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Städtetag und Landtag kurz vor dem kommunalen Finanzgipfel

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Das Spitzengespräch zwischen den vier kommunalen Spitzenverbänden und dem bayerischen Finanzminister Georg Fahrenschon steht bevor. In genau einer Woche, am 19. November, verhandeln die Chefs des Städte-, des Gemeinde-, des Landkreis- und des Bezirkstags über den kommunalen Finanzausgleich für das kommende Jahr. Neue Grundlagen und Regularien kommen wieder zur Anwendung wie eine erweiterte Datenvorlage oder die Hinzuziehung des Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Landtag, in diesem Fall Georg Winter von der CSU. Ohne auf eigene Ziele des Gesprächs einzugehen, gab der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger, gestern einen Überblick über de Ausgangssituation der bayerischen Städte. Fast gleichzeitig fand im Landtag eine von den Grünen beantragte Ministerbefragung statt mit dem Thema: „Sicherung der finanziellen Handlungsfähigkeit der bayerischen Kommunen.“

Entspannte Situation – aber „gerissenes Loch“ bleibt lange offen

Die Situation hat sich durch den wirtschaftlichen Aufschwung nach der Krise entspannt. Aber, so machte Schaidinger deutlich, die Auswirkungen werden die Städte erst mit Verzögerung von etwa zwei Jahren verspüren. Das wird also etwa 2012 der Fall sein, also ein gutes Jahr früher als Optimisten erwartet hatten. Das bedeutet, erst dann wird man wieder das Einnahmeniveau – bei zwischenzeitlich gestiegenen und immer weiter steigenden Ausgaben – von 2008 erreichen. Die Lage bleibt demnach vorläufig prekär, an der strukturellen Unterfinanzierung, so Schaidinger, „wird sich auch jetzt nichts ändern“. Und das „gerissene Loch“ könne auch die erwartete Einnahmenseite in 2013/14 nicht schließen.

„Nichts zum Frohlocken“ bei einem Finanzierungssaldo von einer Milliarde

Dass es also aus Sicht der Städte mit den damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Bürger „nichts zum Frohlocken“ gibt, untermauert der Städtetagschef mit Zahlen. Diese belegen schon jetzt im Vorfeld – das zeigte auch die Debatte im Landtag-. dass mit der im letzten Jahr vereinbarten Schaffung einer erweiterten gemeinsamen Datengrundlage, einiges an Transparenz hinzugewonnen wurde. Die bayerischen Städte gehen für dieses Jahr von einem Finanzierungssaldo von Einnahmen und Ausgaben von bis zu einer Milliarde Euro aus. Gründe für dieses Defizit gibt es genug, Schaidinger legte Zahlen vor. Demnach sind die Steuereinnahmen aller bayrischen Kommunen in 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent eingebrochen. Es waren nur noch 11,9 Milliarden Euro, also 1,2 Milliarden weniger. Insbesondere das Gewerbesteueraufkommen (-4,7 Mrd.) brach um fast 17 % bayernweit ein. Die 15%-Beteiligung der Gemeinden an der Einkommensteuer sank um 4,6 Prozent (auf 5,1 Mrd.), Besonders betroffen waren die Großstädte. Die 25 kreisfreien Städte verzeichneten ein Minus von insgesamt 12 Prozent, allein bei der Gewerbesteuer – 20 Prozent.

Für 2010 gehen die Kommunen von einem leichten Anstieg um 1 Prozent aus, was immer noch 1,1 Milliarden Euro weniger als 2008 wären. Summa summarum, so Schaidinger, sind die Kommunen in der steuerlichen Talsohle angekommen, die Konjunktur bremse lediglich ab. Nach der jüngsten Steuerschätzung sei in Bayern mit einem Plus der kommunalen Steuereinnahmen in Höhe von 550 Millionen Euro (4,6 %) und im Folgejahr 2012 mit 850 Mio. Euro (6,8 %) zu rechnen.

„Die Ausgabenspirale dreht sich unverändert nach oben.“

Dem stehen die steigenden Soziallasten gegenüber. „Die Ausgabenspirale dreht sich unverändert nach oben.“ Schaidinger unterstrich in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit eines kommunalen Entlastungsgesetzes. Ausführlich ging er auf die Geschichte von der zunehmenden Zuweisung gesellschaftlicher Verpflichtungen auf die Kommunen ein. Mit der Übernahme der Grundsicherung seien diese „praktisch zum Rentenversicherungsträger“ geworden – ohne dass dem irgendwelche eingezahlten Beiträge gegenüberstehen. Erstmalig habe jetzt der Bund „Einsicht gezeigt“ mit dem 4-Milliarden-Vorschlag durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Schaidinger wertete dieses „Eingeständnis“ auch als positiven Ansatz – und Ausgangsbasis.

Dies lenkt den Blick auf die Steuerarten, die schon seit langem und aktuell zur Diskussion stehen. Die Gewerbesteuer und die von Schäuble jetzt ins Spiel gebrachte Zu- oder Abschlagssteuer. „Dieser Apfel vom Baum der Erkenntnis ist vergiftet“, meint Schaidinger zur Möglichkeit der Kommunen, Einfluss auf die Höhe der Einkommensteuer der in ihrem Bereich lebenden Bürger zu nehmen. Sie könnte allzu manipulativ gehandhabt werden, führe zu nicht hinnehmenden Verwerfungen und immensem Verwaltungsaufwand bei Großunternehmen.

SPD: „Die Abschaffung der Gewerbesteuer ist noch längst nicht vom Tisch.“

Größter Lichtblick sei die vor einer Woche gegebene Zusage Schäubles, „dass die Gewerbesteuer samt den Hinzurechnungen bestehen bleiben soll“ – wie es in der Pressemitteilung des Städtetags formuliert ist. Damit bleibe den Kommunen die wichtigste Steuerquelle erhalten. Eine „wichtige Etappe“ sei genommen, das „hartnäckige Argumentieren wurde mit Erfolg gekrönt“, das Vertrauen in Zusagen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer habe sich gelohnt. Vor allzuviel Zuversicht warnte hier allerdings der Vorsitzende der bayerischen SPD und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Florian Pronold. Ein neuerlicher Koalitionsstreit um die Gemeindefinanzen offenbare, „die Abschaffung der Gewerbesteuer ist noch längst nicht vom Tisch“.

Und hört man in die Debatte im Landtag genauer hinein, werden unterschiedliche Sichtweisen in den Regierungskoalitionen in Berlin und München durchaus noch deutlich. Auch ist die Arbeit der in Berlin eingesetzten Gemeindefinanzkommission längst nicht beendet. Die immer wieder gebrauchte Wendung „nicht gegen den Willen der Kommunen abschaffen“ lässt noch weiten Raum und viele Interpretationsmöglichkeiten. Da muss man nicht nur die gestern verwandte „persönliche Anmerkung“ von Finanzstaatssekretär Franz Josef Pschierer heranziehen, wonach das Bessere der Feind des Guten sei. Wenn „uns allen“ etwas Besseres einfalle, dann müsse man es machen.

Pschierer, der für seinen in Berlin unabkömmlichen Minister in die Bresche sprang, machte eigentlich ziemlich deutlich, dass er sich nicht nur intensiv mit seiner Aufgabe als IT-Bevollmächtigter der Staatsregierung beschäftigt. Lief seine Grundantwort noch unter dem Motto „Bayerns Kommunen sind in Deutschland Spitze“, so bewies er im folgenden Frage- und Antwortspiel Souveränität. Nachdem Christine Kamm für die Grünen die Ausgangslage der Städte im wesentlichen auf der Basis der auch von Schaidinger im Städtetag genannten Daten dargestellt hatte, beschwerte sich der Finanzstaatssekretär erst einmal grundsätzlich darüber, dass die Fragestellung der Grünen suggeriere, „in den bayerischen Kommunen würden derzeit flächendeckend die Lichter ausgehen“. Dem Eindruck, die finanzielle Handlungsfähigkeit der bayerischen Kommunen sei flächendeckend nicht mehr gesichert, wolle er gleich zu Beginn entgegentreten.

Drei Viertel aller Kommunen mit uneingeschränkt genehmigten Haushalt

Zuerst hob Pschierer heraus, dass Bayern in den letzten Jahren und Jahrzehnten eine andere – selbstredend bessere – Politik gegenüber den Kommunen gemacht als andere Bundesländer. Mit konstant gleichem kommunalem Finanzausgleich – auch in der Krise. Mit der Folge: Bayerns Kommunen hätten beispielsweise die höchste Investitionsquote, die bayerischen Kommunen seien pro Kopf ihrer Einwohner am geringsten verschuldet, drei Viertel aller Kommunen hätten zum Stichtag einen ausgeglichenen und ohne Einschränkungen genehmigten Haushalt vorgelegt. Als nicht genehmigungsfähig seien letztlich bislang noch 2,5 % übriggeblieben. Auch beim Gefälle innerhalb des Freistaats habe sich vieles verbessert. So habe die Bandbreite bei der Arbeitslosigkeit in den sieben Regierungsbezirken „gerade noch ein Delta von gut einem Prozent“. Da wo es gebrannt habe, wie nach Quelle in Fürth und Nürnberg, bedankten sich inzwischen die SPD-Bürgermeister für das Zupacken der Staatsregierung.

Bevor man sich die Augen reiben und fragen konnte, „was wollen die Grünen eigentlich“ stellte dann der Vorsitzende des Kommunalausschusses, Joachim Hanisch von den Freien Wählern, seine Fragen nach der Kürzung der Städtebauförderung und den Folgen oder zur beabsichtigten Erhebung der Mehrwertsteuer auf Abfallbeseitigungs- und Kanalbenutzungsgebühren. Tatsache sei, dass die CSU die Überprüfung der Gewerbesteuerreform im Koalitionsvertrag unterschrieben habe. Nichts habe er, Hanisch, heute davon gehört, wie die Staatsregierung die Probleme in den strukturschwachen Gebieten lösen will. Und, was die Zahl der genehmigten und nicht genehmigten kommunalen Haushalte anginge – da habe der Staatssekretär schlicht verschwiegen, dass viele Kommunen ihren Haushalt für 2010 nicht aufgestellt haben, „weil sie nicht wissen, wie sie das tun sollen“.

Differenzen zu Gewerbe- oder Umsatzsteuer zwischen CSU und FDP sichtbar

Der „bunte Strauß“ (Pschierer später) war damit längst nicht fertig gebunden, so dass Sitzungspräsident Reinhold Bocklet vorsorglich darauf hinwies, dass Hanisch allein schon die gesamte Redezeit für die Freien Wähler überzogen habe. Wie dem auch sei, Pschierer hatte einiges abzuarbeiten. Insbesondere ging er dabei auf die Gewerbesteuer ein. Es gebe keinen Satz – auch im Koaliionsvertrag nicht-, „wonach die Gewerbesteuer abgeschafft werden soll“. Er bekenne sich zum Erhalt der Gewerbesteuer, aber so wie sie derzeit sei, „kann sie nach unserer Auffassung nicht bleiben“. Als konkretes Beispiel, nannte er die ertragsunabhängigen Bestandteile, wonach beispielsweise der kleine Mittelständler auf Kosten wie Zinsen, Mieten und Leasingraten Steuern zahlen muss.

Diese ertragsunabhängigen Bestandteile der Gewerbesteuer machen nach den Worten Pschierers immerhin 10 Prozent des Gesamtaufkommens aus. Um die sog. De-Allokation zu beseitigen, müsse man nicht die gesamte Mehrwertsteuer über den Haufen werfen.

Letzteres nannte Jörg Rohde (FDP) einen „Schritt in die richtige Richtung“. Gleichzeitig wurde Rohde sehr deutlich, dass die Liberalen sehr wohl im Gegensatz zur CSU an einem Ersatz der Gewerbesteuer durch einen höheren Anteil an der Umsatzsteuer mit nach seiner Darstellung wesentlich stabileren Einnahmen für die Kommunen festhalten wollen. Und, da wurde es etwas gemein und zeigte auch, dass der FDP ein gewisser Bezug zur kommunalen Ebene abgeht, Rohde zog auch den Rückschluss, dass, wenn die Kommunen bei der Einkommensteuer eine zusätzliche, ihre Lage verbessernde Stellschraube ablehnten, es ihnen sehr gut geht.

Fragen nach Zielmarken in Verhandlungen müssen leider draußen bleiben

Die Bemerkung führte zwar zu einiger Unruhe in den Linien der Opposition, aber explizit ging später niemand weiter darauf ein. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Volkmar Halbleib, relativierte insbesondere die Zahlen zur Vermögenslage der Kommunen. 39 % von ihnen könnten in diesem Jahr nicht die Zuführung zum Vermögenshaushalt erwirtschaften, was bedeutet, dass sie nicht einmal die Tilgungsrate der Kredite bezahlen können. Als ähnlich dramatisch schilderte Halbleib die Situation bei steigend notwendigen Kreditaufnahmen. Wie wolle die Staatsregierung dem begegnen, wie dies im kommunalen Finanzausgleich berücksichtigen. Mit welchen Zielmarken geht die Staatsregierung in die FAG-Verhandlungen?

Pschierer musste die SPD enttäuschen. Er halte sich an Stil und Form und an die gesetzlichen Grundlagen. Vor dem Spitzengespräch und vor dem Vorliegen der klaren Datenbasis werde es in der Öffentlichkeit keine Aussagen zur Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs geben. Ende der Ansage.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

12. November 2010 um 13:10h