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Asylbeschluss des Kabinetts: Notwendige Forderungen oder „eine Schande für Bayern“?

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Handeln in Bayern, fordern beim Bund und bitten bei der EU – in etwa so kann man die gestern bei der Klausur des Bayerischen Kabinetts gefassten Beschlüsse unterteilen. Wobei das Fordern oder Bitten teilweise mit einem nachdrücklichen Erinnern an bereits gefasste Beschlüsse unterstrichen wird. Zum bzw. gegen das Inhaltliche des Maßnahmenpakets war aus ersten Reaktionen darauf recht wenig zu entnehmen, diese richtete sich vornehmlich gegen ein Schüren von Neiddebatten (SPD) oder eine „gezielte Kampagne gegen Flüchtlinge, die im wohlhabenden Bayern Schutz suchen“ (Grüne). Kostenzahlen wurden gestern nicht genannt und auf heute nach internen Beratungen zum Haushalt verschoben. Demnach werden die Asylausgaben Bayerns mit der Umsetzung des Maßnahmenpakets in den Jahren 2015 und 2016 auf insgesamt 2,2 Milliarden Euro steigen.

Schnelle Entscheidung: Optimiertes Abwicklungsmodell entwickelt

Die auf dem Gebiet des Freistaats einschneidendste Maßnahme soll schon innerhalb der nächsten drei Monate eingesetzt werden. Grenznah und entlang der Hauptflüchlingsrouten naheliegenderweise jeweils im Raum Rosenheim und Passau sollen zwei Flüchtlingslager errichtet werden. In diesen sollen nur „Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit aus sicheren Herkunftsländern sowie aus Albanien, Kosovo und Montenegro“ aufgenommen werden. In diesen soll es, der Eindruck wird vermittelt, Ruck-Zuck zugehen, wobei „alle für eine schnelle Verfahrensabwicklung erforderlichen Behörden des Bundes und des Landes sowie die Verwaltungs-gerichtsbarkeit vor Ort zusammenarbeiten sollen: direkte Zuleitung durch Bundespolizei, Landespolizei und übrige Aufnahmeeinrichtungen; Registrierung, Gesundheits-untersuchung und Asylantragstellung innerhalb der drei ersten Tage; Vorrang für das Sachleistungsprinzip und bestehende Residenzpflicht; sofort einsetzende Beratung; Anhörung, Entscheidung und Zustellung der Entscheidung binnen zwei Wochen; gerichtliche Entscheidung bei offensichtlich unbegründeten Anträgen innerhalb von zwei Woche; nach abschließender endgültiger Entscheidung unmittelbare und kontinuierliche Abschiebung.  Ein politischer Leitungsstab aus Bund, Freistaat Bayern und Kommunen werde ab sofort die Umsetzung in die Wege leiten, was sowohl mit dem Bundesinnenministerium als auch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bereits abgesprochen sei. Kapazität der Einrichtungen im vierstelligen Bereich, auch Zeltstädte sind offenbar möglich.

Grenzen der Belastbarkeit“ – auch für das Recht?

Solche schnellen „Asylverfahren für Menschen ohne Bleibeperspektive sind für uns von zentraler Bedeutung, um unser Asylsystem zu entlasten”, betonte Ministerpräsident Horst Seehofer. „Wir dürfen es nicht zulassen, dass unter unseren Augen monatelang Asylmissbrauch geschieht, weil das Verfahren nicht schnell beendet und damit die Rückführungsvoraussetzungen geschaffen werden.” Was das auch bedeutet, liegt auf der Hand. Nämlich die Fragen, inwieweit bestehende Rechtsansprüche auf juristische Prüfung eingeschränkt, gar aufgegeben werden, inwieweit die Gleichheit vor dem Recht in Frage gestellt wird usw. bis hin zu Einzelfragen, wie etwa hier das Problem Sinti/Roma behandelt oder berücksichtigt wird. Dies alles vor der Hintergrund, dass, wie eingangs des Kommuniques zum Ministerratsbeschluss zusammenfassend festgestellt oder behauptet wird, „das Asylsystem organisatorisch, personell und finanziell an Grenzen der Belastbarkeit stößt“ und schnell gehandelt werden muss”.

Schnell-Abwicklung oder nur schnell aufgenommene Verfahren?

Solch eine für Seehofer schnell mögliche klare Unterscheidung zwischen „jene, die Anspruch auf Schutz haben, und jene, die ohne Bleibeperspektive sind“ klingt zwar irgendwie nach Schnellgericht aber per se zieht es erst einmal eine zu treffende Entscheidung vor. Es bliebe also festzustellen oder zu beobachten, ob im Schnellverfahren oder schnell aufgenommenen Verfahren genauso Recht gesprochen wird bzw. gesprochen werden kann. Genauso wie man den Umkehrschluss der Argumentationskette der Staatsregierung beobachten kann: nämlich dass dann für die anderen Flüchtlinge mehr Raum sei für eine menschenwürdige Unterbringung, ohne „Sachmittel“ und Residenzpflicht“ aber mit schnellem Anspruch auf eigene Wohnung und – vielleicht – dem Recht auf Arbeitssuche.

Lange Forderungsliste an Bund . .

Durchaus folgerichtig drängelt Bayern denn auch auf eine „in Tiefe und Tempo“ vorzunehmende Umsetzung anderer Beschlüsse der Konferenz der Ministerpräsidenten (MPK) vom 18. Juni 2015 mit der Forderung von grundsätzlicher Verfahrensbeschleunigung mit personeller Verstärkung der Mitarbeiter, dem Abbau der Bestandsverfahren und auch mit der Verfahrensbeschleunigung bei Asylbewerbern ohne Schutzgrund bis hin zur Verkürzung der Gesamtaufenthaltsdauer in Deutschland für Asylbewerber mit besonders niedriger Schutzquote von EASY-Registrierung bis Aufenthaltsbeendigung auf wenige Wochen.

. . . lange Forderungsliste an EU

Bayern fordert auch eine bundesweite Verteilung der unbegleiteten Minderjährigen (mit Übergangskonzept, in Bayern sei jeder zweite unbegleitete Minderjährige untergebracht). Weitere Forderungen sind die Aufnahme von Albanien, Kosovo und Montenegro in die Liste der sicheren Herkunftsstaaten des Asylverfahrensgesetzes sowie die Prüfung, ob weitere, insbesondere afrikanische Staaten, in diese Liste aufgenommen werden können. Hinzu kommen besondere Visapflichten, Ausweitung von Leistungskürzungen, gesetzliche Verbote von Beschäftigungserlaubnissen z.B. bei Asylbewerbern aus aus sicheren Hrkunftsstaaten und andererseits die Schaffung von Möglichkeiten, damit solche mit hoher Bleibepesrpektive rasch ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können. Die Liste wird fortgeführt über die Forderung nach einem Bund-Länder-Wohnraumprogramm bis hin zur bemerkenswerten Klarstellung, dass die Ausgestaltung von Unterkünften menschenwürdig sein müsse, aber keinen zusätzlichen Anreiz schaffen dürfe, nach Deutschland zu kommen. – Ende der Vorstellung einer „grundlegenden Änderung unserer gesamten Asylpolitik“.

SPD: „Neiddebatte“ – Transparenz unter verschiedenen Maßstäben

SPD-Fraktionsvorsitzender Markus Rinderspacher kritisierte eine “rechtspopulistische Stimmungsmache” von CSU (und Pegida) und dass die CSU Minderheiten stigmatisieren wolle. Wer mit Blick auf die Asylsuchenden von „Bayern im Katastrophenmodus” fasele (Söder), „leistet ausgrenzender Hetze Vorschub und gibt rechten Rattenfängern zusätzlichen Rückenwind“. Und wenn die CSU nun diverse staatliche Leistungen als Asylkosten hochrechne, von denen im Übrigen nicht nur Flüchtlinge profitierten, schüre sie eine Neiddebatte. Bei den Milliardenkosten des Landesbankdesasters, so Rinderspacher, wäre die CSU niemals auf die Idee gekommen, diese von sich aus transparent zu machen. Bei der unwürdigen CSU-Verwandtschaftsaffäre habe gar das Verfassungsgericht zur Veröffentilchung staatlicher Gelder zugunsten der Familienkassen einzelner Kabinettsmitglieder urteilen müssen. Gegen eine transparente Haushaltsführung wäre nichts einzuwenden, im Gegenteil. Doch darum gehe es der CSU hier gar nicht.

FW und SPD fordern mehr Verwaltungsrichter – LINKE: „Die Saat geht auf“

Die Freien Wähler ließen sich Zeit bis heute nach Bekanntgabe von Haushaltszahlen und beschränkten sich mit der sicher berechtigten Forderung nach der Einstellung von mindestens 50 zusätzlichen Verwaltungsrichtern und Einstellungen im nichtrichterlichen Bereich, um den Bearbeitungsstau von Asylanträgen bewältigen zu können. Einen entsprechenden Dringlichkeitsantrag kündigte Fraktionschef Hubert Aiwanger für die morgige Plenarsitzung an, einer Forderung übrigens, der sich heute auch SPD-Haushaltssprecher Volkmar Halbleib anschloss. Ansonsten ist den Freien Wählern inhaltlich eher Nähe zum Maßnahmenpaket der Staatsregierung anheim zu stellen. Was natürlich nicht für die LINKE gilt. Landessprecher Xaver Merk stellte fest, dass die Andersbehandlung der Flüchtlinge aus Südosteuropa im Kern nichts anderes bedeute als dass „die Diskriminierung der Sinti und Roma in Bayern fortgeführt und zementiert“ werde. Pegida frohlocke jetzt schon über einen Rechtsruck der CSU-Politik. Die Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nähmen nicht mehr zu verantwortende Ausmaße an: „Die Saat geht langsam auf.“

Margarete Bause: „Eine Schande für Bayern“

Weniger außerparlamentarisch aber sich treu bleibend reagierten die Grünen. Es gehe der CSU weniger um eine politische Lösung, sondern „um eine gezielte Kampagne gegen Flüchtlinge, die im wohlhabenden Bayern Schutz suchen“ meinte Fraktionssprecherin Margarete Bause. Seehofer schwenke nun vollends auf den rechtspolitischen Kurs seines Ministers Söder und seines Generalsekretärs Scheuer ein und „hetzt gegen Fremde“. Die Maßnahmen – eine Schande für Bayern“. Kein Eingehen auf die Nöte der Schutzsuchenden – kein Wort des Dankes für die vielen ehrenamtlich in der Flüchtlingsbetreuung engagierten Bürgerinnen und Bürger.

Ehrenamt braucht eine starke Interessenvertretung

Letzteres ist vielleicht eine Nebenbetrachtung wert. Mehr Dank erhalten die Freiwilligen vermutlich von den Flüchtlingen und dieser dürfte ihnen in aller Regel mehr wert sein. Und was sie noch mehr brauchen ist eine kraftvolle Stimme, eine Interessenvertretung. Es gibt durchaus zaghafte Versuche aller Fraktionen im Landtag, die Stellung oder die Situation von ehrenamtlich Tätigen zu verbessern. Das erscheint als Stückwerk angesichts der Aufgaben und der Verantwortung, die hier zunehmend auch abverlangt wird. Das hat nichts mehr damit zu tun, dass jemand irgendwo die Landschaft pflegt und dafür vielleicht 5 bis 10 Euro für den Aufwand erhält. Das sind emotional belastende Erlebnisse, die mit nach Hause und in die Bettruhe genommen werden. Das wirft Interessenskonflikte und auch Fragen auf, die zum Teil im Streit mit Hauptamtlichen gelöst werden müssen – oder nicht gelöst werden können. Auch hier scheinen völlig neue Überlegungen, Ansätze und Rahmenbedingungen zwingend notwendig.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

21. Juli 2015 um 13:40h

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