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Zum Schutzbedarf bayrischer Mundarten

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Einen „interessanten“ Antrag (Drs. 17/2770) haben die Freien Wähler in den Landtag eingebracht, der am Dienstag dieser Woche im Europaausschuss aufgerufen wird. Mit der Initiative soll die Staatsregierung aufgefordert werden, eine Aufnahme des Bairischen und bayerisch-fränkischer bzw. schwäbischer Mundarten in die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen zu prüfen. Diese Charta war bereits am 1. Januar 1999 in Deutschland in Kraft getreten.

Die unterzeichnenden EU-Mitgliedstaaten betonen darin ausdrücklich den Wert der interkulturellen Beziehungen und der Mehrsprachigkeit in dem Bewusstsein, dass der Schutz und die Stärkung der Regional- oder Minderheitensprachen in den verschiedenen Ländern und Regionen Europas einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines Europas darstellen, das auf den Grundsätzen der Demokratie und der kulturellen Vielfalt im Rahmen der nationalen Souveränität und der territorialen Unversehrtheit beruht.

UNESCO: „Bairisch“ gefährdet und schützenswert aber keine Minderheitensprache

Bislang gewährleisten Bund und Länder einen Schutz für die Minderheitensprachen Dänisch, Ober- und Niedersorbisch sowie Nord- und Saterfriesisch in ihrem Sprachgebiet und die Regionalsprache Niederdeutsch (in den Ländern Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein) sowie für die Sprache Romanes im gesamten Bundesgebiet nach Teil II der Charta. Bereits 2009 hatte die UNESCO die bairische Sprache als gefährdet und damit schützenswert eingestuft, dennoch wurde ihr bislang nicht der Status einer Minderheitensprache zugestanden.

Der Allgäuer Abgeordnete Bernhard Pohl, übrigens gerade für die noch typischere Allgäuerin aber ins Europaparlament gewechselte Ulrike Müller zum neuen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler gewählt, wird den Antrag begründen. Wie Mitberichterstatter Thorsten Schwab das sieht, muss hier offen bleiben – der CSU-Abgeordnete kommt aus dem entlegensten Franken, dem Main-Spessart. Es wäre gegebenenfalls ganz unterhaltsam, wie die Bayerische Staatsregierung für eigene Minderheitenrechte kämpft.

EU grenzt eng ein und fordert viel Schutz

Solch spaßige Anmerkungen und anderes werden dem Thema allerdings keineswegs gerecht. In Wikipedia wird die Charta als erstes völkerrechtliches Abkommen dieses Ausmaßes zum Schutz von Minderheiten- und Regionalsprachen gewürdigt – mit Referenzcharakter über Europa hinaus (Wikipedia). Mit der Benennung schützenswerter Sprachen ist es keineswegs getan. Die Staaten bzw. in Deutschland betroffene Bundesländer unterwerfen sich jährlichen Berichtspflichten, wie sie die anerkannten Minderheitensprachen schützen. Und zwar in genau bezeichneten Bereichen vom Bildungswesen über den Justizbereich bis zum Verwaltungswesen, wobei mindestens 35 von 98 genannten Maßnahmen verpflichtend umgesetzt werden müssen. Umgekehrt wird sich natürlich jede Prüfung der Notwendigkeit eines Sprach-Minderheiten-Schutzes am entsprechenden Handlungsbedarf orientieren. Und natürlich an der allgemeinen Beschreibung, was zu schützen ist: Die Charta definiert sie als von einer historisch siedelnden Bevölkerungsminderheit eines Staates gebrauchte Sprache, die sich von der Amtssprache unterscheidet. Sie schützt damit weder Dialekte noch die Sprachen von Immigranten.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

19. Oktober 2014 um 23:15h