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Streit um und im Steigerwald: „Der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“

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Mitte April hatte der scheidende Landrat des Kreises Bamberg eine Verordnung erlassen, die eine Fläche von 750 ha eines europaweit ziemlich einmaligen Eichenwalds unter den Schutz des § 29 Bundesnaturschutzgesetz stellte. Dies stieß auf ebenso große Freude wie Widerstände, löste fast erruptive Reaktionen der Staatsregierung aus, führte am Mittwoch im Landtag zu einem heftigen Schlagabtausch und wurde am heutigen Freitag mit einer Pressekonferenz von Bund Naturschutz und World Wildlife Fund fortgesetzt. Im wesentlichen kreist der Streit um drei Fragen: Ist das Ziel eines Nationalparks optimal, oder gibt es gleichwertige vielleicht sogar bessere Lösungen? War das Zustandekommen der Verordnung rechtmäßig? Wie steht die Bevölkerung tatsächlich zu den einzelnen Lösungen?

Rot/Grün fordert ausgewiesenen Nationalpark, CSU/FW will Bestehendes ausbauen

Dem Landtagsplenum lagen drei Anträge vor. Der Antrag der Grünen (2197) fordert den Landtag zum klaren Bekenntnis auf, dass „der Hohe Buchene Wald im Ebracher Forst“ ein Lebensraum von europäischer Bedeutung ist und dass alle Aktivitäten, die erlassene Verordnung zu kippen, einzustellen seien. Der SPD-Antrag (2199) geht weiter und fordert darüber hinaus alle zielführenden Schritte, damit die dafür qualifizierenden Schutzgebiete des Steigerwalds so schnell wie möglich als UNESCO-Welterbe angemeldet werden können, sowie eine Machbarkeitsstudie zur Überführung eines dafür geeigneten Teils des Naturparks in einen Nationalpark Steigerwald. Die CSU (2198) will ein verbessertes und landkreisübergreifendes Schutzkonzept. Mit diesem sollen die Naturschutzziele „in höherem Maße“ erreicht werden als durch die jüngst erlassene Verordnung. Erarbeitet werden soll es „auf der Grundlage des regionalen, naturschutzintegrativen Bewirtschaftsungskonzepts der Bayerischen Staatsforsten“. Die Freien Wähler (2212) schlagen, auch von der CSU unterstützt, einen etwas anderen Weg vor. Sie fordern an Stelle von Goßflächenstillegungen ein Trittsteinkonzept, wie es auch vom Forstbetieb Ebrach der Staatsforsten favorisiert wird. Dieses lässt Korridore für die Verbreitung von geschützten Arten zwischen geschützten Bereichen zu. Ansonsten lehnt sich der FW-Antrag an den der CSU an. Verbal verschreiben sich alle Anträgen wie die Redner im Plenum einem Mehr an Naturschutz. Ene gute Diskussionsgrundlage vielleicht auch für eine Expertenanhörung usw. wäre damit sicher gegeben.

Kritik an Umgang mit neuer Verordnung und Streit über Meinung der Bevölkerung

Was zu denken gibt, ist der Umgang mit der neu beschlossenen Verordnung und die Vereinnahmung der Bevölkerung. Verschiedene Sichtweisen eröffnen sich schon in der Beurteilung eines grundlegenden Kreistagsbeschlusses vom 20. Dezember 2010. Christian Magerl von den Grünen, Vorsitzender des Umweltausschusses, sieht darin den Willen, dass mit einer Schutzgebietsverordnung die Grundlage für die Anmeldung als Weltnaturerbe zu schaffen sei. Beschlossen worden sei dies mit 48 gegen 3 Stimmen. Nach Magerls Kenntnisstand seien über das Zustandekommen auch über Jahre hinweg die betroffenen Ministerien informiert worden. Dies will er auch mit der Beantwortung einer zwischenzeitlich gestellten Anfrage im Detail geklärt sehen.

CSU: Landratsamt gar nicht zuständig für großflächige Ausweisungen

Sein Stellvertreter im Fachausschuss, Dr. Otto Hünnerkopf (CSU), sah dies ganz anders. Mit einer solch großflächigen Nutzungsänderung nach § 29 Naturschutzgesetz habe gar nicht gerechnet werden können. Diese Größenordnung wäre normalerweise Angelegenheit höherer Naturschutzbehörden und nicht die eines Landratsamtes. Die Beteiligung mit den Ministerien könne deshalb auch nicht so wie behauptet geführt worden sein. Ansonsten hätte die Staatsregierung auch keine Grundlage jetzt daran zu rütteln.

Zu genau dieser Frage hielt sich jedoch später Umweltminister Dr. Marcel merklich zurück. Zuvor hatten Magerl und Florian Brunn, ein neuer Umweltexperte der SPD, deutlich das Vorgehen auf Betreiben der Staatsregierung gegen die rechtmäßig zustandegekommene Verordnung als eindeutig rechtswidrig gegeißelt. Dr. Hans-Jürgen Fahn von den Freien Wählern wiederum verwies auf ein Gutachten, das eindeutig und aus seiner Sicht nachvollziehbar das Zustandekommen der Verordnung selbst als nicht rechtmäßig beurteilte.

Spontanes Agieren der Staatsregierung bei gegebener Rechtsgrundlage verwundert

Bei dieser offenbar strittigen Frage kann es verwundern mit welcher Verve sich die Staatsregierung gegen die VO ins Zeug geworfen hatte. Nach übereinstimmenden Berichten hat insbesondere der aus Unterfranken kommende Innenstaatssekretär Gerhard Eck, zugleich CSU-Bezirksvorsitzender, schon sofort nach der VO das Kabinett mobilisiert. Wenige Tage später wurde Umweltminister Huber durch Ministerpräsident Horst Seehofer von einer durchaus wichtigen Alpenkonferenz abberufen, um an einer internen Sitzung im Landtag teilzunehmen. Und wiederum wenige Tage später verbreiteten Umwelt- und Forstministerium eine Pressemitteilung. Danach habe man sich mit dem neuen Landrat geeinigt und die Verordnung werde ab sofort außer Vollzug gesetzt.

Dies steht allerdings, so machte auch die Landtagsdebatte deutlich, auf möglicherweise tönernen Füßen. Liest man darüber hinaus eine Antwort des Umweltministeriums auf Anfrage (356; Frage vom 13.11.2013, Antwort 14.2.2014) des FW-Abgeordneten Fahn, so werden Zweifel genährt. Dort wird beispielsweise eine Unterschutzstellung in der Größenordnung von 750 ha durch das Landratsamt nicht abgelehnt, sondern lediglich in Frage gestellt. Man beträte rechtliches Neuland. Es wird auch darauf hingewiesen, dass auch ein „gesamter Bestand an Bäumen“ (also die Buchen) unter Schutz gestellt werden kann. Oder dass Gemeinden benachbarter Landkreise nicht als Betroffene in das Verfahren einbezogen werden müssen.

Nichts gegen den Willen der Bevölkerung! Welche?

Das sehr harsche Vorgehen der Staatsregierung jedenfalls kann man auch auf mehrerlei Weise erklären: Dem Einräumen eines Vorrangs wirtschaftlicher Interessen, und zwar nicht allein zum Vorteil der Staatsforsten, sondern auch der zahllosen holzverarbeitenden Betriebe in den weit über 100 betroffenen Gemeinden. Oder anders gesehen, die Besorgnis vor einer Spaltung der Gesellschaft vor Ort, denn eine gleichgewichtige Kraft tritt für einen Nationalpark mit den Vorteilen eines möglicherweise boomenden Tourismus ein. Auch zur Meinung der Bevölkerung hatte die Staatsregierung seinerzeit geantwortet. Es werde kein Nationalpark gegen den Willen der Bevölkerung ausgewiesen. Das hat auch der Umweltminister im Plenum nochmals bekräftigt. Das wird ein steiniger Weg.

Bund Naturschutz: Gutachten sieht überwiegende Zustimmung für Nationalpark

Der BN Bayern und der WWF Deutschland jedenfalls legten hierzu heute Mittag das Ergebnis einer von ihnen in Auftrag gegebenen repräsentativen TNS Emnid-Umfrage vor. Demnach befürwortet eine deutliche Mehrheit von 61 Prozent der Bewohner in der Region Steigerwald einen Nationalpark. Zwei Drittel der Befragten seien zudem der Meinung, dass der Nationalpark Steigerwald Tiere, Pflanzen und alte Bäume besser schützt als ein Forst. Die Naturschutzverbände forderten Ministerpräsident Horst Seehofer daher in einer gemeinsamen Erklärung auf, dem Mehrheitswillen der Bevölkerung zu entsprechen, so wie er es mehrfach angekündigt habe. „Die guten Zustimmungswerte“, so BN-Landesvorsitzender Prof. Hubert Weiger, „sind eine solide Basis, die wir durch weitere Aufklärungsarbeit und Akzeptanzwerbung noch verbreitern können.“

Als ersten wichtigen Schritt sollte die Staatsregierung eine Studie über das Für und Wider des Nationalparks in Auftrag geben, damit die Diskussion vor Ort auf Basis von Fakten und Sachargumenten geführt werden kann, meinte BN-Waldreferent Ralf Straußberger. Die Umfrage zeigt nach Angaben der Auftraggeber auch, dass es noch ein Gefälle zwischen der Akzeptanz eines Nationalparks in den kreisfreien Städten Bamberg und Schweinfurt einerseits und den Landkreisen Bamberg, Hassberge und Schweinfurt andererseits besteht. In den Städten gebe es eine sehr deutliche Zustimmung von 77 Prozent, in den Landkreiskommunen eine Zustimmung von rund 38 Prozent. Die Umfrage zeige zudem auch, dass in den ländlichen Gemeinden eine deutlich höhere Zustimmung zu erreichen ist, wenn mit einem Nationalpark auch die Brennholzversorgung der örtlichen Bevölkerung gesichert wird.

Der Hohe Buchene Wald“ – nur eine Angelegenheit der Steigerwäldler?

Für Komik in der Landtags-Debatte vom Mittwoch hatte abschließend, ziemlich unfreiwillig vermutlich, der lokale Abgeordnete Steffen Vogel (CSU) gesorgt. Der erregte sich darüber, dass die Hauptredner von SPD und Grünen gar nicht aus dem betroffenen Gebiet stammten. Der Magerl komme aus Freising, der von Brunn aus München und die hätten allesamt mit dem Steigerwald nichts zu tun. Davon abgesehen, dass Magerl und von Brunn sehr zu einer lebendigen Diskussionsführung beitrugen und Umweltexperten nicht nur im Steigerwald aufwachsen, stellt sich auch die Frage – ist das eine Angelegenheit nur der Steigerwäldler? Die Rede ist doch auch von einem Weltkulturerbe, einem Nationalpark, und nicht nur von Sägemaschinen und Holzwegen vor Ort.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

06. Juni 2014 um 18:16h