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Ist der Umgang mit der Wahrheit eine interne Angelegenheit?

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Die Liste an zornigen und aufgeregten Reaktionen nach einer Meldung des Bayerischen Rundfunks ist lang. Mit „Verrat an den Mietern“, „hinters Licht geführt“ oder „ein Untersuchungsausschuss steht im Raum“ reagiert die Landtags-Opposition. Die Süddeutsche kommentiert ein angebliches Bemühen der Staatsregierung um die Interessen der Mieter der früher 33000 Landesbank-eigenen GBW-Wohnungen mit „alles Quatsch“. Nachdem der Landtag oder auch die betroffenen Kommunen jahrelang um eine Lösung zum Verkauf dieser Wohnungen gerungen hatten, stellt sich heraus, dass es durchaus eine einfache Lösung gegeben haben könnte. Der Freistaat hätte, so scheint sich zu zeigen, die Wohnungen durchaus selbst kaufen können, anstatt den Verkauf an den privaten Investor „Patrizia“ zuzulassen. Sie soll sogar laut einem Sprecher von EU-Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia den Verkauf ursprünglich initiiert haben.

Der Verkauf des umfangreichen Wohnungsbestands war im Rahmen bzw. in Folge des Landesbank-Desasters getätigt worden. Seit Bekanntwerden eines anstehenden Verkaufs der mietpreisgünstigen Wohnungen leben vermutlich gut 85000 MieterInnen in Sorge. Ob und inwieweit diese tatsächlich begründet ist oder vor allem durch den entstandenen Wirbel potenziert wurde, ist offen. Genauso wie die Frage, ob die ausgehandelte Vereinbarung zum Mieterschutz ihren Zweck erfüllt. Tatsache ist, dass verstärkt Verkaufsbemühungen von Wohnungen durch den neuen Eigentümer verstärkt registriert werden. Doch darüber braucht sich niemand zu wundern. Die Patrizia geht ihrem ganz normalen Geschäft nach. Ein Blick nach Baden-Württemberg offenbart einen vergleichbaren Vorgang mit denselben Akteuren, nur mit dem Unterschied, dass dort eine grün-rote Landesregierung am Ruder ist.

Weniger erkennbar ist auf den ersten Blick, wie sich dort das Ganze zwischen Landesregierung, Parlament, Kommunen oder auch Mietervereinigungen abgespielt hat, mit verdeckten Karten oder ganz offen oder irgendwas dazwischen. Und das offenbart auch die Crux in Bayern. Der finanzpolitische Sprecher und Landesbankexperte der Freie Wähler-Landtagsfraktion, Bernhard Pohl, will jetzt Almunia anschreiben und darum bitten, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Solche Schreiben oder Anfragen gab es schon öfter. Z.B. berichtete die Süddeutsche schon am 2. März 2012 über eine laut Deutschem Mieterbund vorliegende Anfrage des Europaabgeordneten Thomas Händel. Der Antwort zufolge hätte der Freistaat selbst entscheiden gedurft, wie er die angeschlagene BayernLB, und damit auch die ihr gehörenden 92 Prozent der GBW, umstrukturiert.

Das Ganze schwimmt seit Jahren zwischen Zielvorgaben der EU und ungenauen Bestimmungen oder Hinweisen dazu, was geht und was nicht. Und hinter solchem lässt sich alles und auch die Wahrheit, wenn es denn eine solche gibt, verstecken. Das gilt für die EU genauso wie für die Landesregierung. Schaut die Kommission oder namentlich Almunia ungerührt zu, wie sich der Freistaat in der Frage abarbeitet, betrachtet sie/er den Umgang mit Wahrheiten etwa als interne Angelegenheit der Exekutive in Bayern? Und gibt man aus Brüssel gezielt Informationen zu einem Zeitpunkt, wo und wie es gerade passt, zu wessen Nutz oder Schaden auch immer? Vor den Europawahlen hat sich die EU damit keinen Gefallen getan.

Doch der Vorgang wirft auch ein Licht auf ein ganz anderes gerade in Bayern sehr aktuelles Thema. Nämlich die gerade von Ministerpräsident Horst Seehofer propagierte stärkere Bürgerbeteiligung an wichtigen „das Volk berührenden Entscheidungen“. Unerlässlich für den Souverän, gemeint ist das Volk, ist jedoch immer eine stimmende Entscheidungsgrundlage. Und da wird es immer haken. Ein CSU-bayrisch-spezifisches Problem dürfte das allerdings auch nicht sein.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

20. November 2013 um 08:21h

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