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Pumpspeicherkraftwerk Riedl wirft Fragen auf: Wann und wie soll Staat landesplanerisch in Großprojekte einsteigen?

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An der Donau bei Griesbach/Lkr. Passau und nahe des Ortsteils Riedl soll ein Pumspeicherkraftwerk entstehen. Über die ökonomischen und ökologischen Vorteile der Technologie besteht Einigkeit. Hinsichtlich der notwendigen Eingriffe in die Natur gibt es offene Fragen. Interessant und diskussionswürdig ist daneben die landesplanerische Vorgehensweise. In der letzten Plenarsitzung vor Weihnachten brachten CSU und FDP einen Dringlichkeitsantrag (6713) ein, der dem geplanten Großprojekt an der Donau, wie es der wirtschaftspolitische Sprecher der CSU Erwin Huber formulierte, „die prinzipielle politische Zustimmung“ signalisieren sollte. SPD (6720) und Freie Wähler (6731) unterstützten dies mit einigen Dringlichkeitsanträgen, verknüpften ihr Begehr aber auch mit einer Forderung der Grünen, die diese mit einem vorher in den Ausschüssen abgelehnten Antrag (5260) auf Errichtung eines Bayern-Katasters für Pumpspeicherkraftwerke erneut im Plenum einbrachten.

Das erste Kavernen- oder Pumpspeicherkraftwerk der Welt entstand 1898 im US-Bundesstaat Washington bei Snoqualmie und ist immer noch in Betrieb. Auch für das geplante Projekt Riedl gab es schon in den siebziger Jahren konkrete Pläne, die jetzt technologisch aufgerüstet und in abgespeckter Form ein Raumordnungsverfahren durchlaufen. Projektträger ist die Donaukraftwerk Jochenstein AG, Eigentümer der Gesellschaft sind zu je 50 Prozent der „Verbund“ (Österreichs größter Stromkonzern) sowie die Rhein-Main-Donau AG und die E.on Wasserkraft. Das mit vier Jahren Bauzeit (geplanter Beginn 2014) und 200 – 300 Megawatt Leistung und 350 Millionen Euro teure Projekt wäre das größte private Bauvorhaben in Ostbayern auf Jahrzehnte hinaus.

Pumpspeicherkraftwerke unstrittig ökonomisch und ökologisch sinnvoll

Das Kraftwerk selbst ist in 300 m Tiefe geplant, sichtbar wäre ein von der Donau gespeister in einer Gebirgsmulde angelegter See (4.2 Mio. m³). Der Donau werden, wenn billiger Strom zur Verfügung steht, etwa 10 – 20 Prozent Wasser entnommen und nach oben gepumpt. Ökonomisch und ökologisch sinnvoll wird dann der See um bis zu 20 m abgesenkt und mit der ins Kraftwerk abfließenden Wassermenge Strom erzeugt. Weder Lärm noch Erschütterungen sollen zu verspüren sein. Auch das Problem der Geruchsbelästigung wegen des Schlickwassers bei abgesenktem Seespiegel hält sich angeblich in Grenzen.

Auf die Gefahren für Umwelt und Natur ging in der Plenardebatte erstaunlicherweise zunächst nicht der Vertreter der Grünen, sondern der umweltpolitische Sprecher der FDP, Tobias Thalhammer, ein. Das Kraftwerk liege im FFH-Gebiet, Ausgleichsmaßnahmen seien notwendig., wobei Experten davon ausgingen, dass diese „spielend und einfach“ umgesetzt werden könnten. Reptilien und andere Tiere wie der Hirschkäfer seien wohl kaum betroffen. In 300 m Tiefe kämen diese ja nicht vor. Und den Fischen stelle man z.B. Wanderhilfen etc. zur Verfügung. Zum Teil heftigen Widerspruch erntete Thalhammer dafür später vom niederbayerischen Grünen-Landtagsabgeordneten Eike Hallitzky. Durch Wasserentnahmen beispielsweise werde dem Fischlaich dort der Garaus gemacht.

Doch spürbar war, dass für die Grünen das gar nicht der Punkt war, genausowenig wie der Streit darüber was das Projekt für regionale Arbeitsplätze oder das Beherbergungsgewerbe bringt. Kommt hinzu, dass viele dieser Fragen ja später insbesondere im Rahmen der weiteren Genehmigungsverfahren behandelt werden.

Die eigentliche Auseinandersetzung drehte sich um den Antrag der Grünen, ein bayernweites Kataster für geeignete Standorte für Pumpspeicherkraftwerke zu errichten. Das Begehren war am 28. Oktober im federführenden Wirtschaftsausschuss nach erstaunlich halbherziger Behandlung abgelehnt worden. Es sei sinnvoll, so damals der Grüne Dr. Martin Runge, vorausschauend geeignete Standorte zu erheben, um mögliche negative Wirkungen des Ausbaus der Speicherkapazitäten zu minimieren. Er wurde dabei von Alexander Muthmann (Freie Wähler) und Bernhard Roos (SPD) nach kritischer Hinterfragung unterstützt.

Kataster: Für Grüne „vorausschauende Suche“ – CSU: „sorgt nur für Unruhe“

Tobias Reiss von der CSU hingegen lehnte dies im wesentlichen mit zwei Argumenten ab. Es sei die Energiewirtschaft, die über Investitionen dieser Größenordnung entscheide, und es sei mithin deren Sache, über mögliche und energiewirtschaftlich sinnvolle Standorte nachzudenken und deren Eignung zu untersuchen. Erst in einem zweiten Schritt müsse der Freistaat über die Instrumente der Raumordnung prüfen, ob es Einwendungen gebe. Außerdem würde eine bayernweite Suche für ein Kataster „nur für Unruhe sorgen“.

Hallitzky wandte auch dort schon ein, dass bei Vorliegen einer bayernweiten Suche nach Standorten dann gegebenenfalls in der Entscheidungsphase die Diskussion vor Ort leichter zu führen sei. Klar, meinte Roos, da es ja für Staat und Wirtschaft hilfreich wäre, wenn sie potenzielle Standorte kennen würden und diese nach Umweltverträglichkeit, Energieausbeute und Effizienz in eine Reihenfolge bringen könnten und damit einen Handlungsmaßstab – auch bezüglich der Durchsetzungsfähigkeit – erhalte, um zu entscheiden, welches Projekt sich am ehesten anzupacken lohnt.

Werden durch Kataster Eigentumsrechte eingeschränkt?

Die Grünen Hallitzky und Runge gingen auch auf Einwände von Muthmann ein, der insbesondere nach den rechtlichen Wirkungen eines derartigen Katasters fragte. Wäre dies für die spätere Nutzung bindend und schränke damit Eigentumsrechte ein? Es diene ja, so folgerte Ausschussvorsitzender Huber (CSU), der Vorratsplanung und würde eine andere Nutzung ausschließen. Zumindest Muthmann ließ sich offenbar – er stimmte dem Antrag ja später zu – vom Argument der Grünen überzeugen, es handle sich um eine Form der Schaffung von Vorbehaltsflächen ohne Rechtswirkung sondern eher mit argumentativer Hilfestellung. Geklärt wurde diese aus landesplanerischer Sicht hochinteressante Frage an dieser Stelle keineswegs. Dazu fehlte an diesem Ort und bei dieser Gelegenheit auch entsprechende Kompetenz. Ungeklärt – auch nur ansatzweise – blieb auch die Frage nach den Kosten eines solchen Katasters.

Wer nun glaubte oder hoffte, dass solche Kernfragen fast zwei Monate später im Landtagsplenum beantwortet werden könnten, sah sich weitgehend enttäuscht. Grundsätzlich konnte man jedoch bei CSU und FDP den Eindruck gewinnen, sie verfolgten zwei Ziele neben der politischen Unterstützung des Projekts. Zum einen angesichts des Rückfalls Bayerns auf den innerdeutschen Platz sieben bei den erneuerbaren Energien hierzu in der öffentlichen Wahrnehmung wieder Boden gut zu machen. Zum anderen, die Grünen vorzuführen – gemäß der Devise, dass die „Dagegenpartei“ erneuerbare Energien fordere aber hierzu notwendige Projekte blockiere.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen, Ludwig Hartmann, versuchte dem zu begegnen, indem er sagte, er schließe das Projekt Riedl keineswegs aus, aber entscheidend sei, vorher abwägen zu können. Ohne Kataster gehe das nicht. Und, so stellte er in den Raum, das Zeitfenster sei noch so weit, dass man über das zu erstellende Kataster Alternativen prüfen könnte. Festzustellen war auch, dass die SPD mit ihrem umweltpolitischen Sprecher Ludwig Wörner die Grünen ebenfalls in die Ecke der Neinsager drängte. Mit werbenden Worten an „die lieben Grünen“ zwar, aber in der politischen Absicht klar erkennbar.

Staatsregierung: Unternehmen sollen selbst geeignete Standorte erforschen

Eine weitere große Rolle spielte das Argument, dass die Staatsregierung zwar vorsorgend einen Windatlas erstelle, bei Solaranlagen vorsorge aber sich gegen das Pumpspeicherwerk-Kataster sperre. Wirtschaftsstaatssekretärin Katja Hessel lieferte hierzu ein durchaus einleuchtendes Argument. Demnach sind der Unterschied die Groß- und die Kleininvestitionen. Während bei Wind- und Solaranlagen sehr viele Kleininvestitionen möglich sind, seien sie bei Pumpspeicherkraftwerken nicht möglich. Solche Großprojekte erforderten eine hohe Energiekompetenz und seien nicht einfach zu bauen. Deshalb sollten die Energieunternehmen allein erforschen, wo solche Anlagen stehen sollen. Bedenken könnten dann nach dem Raumordnungsverfahren im Planfeststellungsverfahren „ausgeräumt“ werden. Natürlich, so fügte Hessel an, würden im laufenden Raumordnungsverfahren auch Alternativstandorte gesucht.

Entscheidung gefallen – viele Fragen offen

Man könnte fragen, „warum nicht gleich ein Kataster?“ oder feststellen, dass die Staatssekretärin nur vom „Ausräumen“ von Bedenken spricht und die Möglichkeit berechtigter den Bau ausschließender Einwände gar nicht in Erwägung zieht. Man könnte auch Hallitzky zustimmen, der feststellt, dass ein Investor bei der Standortsuche natürlich zuerst – wie E.on in diesem Fall – auf ein ihm gehörendes Grundstück zurückgreift. Und man könnte vertiefen, was Thorsten Glauber von den Freien Wählern wurmt. Warum nämlich beauftrage das Umweltministerium Potenzialanalysen für regenerative Energien, warum die Rhein-Main-Donau AG ein Gutachten von E.on zum Ausbau der Donau? Wo hörten letztlich die Aufgaben des Staates auf, wo begännen sie? Die Staatsregierung suche sich heraus, „wo es gerade taugt“.

Klar und fast nicht erwähnenswert ist, dass dem Dringlichkeitsantrag von CSU/FDP mit Regierungsmehrheit zugestimmt und das Begehren auf Erstellung eines Katasters erneut abgelehnt wurde. Ebenso klar ist, dass an diesem Beispiel ein weiter Handlungsbedarf und bestehende Handlungsmöglichkeiten im Umgang mit Großprojekten ersichtlich wurden. Sicher auch eine mögliche Aufgabe für die anstehende Neuordnung der Landesplanung.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

22. Dezember 2010 um 07:15h