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Der Staatshaushalt – Zahlenwerk oder Darstellung von Politik?

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Plan B? Sogar zwei Pläne „hatten wir“ in der Schublade gehabt und auch Reserven, behauptete Ministerpräsident Horst Seehofer gestern Abend in der „Münchner Runde“ des BR. Wie der Staatshaushalt dann im Falle einer nicht so positiven Steuerschätzung gestaltet worden wäre, hätte man gerne genauer erfahren. Doch Format und Thema der Sendung waren nicht ausgerichtet auf ein direktes Streitgespräch mit dem ebenfalls anwesenden Oppositionsführer im Landtag, Markus Rinderspacher (SPD). So muss es vorläufig bei den Einschätzungen von Parteien und Verbänden zu den bislang bekannten Ergebnissen der Kabinettsklausur vom vergangenen Wochenende bleiben. Diese hatte sich ausschließlich mit dem Doppelhaushalt 2011/12 beschäftigt, der demnächst dem Landtag vorgelegt wird. Wichtigstes Ergebnis – es bleibt beim ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden.

„Das haben mittlerweile alle begriffen“ kommentierte der Fraktionssprecher der Grünen, Thomas Mütze, die Notwendigkeit, nicht länger auf Kosten künftiger Generationen zu leben. Zur Verwirklichung dieses Ziels sei der Staatsregierung nur die „letzte Hoffnung Steuerschätzung“ geblieben. Wenn sie nicht so ausgefallen wäre, dann hätte sie „in die Röhre geguckt“. Kein Konzept – Haushalt nach Kassenlage. Mütze wäre nicht Mütze, wenn er dann nicht schnell zu sachlicher Begründung seiner Einschätzung gefunden hätte.

„Absoluter Affront gegen künftige Haushalte“

Man spare, wenn es denn sei müsse, bei den Beamten. Das hätten die Grünen auch getan, aber an anderer Stelle. Und nicht wie beispielsweise vorgesehen beim Einstiegsgehalt junger Beamter oder bei Einzahlungen in den erst vor wenigen Jahren begründeten Pensionsfonds. Deren Aussetzung bezeichnete Mütze als „absoluten Affront gegen künftige Haushalte“. Hier setzte auch eine massive Kritik der anderen Oppositionsfraktionen an. Bei der vorgesehenen Sicherung der Altersversorgung der Beamten spare der Freistaat kurzfristig 140 Millionen Euro in 2011 und weitere 175 Millionen im Folgejahr. Das sei „ein Davonlaufen vor der Realität“ und „das dicke Ende kommt dann eben noch brutaler“ schimpfte Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger. Und die Absenkung der Eingangsbesoldung wirke sich verheerend auf die Besetzung mit qualifizierten Bewerbern im öffentlichen Dienst aus, da die freie Wirtschaft deutlich höhere Gehälter zahlen könne.

Mütze wie auch Rinderspacher wiesen zudem auf die fehlenden Stellen bei der Finanzverwaltung hin. 350 weitere Steuerbeamte fordert der SPD-Fraktionsvorsitzende. „Jeder Finanzbeamte bringt das Zwanzigfache dessen, was er kostet“ behauptet Mütze und meint „die Staatsregierung verzichtet wissentlich auf mehr Steuereinnahmen“.

Hinsichtlich der angekündigten Nullrunde für Beamte, sieht der Bayerische Beamtenbund (BBB) das letzte Wort noch nicht gesprochen. Die mit der Kabinettsankündigung entstandene schlechte Stimmung ist offenbar Finanzminister Georg Fahrenschon prompt im direkten Gespräch von BBB-Chef Rolf Habermann übermittelt worden. Man darf gespannt sein, was das Gewicht von rund 200 000 BBB-Mitgliedern bewirkt. Oder ob die Staatsregierung in die Diskussion verschärft einbringen will, dass eine vom BBB reklamierte Anpassung der Bezüge von Staatsdienern „an die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung“ eigentlich für gute und schlechte Zeiten zu gelten habe. Eine klare Linie beim Umgang mit der Beamtenschaft ist jedenfalls schon lange nicht mehr erkennbar. Thomas Lange vom „Fränkischen Tag“ kommentiert dies mit einem „Streicheln der Beamten“ – FW-Aiwanger einem „Vorgaukeln von Perspektiven“.

Rechenkunst bei Lehrerstellen

Um Perspektiven für Lehrer – und Schüler – geht es bei einem anderen Schwerpunkt des bayerischen Staatshaushalts. Dass praktisch keine Junglehrer mehr eingestellt werden, schreibt Kultusminister Ludwig Spaenle der demographischen Entwicklung zu. Man müsse eben zur Kenntnis nehmen, dass es im vergangenen Jahr 18000 Schulkinder weniger in Bayern gegeben habe. Wohl ebenso überraschend wurde zur Kenntnis genommen, dass mit dem ersatzlosen Streichen des neunten Gymnasialjahrs und rückläufiger Schülerzahlen Lehrerstellen frei und somit eingezogen werden könnten. Und zwar ziemlich exakt 2000 Stellen. Das entspreche genau den laut Koalitionsvereinbarung versprochenen jeweils 1000 zusätzlichen Lehrerstellen für die kommenden zwei Jahre. Kann die Opposition nicht rechnen, fragt Spaenle explizit in Richtung des bildungspolitischen Sprechers der SPD-Fraktion, Hans-Ulrich Pfaffmann. Dieser hatte Spaenle Wortbruch vorgeworfen und in den Raum gestellt, ob Spaenle als Kultusminister der Mann am richtigen Platz wäre. Ob die Rechenkunst des Kultusministers verfängt, darf stark bezweifelt werden. Denn nicht nur die Landtags-Opposition hat ein solches Aufrechnen versprochener Stellen nicht so in Erinnerung.

Die Gestaltung von Wahrheit und Haushalt

Von der Gestaltung der Wahrheit zur Gestaltung des allgemeinen Staatshaushalts und zurück zu Thomas Mütze. Es ist schon erstaunlich, wie viele Finanz- und Haushaltspolitiker die Grünen in Bayern hervorbringen. Erinnert sei nur an Emma Kellner, die beispielsweise von Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser nicht nur respektiert, sondern fast gefürchtet wurde. Oder Eike Hallitzky, der in seiner unaufgeregten Art akribisch und kompetent in vorderster Linie der Landbank-Aufarbeitung steht. Oder die frühere Landtagsabgeordnete Christine Scheel, die zwischenzeitlich im Bundestag als finanzpolitische Sprecherin der Grünen mit durchaus aufsehenerregenden Steuerkonzepten jonglierte. Sie stammt übrigens wie Mütze aus dem Aschaffenburger Raum. Dass möglicherweise diese Nähe zum Finanzplatz Frankfurt irgendwie auf die Gene durchschlägt, scheint auch Thomas Mütze belegen zu wollen.

Wie er sich in den kommenden Plenardebatten insbesondere zum Haushalt durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Doch in Pressegesprächen setzt der frühere haushaltspolitische Sprecher schon interessante Schwerpunkte. Das beginnt mit dem Hinweis, dass im Haushalt bislang kein Hinweis auf Subventionsabbau ersichtlich sei. Warum beispielsweise erhalte die Fluglinie Hof – Frankfurt immer noch solche staatliche Hilfen. Dass diese chronisch defizitär ist und bleibe „haben wir schon zweimal gehört, also hören wir auf damit“. Und es endet mit dem Appell, „mit der Herumwurstelei“ aufzuhören und beispielsweise die Landesentwicklung mit dauernd neuen Programmen zu unterfüttern. Die Wahrheit liegt für ihn im Haushalt. In diesem „muss sich Politik darstellen“.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

10. November 2010 um 08:06h