin zu den Köpfen“. Dort liege das gerade in Bayern zu fördernde Kapital. Natürlich weiß er, dass solches nur über die EU geht. Doch das sei ja kein Hindernis. Bleibt abzuwarten, ob sich dies in Fraktions-Initiativen oder des Ministeriums niederschlägt. Kirschner war schon zu Beginn der Legislatur als Wirtschaftsstaatssekretär heiß gehandelt worden. Aber „ich bin ja keine Frau“ meint er dazu ziemlich locker. Mittlerweile ist das Thema für ihn durch. Er müsse sich um seine Firmen kümmern.

Aufmerksam kann man auch werden, wenn man erfährt, dass der bayerische DGB-Chef Matthias Jena vergangene Woche die Fraktion besucht hat. Bei dem Gedankenaustausch sei deutich geworden, dass es zwar bei den Themen Zeitarbeit/Leiharbeit und Mindestlohn klare Differenzen gebe aber weitgehende Übereinstimmung der Ansichten zu Bildung und Arbeitnehmerdatenschutz bestehe. Neben diesem sichbaren Versuch offenliegende Flanken zu schließen, gibt es auch andere Anzeichen, dass sich die Landtags-FDP müht, sich gerade in Fragen der Bürgerrechte oder des Datenschutzes gegenüber dem größeren Regierungspartner zu profiieren. Notfalls oder auch vor allem auf dessen Kosten.

Trojaner „in rechtlicher Grauzone“ – FDP will nicht locker lassen

So erklärte der rechts- und innenpolitische Sprecher Dr. Andreas Fischer nach einem Informationsbesuch über den Trojaner im Landeskriminalamt, dass – entgegen der Ansicht des Innen- oder Justizressorts – es beim Einsatz des Trojaners durchaus rechtliche Grauzonen gebe. Er will auch darauf dringen, dass nach Abschluss der Untersuchungen des Datenschutzbeauftragten sich Innenminister Joachim Herrmann vor den betreffenden Ausschüssen des Landtags äußert. Fischer hat Erfahrung darin, sich in Sachen Bürgerrechte gegenüber der CSU zu profilieren. Nie hat die Landtags-FDP besser ausgesehen als in der Pressekonferenz vor zwei Jahren, als Fischer neben CSU-Vertretern das für sie erfolgreiche Verhandlungsergebnis zur Neuordnung des Versammlungsrechts und zum Polizeiaufgabengesetz verkündet hatte.

Vielleicht führt die Erinnerung daran auch dazu, dass ein scheinbar in der Schublade verschwundenes Positionspapier zu mehr Bürgerrechten in die politische Pipeline geschoben wird. Im Februar hatte die Fraktion ein solches Positionspapier verabschiedet. Randvoll mit Reizthemen wie Bürger- an Stelle der Verbandsanhörung bei Gesetzesvorhaben. Vorerst wird nur angedeutet, dass das Papier auf der Tagesordnung der Winterklausur in Benediktbeuern auftaucht. Dann will die FDP-Fraktion über die Stoßrichtung der kommenden zwei Jahre entscheiden.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

24. Oktober 2011 um 12:40h

Abgelegt in Landespolitik

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