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Europäisch-amerikanisches Freihandelsabkommen – Transparenz gefordert/Freie Wähler: Debatte soll auch im Landtag geführt werden

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Der Begriff kommt sehr harmlos daher. Doch was soll mit dem europäisch-amerikanischen Handelsabkommen erreicht werden? Zollabbau? Darum geht es längst nicht mehr allein, denn nur noch etwa 4 – 7 Prozent des Handelsvolumens unterliegen den Zollbestimmungen. Das Augenmerk liegt denn auch auf einer tiefgreifenden wirtschaftlichen Harmonisierung in Verbraucherfragen und Wettbewerb mit den Eckpunkten Industriestandards, Lebensmittelgesetze und Regierungsaufträge sowie ein Transatlantischer Binnenmarkt (Quelle: Transatlantischer Wirtschaftsrat TEC).

Doch über die begleitenden „einschneidenden Veränderungen, die zu einer grundlegenden Umgestaltung deutscher und europäischer Rahmenbedingungen führen“, verhandelt die EU-Kommission hinter verschlossenen Türen, wettert Hubert Aiwanger, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Bayerischen Landtag. Zwar hören angeblich NSA und andere unerlaubt mit – was hier keine Rolle spielen soll -, doch wer weder gefragt noch informiert wird, ist der Bürger. Die Debatte muss auch im Landesparlament geführt werden, fordert Aiwanger, und kündigt denn auch entsprechende Initiativen an. Gleichzeitig erinnert er damit an Ministerpräsident Horst Seehofers Wahlkampfankündigungen für mehr Mitspracherechte von Bayerns Bürgern bei allen Entscheidungen in Brüssel „die das Volk betreffen“ zu sorgen.

Vom Arbeitsschutz bis zu Wasserprivatisierung – Genügend Themen für Europa- und Kommunalwahlen und auch Volksabstimmungen

Nach den Wahlen ist vor den Wahlen. Und das Freihandelsabkommen hat mehr als genügend an Bandbreite, um sich als Thema sowohl für die am 16. März in Bayern angesetzten Kommunalwahlen als die zwischen dem 22. und 25. Mai (Deutschland) stattfindenden Europawahlen anzubieten. Und Aiwanger plädiert auch für eine weitere, nämlich eine Volksabstimmung über das Abkommen selbst – national und auch europaweit. Der Bürger soll zumindest wissen und die Wahl haben, welche Vorteile er sich zu welchem Preis einkauft. Was befürchtet der Vorsitzende der Freien Wähler in Landtagsfraktion, Bayern und Bund (am Samstag in Geiselwind mit 88 % bestätigt)? Konkret eine Privatisierung der Daseinsvorsorge durch die Hintertür, bewährte Standards beim Arbeits-, Sozial-, Umwelt- und Verbraucherschutz seien in Gefahr. Aiwanger: „Wir wollen nicht, dass etwa die grüne Gentechnik oder Hormonfleisch unter dem Vorwand des Abbaus von Handelshemmnissen eingeführt werden oder die Privatisierung der Wasserversorgung durch die Hintertür vorangetrieben wird.“ Die Freien Wähler stünden zu weltweitem Handel, wollten aber nicht, dass bewährte Standards über Bord geworfen und mittelständische Strukturen zerstört werden. Eine ungehemmte Globalisierung schade Mensch und Umwelt.

Ehrlich vor sich selber, wird fast jeder feststellen müssen, dass er wenig, vielleicht bestürzend wenig darüber weiß, was da zwischen Europäern und Nordamerikanern (Kanada und Mexiko, die EFTA-Staaten Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island und auch EU-Beitrittskandidaten von Mazedonien bis zur Türkei sind einbezogen) verhandelt wird. Eher vage rückten ins öffentliche Bewußtsein die Ziele wie Vorteile bei der Güterverteilung oder eine Steigerung des Außenhandels. So wie der Euro zur Stärkung im Wettbewerb eingeführt wurde, entstünde nämlich ein Wirtschaftsblock, der die Hälfte der Weltwirtschaft umfasste und auf Jahrzehnte hinaus eine wirtschaftliche und auch eine währungspolitische Überlegenheit des „Westens“ gewährleisten würde. Vom Ifo-Institut und der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebene Studien stützen, dass sich das Handelsvolumen zwischen den USA und Deutschland verdoppeln (aber auch auf Kosten eines deutlichen Rückgangs des Handels mit Südeuropa) würde und etwa 180000 neue Jobs in Deutschland entstehen könnten.

Wem nützt es – dem Mann auf der Straße oder Global Playern?

Cui bono? Dem Mann auf der Straße wie insinuiert oder doch den Global Players wie verschwiegen? Importieren die Amerikaner das duale Ausbildungssystem oder schlagen amerikanische Mulris wie Monsanto Hintertüren auf dem alten Kontinent ein? Aiwanger sieht die Gefahr der Einführung von Mindeststandards auf allen Ebenen. Und blickt man nur kurz zurück in die allerjüngste Vergangenheit auf den Umgang der EU-Kommission mit der Preisgabe von Persönlichkeitsdaten von EU-Bürgern zum Vorteil der Erleichterung von letztlich auch wirtschaftlichen Beziehungen zur USA, dann kann man ihm darin recht geben, der EU-Kommission das Entscheidungs(findungs)feld nicht allzu blauäugig zu überlassen.

Die Freien Wähler wollen jetzt Anträge erarbeiten, Anfragen an die Staatsregierung stellen und das Freihandelsabkommen möglicherweise auch in die Debatte für die Anfang November geplante Regierungserklärung Seehofers einbringen. Über die Stellungnahmen und Antworten der Staatsregierung können auch interessierte Organisationen wie Bund Naturschutz oder Verbraucherschutzverbände aber auch Kammern und insbesondere die Kommunen ihre oft mühsam durch ihre eigenen Brüsseler Pipelines eingeholten Informationen komplettieren und eine öffentliche Debatte vervollständigen. Der Landtag und die in ihm vertretenen Fraktionen hätten somit Gelegenheit eine Sachdebatte vor der Schaffung von Tatsachen zu führen und nicht nur im Anschluss bayerische Vollzugsgesetze durchzuwinken.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

21. Oktober 2013 um 09:03h