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Studiengebühren: Auseinandersetzung voll verschenkter Chancen

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Was ist das für eine Einigung. Die FDP erlaubt den CSU-Abgeordneten und nicht zu vergessen den eigenen Fraktionsmitgliedern, frei über die Abschaffung der Studiengebühren abzustimmen. Über die Liberalen braucht man sich da nicht viele Gedanken zu machen. Selbst wenn mehr als zwei der sich bislang Geouteten für die Abschaffung stimmen – die Fraktion hätte sich vor der Einigung an die geltende Koalitionsvereinbarung gehalten. Basta. Bei den CSU-Abgeordneten steht an, dass sie vom Koalitions- in den Fraktionszwang taumeln. Denn das wäre, frei nach einem Ausspruch des Bundespräsidenten, wirklich ein Ding, wenn sich plötzlich in freier Gewissensentscheidung eine größere Anzahl von ihnen für die Beibehaltung der Studiengebühr aussprechen würde/könnte.

Dem Meinungsumschwung ist kein „Tsunami“ vorausgegangen

Eine solche Haltung ist beileibe nicht von der Hand zu weisen. Eine stattliche Reihe der jetzigen CSU-Abgeordneten hatte deren Einführung ab dem WS 2006/2007 mit beschlossen. Die Gebühr wurde zwei Jahre später wesentlicher Bestandteil des Koalitionsvertrags. Und als wiederum zwei Jahre danach der an der Gebühr zweifelnde Regierungschef Horst Seehofer sie zur Abstimmung trieb, votierte die CSU-Fraktion wiederum geschlossen für die Beibehaltung der Gebühr. Einige bekennen zwar mittlerweile, man habe damals Seehofer eins auswischen wollen, aber innerhalb eines Jahres hat kein „Fukushima“ ein solches kollektives Umdenken erzwingen können. Bei einer nicht bestimmbaren Anzahl wird es eine gewachsene Überzeugung sein, eine solche Gebühr passe nicht mehr in die Zeit und/oder sei politisch nicht mehr haltbar.

Diese Ansicht scheint weniger eigener Überzeugung zu folgen, sondern vielmehr einem Unvermögen, aus welchen Gründen auch immer, dem Argument, eine Studiengebühr sei unsozial, zu begegnen. Dies wirft sowieso zwangsläufig die Frage auf, ob die Studiengebühr im Rahmen der gesamten Bildungspolitik allein unsozial oder besonders unsozial ist. Im letzteren Fall wäre es zumindest logischerweise richtig, dieses Problem zuerst anzupacken. Viele der Gegner der Abschaffung von Studiengebühren, unter ihnen konnte man herausragend den Chef der FDP-Fraktion Thomas Hacker zitieren, verneinen dies. Investitionen in die Bildung gehörten vorrangigst an den Anfang gestellt.

Mit-Anliegen der Opposition en passant miterledigt

Dieses Problem wurde mit der Koalitionsvereinbarung vom Samstag geheilt. Genauso wie manche Ungleichbehandlung der angehenden MeisterInnen oder AltenpflegerInnen. En passant können also SPD, Grüne und Freie Wähler einige ihrer früheren – abgelehnten – Initiativen als erledigt abhaken. Gleichzeitig setzte die FDP neben der Übernahme der von den Studierenden an ihre Hochschulen bezahlten Beiträge durch den Landeshaushalt noch ihre Forderung nach noch mehr Schuldenabbau durchsetzen.

Mit dem Versiegen der Quellen sind Versprechungen nicht mehr zu halten

Warum denn nicht gleich so, wenn das so einfach ist, wird sich jeder vernünftig Denkende fragen. Es ist natürlich nicht so einfach. Das Ganze erscheint auf Sand gebaut. Erkauft wird die Erfüllung des Wunschzettels aus vorhandenen Rückstellungen und sprudelnden Steuereinnahmen. Mit dem Versiegen dieser Quellen wären die Versprechungen nicht mehr zu halten. Es sei denn auf Kosten anderer. Diese Diskussion verbunden mit einem notwendigen neuen Aufschnüren des Pakets wäre ggf. für die neue Legislatur zu erwarten.

Lieber ein halber Sieg als ein Pyrrhussieg

Die Jungen Liberalen sehen dies im Prinzip ebenso und lehnen den „Kompromiss“ ab. Es könnte hochinteressant werden, der Debatte zu dieser Frage am kommenden Wochenende beim Landesparteitag der FDP in Aschaffenburg zu folgen. Doch möglicherweise folgt eine große Mehrheit stillschweigend der Haltung ihrer Parteispitze: Lieber ein halber Sieg als ein Pyrrhussieg.

Diesem Argument beugten sich denn sowohl Hacker – sofern er ein solches Ziel nicht von Beginn an verfolgte – als auch Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch: „Keine Hochschule bekommt weniger, alle bekommen genau das gleiche.“ Gemessen an seinem Anspruch ist dies allerdings zu wenig. Der Fachminister hatte zu Beginn seiner Amtszeit die Auswüchse, nämlich das Horten der Studentengelder auf Uni-Konten, schnell in den Griff bekommen. Das Erreichen des Ziels, nämlich die Verbesserung der Studienbedingungen, wurde darauf hin schnell sichtbar. Und es beschränkte sich keineswegs, wie von Gegnern gern abfällig wie an den Wegrand geworfen, auf ein paar Stunden längerer Öffnungszeiten der Bibliotheken.

Keine echte Evaluierung – nur verschenkte Chancen

Das Ministerium sammelte zwar eifrig aus den Hochschulen eingehende Ergebnisse zur Gebührenverwendung, zu einer echten Evaluierung konnte es allerdings nicht kommen. Und das ist schlicht schade. Denn vieles wurde, vielleicht nur vorläufig, verschenkt. Beispielsweise ein kleiner Baustein zur Stärkung der echten Autonomie der Hochschulen. Es macht auch einen kleinen Unterschied, ob ich als StudentIn über von mir selbst bezahlte oder vom Staat allimentierte Mittel mitbestimmen kann. Dem oft gehörten Argument, wohlhabende Eltern könnten ein Studium aus der Portokasse finanzieren, ist entgegen zu halten, dass diese es jetzt geschenkt bekommen. Es erscheint dem gegenüber als sozial ausgeglichener, wenn Betuchte ganz zahlen und weniger Reiche falls notwendig nichts oder nur einen Teil.

Und es wurde eine weitere Chance vertan. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hatte früh darauf hingewiesen, dass mit der Aufgabe der Studiengebühren ein von Bayern erlangter Standortvorteil hinsichtlich der Qualität von Studienplätzen aufgegeben werde. Der Hinweis, dass dies ja mit der jetzigen Koalitionseinigung erhalten bleibe, verkürzt das Problem auf das rein Rechnerische. Und dies nur auf vorläufige oder unbestimmte Zeit.

Wettbewerb ist Voraussetzung für Föderalismus

Der weitaus umspannendere Gedanke, nämlich, dass dieser Vorteil im Wettbewerb unter den Ländern außerhalb von mehr oder weniger gefüllten Staatskassen entstanden ist, bleibt außer acht. Genau einem solchen Wettbewerb entspringen jedoch Idee und Berechtigung des Föderalismus. Wer gleichmachend mit „wir wären die einzigen“ argumentiert, stellt diesen in Frage oder gibt ihn gar auf. Dass auch dieser Fall die strittige Frage einer ungerechten Verteilung mit falschen oder nicht gegebenen Leistungsanreizen im Länderfinanzausgleich berührt, ist eine ganz andere offene Frage. Ihr sollte man anstehende Einzellösungen nicht opfern.

Finanzierungsmöglichkeiten über Wirtschaft und Ehemalige nicht ausgereizt

Nicht ausgereizt im Zusammenhang mit Studiengebühren wurden bislang nicht die Möglichkeiten, Dritte wie die Wirtschaft etwa über Stipendien heranzuziehen oder Ehemalige für die Übernahme von Kosten an ihrer Alma Mater zu begeistern. Die Kosten für die Hochschulen – und das floss bislang nicht in die Debatte ein – werden nämlich wegen des anstehenden Sanierungsstaus erhebelich steigen und die Staatskasse/die Hochschuletats zusätzlich belasten. Heubisch hat an den Finanzierungsmöglichkeiten gerührt. Die Wirtschaft, so heißt es aus dem Ministerium, sei durchaus aufgeschlossen –außer acht und zwar nicht lediglich an der Einrichtung von für sie interessanten Lehrstühlen. Die Ehemaligen-Beteiligung, in den USA und vielerandernorts normal, steckt hierzulande nicht einmal in den Kinderschuhen. Es gibt auch gute Gründe, ihr wie auch der Beteiligung der Wirtschaft, mit Vorbehalten zu begegnen. Aber nicht genügend, um ein Nachdenken oder eine Diskussion darüber von vorne herein auszuschließen.

Veröffentlicht von Helmut Fuchs

25. Februar 2013 um 11:27h